Wachs

[722] Wachs (Cera), die Substanz, aus welcher zum größten Theil die zur Aufbewahrung des Honigs dienenden Zellen der Bienen bestehen. W. kommt auch im Pflanzenreiche sehr verbreitet vor, daher man Bienenwachs u. Pflanzenwachs unterscheidet. Von den Fetten, denen die Wachsarten am nächsten stehen, unterscheiden sich dieselben durch ihre Brüchigkeit in der Kälte, ihre Schwerlöslichkeit in Alkohol u. dadurch, daß sie kein Glyceryloxyd u. keine Ölsäure enthalten; nur das W. von Myrica cerifera macht davon eine Ausnahme; dasselbe enthält nämlich Glyceryloxyd, verbunden mit Palmitinsäure, Stearinsäure u. Oleinsäure. A) Das Bienenwachs kommt nicht, wie man sonst glaubte, aus den Pflanzenstoffen, welche den Bienen zur Nahrung dienen, es ist vielmehr das Secret besonderer Organe, welche den Arbeitsbienen eigenthümlich sind, zur Seite der mittleren Linie des Bauches liegen u. aus kleinen Säckchen bestehen, deren sich acht an den unteren vier Schuppen der Bauchriegel befinden. Das aus diesen Organen abgesonderte W. ist Anfangs flüssig, erstarrt aber bald zu kleinen weißen Blättchen. Hunter hat zuerst die Beobachtung gemacht u. Huber durch Versuche ausführlicher bestätigt, daß die Bienen bei ausschließlichem Genuß von Zucker W. zu erzeugen im Stande sind, daß also im Organismus der Bienen durch Umwandlung des Zuckers W. gebildet wird. Das W. der Waben ist anfänglich weiß; erst der eingefüllte Honig u. Blüthenstaub färben es gelb. Um das durch Auswaschen u. Schmelzen der Waben erhaltene W. zu reinigen u. zu bleichen (s. Wachsbleichen), schmilzt man es in einem durch Dampf od. heißes Wasser geheizten Kessel u. bringt es, nachdem sich die Unreinigkeiten abgesetzt haben, in bandförmige Streifen, welche im Sonnenlichte gebleicht werden, während man sie öfter benetzt u. umwendet; dann schmilzt man es ein, formt wieder Bänder u. bleicht weiter etc., bis das W. endlich völlig weiß ist; zuletzt schmilzt man es, seiht es durch ein Sieb u. gießt es in Blöcke od. Tafeln. Wegen des hohen Preises wird das W. häufig verfälscht; die gewöhnlichsten Verfälschungen sind die mit Talg, Stearin, ferner Harzen, stärkmehlhaltigen Substanzen, wie Erbsen- u. Bohnenmehl, calcinirten Knochen, erdigen Substanzen u. Wasser; neuerdings kommt auch häufig mit Paraffin verfälschtes W. in den Handel. Eine besondere Art der Verfälschung besteht darin, daß der aus schlechtem W. bestehende Kern der Wachsbrode mit gutem überzogen ist. Man benutzt das W. zur Licht- u. Kerzenfabrikation, zum Boussiren der verschiedenartigsten Gegenstände, in der enkaustischen Malerei, zur Bereitung der Lithographischen Kreide, der Wichse, des Baumwachses des Wachstaffets, zum Poliren der Meubles u. Fußböden, zum Flaschenlack, in der Pharmacie zur Bereitung vieler Pflaster u. Salben etc. Das reine W. ist an den Rändern durchscheinend, besitzt weder Geruch noch Geschmack u. hat ein specifisches Gewicht von 0,96 bis 0,966. Es schmilzt bei 60°, wird bei 30° weich u. biegsam u. läßt sich dann kneten u. formen. Im geschmolzenen Zustande besitzt es bei 81° ein specifisches Gewicht von 0,834 u. bei 94° von 0,8247; bei 0° ist es spröde u. hart. Es bedarf 10 Thle. kochenden Äther zur Lösung, in kaltem ist es unlöslich. Es soll sich in weniger als[722] 10 Thle. kochendem Weingeist lösen. Die krystallinische Structur des W-es läßt sich leicht nach folgendem, von Böttger angegebenem Verfahren beobachten: Man bringt ein Stück W. in einer flachen, mit Wasser gefüllten Porzellanschale zum Schmelzen, entfernt die im W. entstehenden Luftbläschen nimmt die Schale vom Feuer; beim langsamen Erkalten bemerkt man im Moment des Erstarrens mehre undurchsichtige Punkte, von welchen aus die Krystallisation rasch fortschreitet u. endlich auf der ganzen Oberfläche des W-es scharf hervortritt. Die Form der Krystalle gleicht denen der Bienenzellen. Wird concentrirte Salpetersäure bei gelinder Wärme mit weißem W. in Berührung gebracht, so findet im Anfang eine heftige Einwirkung statt, welche sich nach u. nach vermindert; nach einigen Tagen ist das W. in eine ölige Masse verwandelt, welche sich später in Salpetersäure auflöst. Dabei bilden sich Adipin-, Pimelin- u. Lipinsäure. Wird die Oxydation