Fichte [1]

[255] Fichte, 1) überhaupt das Pflanzengeschlecht Pinus, also auch die darunter als Kiefer, Tanne, Ceder u. Lärchenbaum befaßten Waldbäume; 2) in gewöhnlichem Leben fälschlich die gemeine Kiefer u. die gemeine Tanne; 3) die Gattung Eigentliche F. (Kiefer, Föhre, Pinus Link.), aus der Familie der Abieti u. eae. Monocia-Monadelphia L.; einhäusig, Staubfäden der mänliichen Zapfen unten verwachsen, Staubbeutel mit gesonderten Fächern, in einen häutigen Kamm endigend, die Zapfen gehäuft: weibliche Zapfen einzeln, mit gepaarten Blüthen, den an der Spitze verdickten u. eckigen Schuppen aufsitzend; Nuß meist geflügelt, gepaart unter der verdickten Spitze der Schuppen; Nadeln rund um die Zweige stehend, wodurch die Zweige cylindrisch sind. Arten: a) Gemeine F. (Roth-F, Roth- od. Schwarztanne, Pinus sylvestris), blos in nördlichen Gegenden von Europa u. Asien bis zum 60 Grad; Nadeln zu zweien in einer Scheide, hellgrün, schmal, vierseitig, 1/2 Zoll lang, zugespitzt, steif, flechend, am Ende etwas krumm gebogen; die Blüthen erscheinen Ende Mai od. Anfang Juni; die männlichen gleichen beim Ausbrechen einer Erdbeere; die anfänglich rothe Fgrbe wird später gelblich, u. die männliche Blüthe streut gelben Blüthenstaub aus; die weiblichen Blüthen, von den männlichen getrennt, sind schon seit dem vorigen Jahre an den Spitzen der Zweige als kleine bräunliche Knospen da u. brechen mit den männlichen in etwas größeren, länglichen, zugespitzten, röthlichen Kätzchen von der Gestalt der nachherigen F., erst röthlichen später braunen, 5 Zoll langen, 11/2 Zoll breiten Fichtenzapfen hervor; diese hängen an den Zweigen niederwärts u. reisen im October u. November, obgleich sie die (schwärzlichen, mit breiten, gelbbraunen Flügeln besetzten) Fichtensamen erst in den warmen Monaten des folgenden Jahres ausfliegen lassen. Die Rinde des Stammes ist braunroth u. bekommt mit zunehmendem Alter des Baumes immer mehr Risse. Holz weiß, leicht u. sehr harzreich. Varietäten sind F-n mit helleren Blumen (aus Schwäche des Baumes) u. mit weißgrauer Rinde (von einem sie überziehenden zarten Steinmoose). Die Fortpflanzung geschieht durch Verjüngung. Man läßt bei der Schlagführung nur so viel Samen- u. Schutzbäume stehen, als die Behütung u. der Schutz der jungen Pflanzen erfordert; je reichlicher der Samen gerathen ist u. je weniger man von der Berasung des Bodens u. vom Frost zu besorgen hat, desto mehr Bäume bleiben stehen u. umgekehrt; hauptsächlich läßt man die Samenbäume stehen, welche den meisten Samen haben u. dem Winde am besten widerstehen können. Wenn möglich, werden die Stöcke auf dem Besamungsschlage im Frühjahr vor dem Aufgehen des Samens gerodet; wo von Frost od. Unkraut nicht viel zu besorgen ist, da kann der Anfang mit der Wegnahme der Samenbäume schon im nächsten Winter gemacht werden, außerdem ist noch ein Jahr damit zu warten. Bei Rodung der Stöcke der Samenbäume muß der junge Anflug geschont werden; der Samen muß auf den vorher mürb gemachten Boden fallen. Zeigen sich 1–2 Jahr nach der gänzlichen Räumung des Schlages leere Stellen, so werden diese durch Pflanzung ausgebessert. Bei der Schlagführung hat man bes. Rücksicht auf den Windzug zu nehmen. Ferner durch Fichtensamen, der aus den zapfenartigen Samenbehältnissen (Fichtenzapfen) bei Sonnenwärme von selbst ausfällt, od. von alten F-n aus Zapfen, die man in einer warmen Stube auf Schubladen, die oben gegittert sind, gewinnt, doch ist erster besser, er kann mehrere Jahre aufbewahrt werden. Man säet die F. im Spätherbst od. besser im Frühjahr, bedeckt die Samen etwa 1/4 Zoll hoch mit Erde, wo sie bei der Herbstsaat im ersten Frühjahr, bei