Böhmerwald

[25] Böhmerwald, 1) (Böhmisch-baierisches Waldgebirge), Gebirgszug in der Mitte Deutschlands, streicht vom Fuße des Fichtelgebirges bei Eger in südöstlicher Richtung nach der Donau zu u. bildet die Wasserscheide zwischen diesem Strome u. der Moldau, sowie die politische Grenze zwischen Baiern u. Böhmen. Seiner Formation nach ist der Gebirgszug vielfach verästelt in, einander parallel laufende od. zu einem Gebirgsstock zusammenschießende Zweige. Ein ununterbrochener Gebirgsrücken ist nur bei dem mittleren Theile von den Quellen der Moldau bis zu dem Einschnitt, der[25] durch das Thal des Chambachs zwischen Eschlkam u. Neumark gebildet wird, wahrzunehmen. Dieser Theil trägt auch die höchsten Bergkuppen des ganzen Gebirgszugs, nämlich den Arber, 4650 F., den Rachelberg, 4460 F., den Kubani, 4240 F., den Schwarzen Berg, 3410 F., u. verästelt sich gegen Nordosten in allmälig gegen das Thal der Moldau abfallende, von den Quellen dieses Flusses durchfurchte Gebirgszüge. Gegen Südwesten verläuft er in eine weite Hochebene, die in steilen Wänden gegen die Donau u. den Regen abfällt. Dieses Hochland führt auch speciell den Namen Baierischer Wald. Der südliche Theil des Gebirges ist eine unregelmäßige Gebirgsmasse, deren einzelne Berggruppen auch besondere Namen führen, wie Donauberge, Karlsberge, Dreiecksmarkgebirge, Teufelsmauer etc. Die durchschnittliche Höhe dieses Theils ist 2000–2500 Fuß. Der höchste Gipfel, Plöckenstein, hat 4170 u. der Dreisesselberg 3800 F. An seiner äußersten Nordgrenze, wo er schroff gegen die Ebene von Budweis abfällt u. seine Gipfel sich bis zu 3300 F. erheben (bei Krummau), heißt dieser Theil des B-s Plansker Wald. Der nördliche Theil des B-s zertheilt sich gleichfalls in mehrere nebeneinander herlaufende Bergrücken mit geringer Gipfelbildung. Dieselben sind meistens durch flache Sättel mit einander verbunden, haben eine durchschnittliche Höhe von kaum 2000 F. u. verflachen sich gegen den Fuß des Fichtelgebirges bis auf 1500 F. Die nordöstlichen Vorberge fallen gegen das Thal der Eger ab, als Teplergebirge u. Kaiserwald, letzter in seiner bedeutendsten Erhebung (Herrenheide) 2580 F. hoch. Die Hauptmasse des ganzen Gebirgszuges besteht aus Gneis u. Granit; Glimmerschiefer zeigt sich nur auf dem Gebirgsstock des Kunischen Gebirges bei Eisenstein. Der Plansker Wald ist ein Granulitgebirge, umgeben von einem Gürtel von Hornblendeschiefer u. Gneis, mit Einlagerungen von Kalkstein, Graphit u. Serpentin. Eine merkwürdige geognostische Erscheinung ist der sogenannte Pfahl im Baierischen Wald, ein Quarzfelslager, welches sich 15 Ml. weit ziemlich parallel mit dem Regen von Schwarzenfeld bis nach Klafferstraß am Dreisesselberge hinzieht u. eine stellenweise hoch über den Erdboden hervorragende Felsenmauer bildet. Edle Metalle findet man an keiner Stelle des B-s. Das ganze Gebirge trägt einen rauhen Charakter u. ist auf der Höhe stellenweise ganz unzugänglich, da dichter Urwald mit wild verwachsenem Gestrüpp den Grund überdeckt. Die Waldregion reicht bis zu 3500 Fuß hinauf; Tannen, Fichten u. Buchen bilden den Hauptbestand des Hochwaldes. Die zahlreichen reißenden Berggewässer erhalten einen großen Theil ihrer Wassermasse aus den sogenannten Filzen, weiten Moorgründen in den hochgelegenen Thälern, welche von den im Juni schmelzenden Schneemassen getränkt werden. Diese Filze sind an einigen Stellen 12–18 F. tief u. verdrängen, sich ausdehnend, die Baumvegetation. Die Bewohner des B-es sind fast durchweg deutscher Abstammung, mit wenig böhmischen Elementen untermengt. Sie reden einen eigenthümlichen, von der baierischen Mundartabweichenden Dialekt u. schließen sich, an Sitte u. Brauch der Voreltern hangend, streng gegen Fremde, ja einzelne Dörfer auch gegen einander ab. Ihre hauptsächlichste Nahrungsquelle ist das Holz, welches sie entweder roh od. verarbeitet in den Handel bringen. Sie fertigen daraus Zündhölzchen, Resonanzböden, Schindeln, Schachtelholz, Holzschuhe, Küchengeräthe etc. An den Abhängen finden sich oft schöne Viehweiden; Hafer, Flachs u. Obst kommt an einzelnen Stellen, aber meist nur kümmerlich, fort. Graphitbergwerke sind in der Gegend von Schwarzbach angelegt. Die Jagd auf Rehe u. Füchse, auch auf Federwild, ist ergiebig. Sechs Hauptstraßen vermitteln den Verkehr zwischen Böhmen u. Baiern: der Philippsreuther Paß, führt von Pisek nach Passau; der Eisensteiner Paß von Klattau nach Regen; der Paß von Cham nach Neumark; der Waldmünchener Paß, der Pfrauenberger Paß, beide von Regensburg nach Pilsen, u. die Straße von Tirschenreuth nach Eger. In historischer Beziehung ist der B. als Völkerscheide merkwürdig, indem er dem Vordringen der Slawen gegen das Innere von Deutschland einen Damm entgegensetzte. Seiner Unzugänglichkeit wegen diente der B. oft zum Verstecke für Flüchtlinge in kriegerischen Zeiten, für Raubgesindel u. dergl. Vergl. Rank, Aus dem B., Lpz. 1851, 3 Bde.; Stifter, Der Hochwald, Lpz. 1852. 2) Schloß bei Bergreichenstein im Prachiner Kreise (Böhmen).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 25-26.
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