so lange fortgesetzt, bis sich keine rothen Dämpfe mehr entwickeln, so bildet sich Bernsteinsäure; zugleich entwickelt sich noch ein flüchtiges Öl von ranzigem Geruch. Das W. besteht aus einem, in siedendem Weingeist unlöslichen u. in einem darin löslichen Theile; der unlösliche Theil, das Myricin, ist palmitinsaures Melissyloxyd, C60 H61 O + C32 H31 O3, ist grünlich u. schmilzt bei 72°, zerfällt durch Behandlung mit einer weingeistigen Kalilösung in Melinylalkohol od. Melinylhydrat u. palmitinsaures Kali. Der erstere Körper heißt auch Mellinin (s.d.). Der in siedendem Alkohol lösliche Theil des W-es ist das Cerin (freie Cerotinsäure), C54 H54 O14, welche im reinen Zustande krystallinisch, weiß, spröd ist u. bei 80° schmilzt; im reinen Zustande ist sie unzersetzt geblieben. Von den freien Indianern am Orinoco u. Amazonenfluß, bes. von dem Stamme Tamas am Rio Caquetas wird ein W. gesammelt u. unter dem Namen Cero de los Andaquies od. Cero das Andaquies in den Handel gebracht u. zur Bereitung von Wachskerzen benutzt. Es ist das Product eines kleinen Insects, welches auf Einem Baume eine Menge. Stöcke anlegt, die 100–250 Grammen gelbes W. liefern. W. liefern Rußland. Polen, Türkei, Griechenland u. die Griechischen Inseln, Ungarn, Moldau, Walachei, Frankreich, Böhmen, Mähren, Preußen, Ober- u. Nieder-Sachsen, die Rheingegenden, Ägypten, Tunis, Marokko, Guinea, Ostindien. Das Landwachs aus dem Hildesheimischen, Lüneburgischen, Bremischen, Holsteinischen u. Mecklenburgischen gilt für das beste; dem zunächst kommt das nordische, am wenigsten Werth hat das schlesische, sächsische, das aus den Rheingegenden u. Frankreich. Wachsbleichen gibt es in Hamburg, Berlin, Wien u.a. O. Es wird in Broden, Scheiben u. Tafeln, od. in großen Blöcken (Marquellen) verkauft.

B) Pflanzenwachs. Bei allen sogenannten bereisten Pflanzentheilen u. Pflanzen besteht der bläuliche Überzug aus einer dünnen Schicht kleiner Wachskörner; dichter damit überzogen sind die Früchte der Myriceen, des Croton sebiferum, Rhus succedaneum, die Blätter von Elymus avenarius, die Bracteen von Musa paradisica, der Stamm von Ceroxylon andicola etc. Am Stamm u. den Blattstielen des Zuckerrohrs findet sich ein eigenthümliches W., das sogen. Cerosin, welches bei 93° schmilzt. Das sogen. Palmwachs ist ein Gemisch von Harz u. einer dem Bienenwachs ganz ähnlichen Substanz; es kommt von der im nördlichen Brasilien heimischen Wachspalme, Corypha cerifera (s.u. Schirmpalmen), von deren jung abgeschnittenen, getrockneten Blättern es sich in kleinen Schuppen ablöst u. dann geschmolzen mit Bienenwachs u. Talg vermischt zur Bereitung von Kerzen benutzt wird. Unvermischt ist es spröde, leicht zu pulvern, grau, löst sich in kochendem Weingeist u. Äther, fällt beim Erkalten krystallinisch nieder u. schmilzt bei 83,5. Das Japanische W. scheint nicht, wie man sonst annahm, von Pflanzen (Rhus) abzustammen, sondern von Insecten (Cocus ceriferus) ganz in Art des Bienenwachses abgesondert zu werden; es ist dem Wallrath sehr ähnlich, krystallisirt, schmilzt bei 82,5°; in Weingeist u. siedendem Äther ist es nur in sehr geringer Menge löslich, dagegen löst es sich sehr leicht in Steinöl. Es besteht wesentlich aus cerotinsaurem Cerotyloxyd (Cerosin), C54 H55 O + C54 H53 O3; bei der Destillation zerfällt es in Cerotinsäure u. Ceroten. Das nordamerikanische W. von Myrica cerifera u. das afrikanische von Myrica cordifolia wird durch Auskochen der Früchte dieser Sträucher, denen es zur äußern Hülle dient, gewonnen, ist grünlich, durchscheinend, kann durch Sonnenlicht völlig gebleicht werden, ist in der Kälte so brüchig u. spröde, daß es sich pulvern läßt, enthält Glycerin, Stearinsäure, Palmitinsäure u. Oleïnsäure. Das Ocubawachs, aus den Früchten von Myristica officinalis Mart. (M. ocoba), einem Strauch in der Provinz Para u. in Gujana, durch Auskochen darzustellen, ist gelblich weiß, in siedendem Weingeist löslich, schmilzt bei 36,5°. Bicuhybawachs, auf gleiche Weise aus den Früchten von Myristica bicuhyba Schott. gewonnen, gleicht dem vorigen, schmilzt aber bei 35°.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 722-723.
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