der Frühlingssaat nach 3–.6 Wochen aufgehen. Die Saat kann entweder auf dem streifenweise bearbeiteten Boden, od. in Rinnen, od. in Löchern, od. auf kleinen Plätzen geschehen, od. man kann den Samen stecken. Bei der Vollsaat braucht man 8, bei der Streifensaat 7, bei der Plätzesaat 5, beim Stecken Pfund entflügelten Samen auf den Morgen. Man kann auch, um den jungen Pflanzen einigen Schutz zu verschaffen, Birken- od. Kiefernsamen mit einsäen, die Birken od. Kiefern sind aber herauszunehmen, sobald sie anfangen der F. nachtheilig zu werden. Die Pflanze wächst erst langsam u. wird meist erst im dritten Jahre über 8 Zoll hoch; vom 6.–8. Jahre an wächst sie schneller, leidet aber bis dahin viel von Sonnenbrand u. Unkraut. Man verpflanzt die gesäten Pflanzen in einem Alter von 3–5 Jahren in Entfernung von je 4–5 Fuß u. besetzt große Blößen büschelweise zu 6–10 Pflanzen mit Ballen. Bei nicht zu weiter Entfernung von einander werden F-n 80–130 Fuß u. darüber hoch; stehen sie aber weitläufig, so wachsen ihre Äste mehr seitwärts (werden, wenn ihre Zweige den Boden berühren, Rauhe F-n). Sie lieben gebirgiges, steiniges u. sandiges Land; in fettem Boden wachsen sie zwar schnell (in 60–70 Jahren bis zur vollen Höhe), aber der Stamm gibt mürbes Holz u. wenig Harz, ist roth u. fault bald in der Mitte. In nassem, torfigem u. trockenem, sandigem Boden gedeihen sie weniger. Die Erfahrung hat gelehrt, daß Fichten- u. Tannenwald binnen 80 Jahren gegen 2/5 mehr Holz liefern als irgend eine andere Holzart, u. ihr Anbau ist daher fast allenthalben sehr zu empfehlen. Alter bis 250 Jahre; am besten werden sie in einem Alter von 60–150 Jahren gefällt Weil sie sehr kurze Pfahlwurzeln haben u. blos durch ihre starken Nebenwurzeln. gehalten werden, so leiden sie durch Sturmwind leicht. Ihr größter Feind ist außerdem der Borkenkäfer u.[255] die Fichtenraupe. Die F. nützt bes. durch ihr Holz (Fichtenholz). Auf magerem Boden völlig ausgewachsene F-n mit engen u. inwendig durchaus. weißen Holzringen geben ein gutes Bauholz, welches als Balken größere Lasten trägt als Eichenholz; doch nimmt man es bei dumpfig u. feucht liegenden Gebäuden nicht gern zu Schwellen. Große Stämme geben Mastbäume. Aus jungen u. schwachen F-n macht man Hopfenstangen u. Latten; Fichtenschindeln dauern 18–25 Jahre. Aus den stärkeren Bäumen macht man Sägeblöcke, um Breter daraus zu schneiden, welche den Vortheil haben, sich leicht u. sein hobeln zu lassen. Als Brennholz hitzt es schnell, doch nicht nachhaltend. Seine Brennkraft ist viel geringer als die des Buchenholzes, indem 1000 Kubikklaftern Fichtenholz erst den Hitzeffect von 650 Kubikklaftern Buchenholz haben. Der Kubikfuß Fichtenholz wiegt frisch 571/3 Pfund, halbtrocken 44 Pfund, ganz dürr 311/2 Pfund. Die Kohlen davon (Fichtenkohlen) stehen denen der Kiefern nach. Auch wird es zu Gefäßen, Eimern, Gelten, Schachteln u. zu leichten Hausgeräthen, auch zu musikalischen Instrumenten (als Resonanzböden) benutzt. Aus den Wurzeln machen die Lappen, nachdem sie sie durch Kochen vorbereitet haben, Stricke u. Körbe, aus der seinen Rinde leicht zu transportirende Kähne. In Schweden wird der im Mai unter der Rinde befindliche markige u. süße Splint gegessen; bei fehlendem Heu dienen die Nadeln mit Hafer den Pferden zur Winterfütterung. Die aus den Fichtennadeln gewonnenen Fasern geben die sogenannte Waldwolle (s.d.), die als Haarsurrogat zu Möbelpolsterung, zu Matratzen etc. allein od. mit Roßhaaren vermischt zur Sicherung gegen Mottenfraß benutzt wird. Sie kann auch gesponnen u. zu Geweben benutzt werden, u. ihre balsamische Ausdünstung ist heilkräftig. Dasselbe gilt auch von dem aus