[794] Bilsenkraut, 1) überhaupt die Pflanzengattung Hyoscyamus; 2) bes. das Schwarze B. (Hyoscyamusniger), ein- bis zweijährige, an bebauten Orten, an Rändern, durch ganz Deutschland wachsende Pflanze, mit graugrünen, tiefbuchtigen, haarigkleberigen Blättern, schmutziggelben, violettgeaderten Blüthen, krugförmigen, durch abspringenden Deckel sich öffnenden Samenkapseln, zahlreichen, weißlichen, fast nierenförmigen Samen; in allen Theilen ekelhaft riechend, fade, bitterlich schmeckend; betäubend giftig, die Pupille erweiternd, Blindheit, Raserei, Lähmungen, Convulsionen erregend, auch selbst tödtend. Das B. wurde sonst zur Bereitung der Hexensalben gebraucht, deren Anwendung vorübergehenden Wahnsinn erzeugte. Gegenmittel: Brechmittel, vegetabilische Säuren, Kampfer. In der Medicin als beruhigendes, schmerz- u. krampfstillendes Mittel in kleinen Gaben, u. zwar innerlich das Kraut selten, wohl aber äußerlich in Form eines Breiumschlages, mit erweichenden Kräutern vermengt, z.B. mit bes. gutem Erfolg bei eingeklemmten Brüchen, am häufigsten hingegen das Extract angewendet. Des Bilsenkrautsamens bedient man sich als Räucherung gegen Zahnschmerzen, doch nicht ohne Gefahr; auch. in einer Samenmilch gegen krampfhaften Bluthusten. Er ist noch giftiger als das Kraut. Bilsenkrautextract (Extractum hyoscyami), durch Vermischung des ausgepreßten Saftes u. des geistigen Auszuges der Remanenz u. vorsichtiges Abdampfen bereitet, grünlich braun, den Geschmack u. Geruch des Krautes besitzend; kräftiges, krampfstillendes, beruhigendes Mittel; Gabe: 1/2 1 Gran. Bilsenkrautöl (Oleum hyoscyami coctum), durch Aufguß der Blätter mit heißem Olivenöl bereitet, grün, äußerlich als erweichendes schmerzstillendes Mittel angewendet. Bilsenkrautpflaster (Emplastrum hyosc.), aus gelbem Wachs, Kolophon, Öl u. gepulvertem B. bereitet. Bilsenkrautsalbe (Ung. de hyoscyamo), aus frischen Blättern, Schweineschmeer u. B-samenöl bereitet, grünlich. Bilsenkrauttinctur (Tinctura hyosc.), durch Digestion des frischen Krautes mit Weingeist erhalten; nicht officinell, aber in wenigen Tropfen wirksam; häufig homöopathisch (bis zu 1 Trillionverdünnung) angewendet. Auch die Bilsenkrautwurzel (Radix hyosc.) war sonst officinell. Schweine, Rindvieh, Schafe, Ziegen, Pferde, fressen das B. ohne Nachtheil; den Hirschen, Fischen u. dem Federvieh ist es schädlich. Bei den Celten war es dem Gott Belen (nach dem es Belinuntia hieß) geheiligt, u. sie bestrichen mit dem Safte ihre Pfeile, um die getroffenen Hirsche desto sicherer zu tödten, trieben auch allerhand Aberglauben damit, z.B. sollte es, von einer Jungfrau ausgegraben, bei langer Dürre Regen bewirken.[794]