der Waldwolle gewonnenem Öle, das innerlich u. äußerlich gebraucht, bes. bei Rheumatismus, Gicht, ödematösen Geschwülsten etc. sich heilsam zeigt. Daher wird auch der Absud von den Nadeln zu Heilbädern gebraucht, s. Fichtennadelbäder. Aus den Stöcken, nach Abhauen des Stammes u. der Wurzeln, wird durch Verbrennen, wie aus den anderen gemeinen Nadelhölzern, Theer, Ruß etc., auch Fichtenharz (letzteres auch durch Aufreißen) gewonnen, dient auch zur Bereitung von Pech u. Colophonium. Ein starker Baum liefert jährlich bis 30 Pfund Pech, doch nicht ohne Nachtheil für seinen kräftigen Wuchs. Aus dem Harz wird auch ein sehr dauerhafter, jedoch sehr langsam trocknender Firniß Fichtenharzfirniß) bereitet, der auf hölzernen Gefäßen selbst dem kochenden Wasser widersteht. Auch fließt von selbst ein an der Rinde verdickendes Harz (Gemeiner Weihrauch) aus. Die Fichtensprossen werden wie die Kiefersprossen gebraucht u. dienen auch als Surrogat des Hopfens zum Biere. b) Zwergfichte (Zwergkiefer, Krumm- od. Knieholz, Pinus Pumilio), auf Moorboden im Riesengebirge, in den Karpaten u. auf den Alpen Mitteleuropas. Ost wird die verkümmerte Gemeine F. mit ihr verwechselt; ihre Zapfen sind stumpfer als bei jener, auch sind die Schuppen stachelspitzig. c) Strand-F. (Pinaster), häufig in Südeuropa, nahe der Meeresküste; liefert den sogenannten Terpentin von Bordeaux. d) Pinie (Pinus Pinea), ein schöner, schlanker, 50–60 Fuß hoher Baum, der mit seiner regelmäßigen, doldenartigen Krone den italienischen Landschaften einen eigenthümlichen Charakter gibt; seine Zapfen sind über faustgroß, eirund, dick, mit harten, fast geflügelten Nüßchen, die gegessen werden u. daher kommenauch die Zapfen in den Handel. Fünf scharfe nadelförmige Blätter in einer Scheide haben: e) die Weymuthskiefer (P. Strobus), aus Nordamerika, häufig bei uns cultivirt (nach Lord Weymouth benannt), wird 100 Fuß hoch, mit glattem, weißlich aschgrauem Stamme, hellgrünen, dünnen Blättern, hellrothen weiblichen Blüthen, walzenrunden, an der Spitze gekrümmten, herabhängenden Zapfen, die im zweiten Jahre im September reisen; ihr Holz ist weich, aber zähe, weiß u. nutzbar; aus der Rinde dringt im Frühjahr ein helles, wohlriechendes Harz. f) Zürbelkiefer (P. Cembra), auf höheren Gebirgen des wärmeren Europa u. in Sibirien, s. Zürbelkiefer. Nordamerikanische, bei uns angepflanzte Arten sind noch, außer der Weihrauchskiefer (s.d.): g) Weiße F., wegen weißer Rinde (Balsam-F., P. canadensis), ist, wie h) P. alba u. P. americana, in Nordamerika eine sehr vorzügliche Holzart, kommt auch bei uns fort u. ist wegen ihrer schlanken Zweige, welche im ersten Jahre gewöhnlich bogenartig herabhängen, eine Zierde in Lustwäldern. i) Schwarze F. (P. nigra), auch in Nordamerika, mit schwärzlicher Rinde; verträgt gleichfalls unser Klima. – Bei den Griechen u. Römern war die F. (Pitys, Pinus) der Artemis u. dem Poseidon heilig, daher an den Isthmischen Kampfspielen die Sieger mit Fichtenkränzen bekränzt wurden. Mit Fichtenkränzen bekränzt wurde auch Pan, der einst die Nymphe Pitys (Fichte) geliebt hatte, u. die Faune. Wahrscheinlich hatte die F. Bezug auf Geschlechtskraft; sie kommt auch wegen ihrer Schlankheit als Symbol des Phallus in dem Kybele- u. Bakchosdienste vor. Übrigens brauchten die alten Völker das Fichtenholz zu Fackeln u. zum Schiffsbau. Bei den Galliern scheint die F. verehrt worden u. in der christlichen Zeit der Baum deshalb verrufen gewesen zu sein, wie er denn auch im Rolandsliede ein Baum des Verraths u. Unheils genannt wird.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 255-256.
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