Hafer

[839] Hafer, 1) die Pflanzengattung Avena; 2) (A. sativa), auf Feldern gebaute Sommergetreideart, durch zwei Blüthen im Balge ausgezeichnet, von denen eine, oft auch beide ungegrannt sind. Der H. ist noch nirgends als auf der Insel Juan Fernandez im Stillen Meere bei Chili (von Anson) wild wachsend gefunden worden; es hat dagegen Wahrscheinlichkeit für sich, daß der H. aus verwandten Arten, namentlich A. orientalis, bei welchem die Rispe nur nach einer Seite zu steht, u. A. nuda, mit drei Blüthen, die etwas über den Bälgen herausgehn, entstanden ist; diese beiden Arten wachsen auch in europäischen Gegenden wild u. werden auch hier u. da cultivirt, erster u.a. als Europäischer (Türkischer) Fahnen- (Kamm-) H., letzter als Tatarischer Grützhafer, bes. in England u. Schottland. Letzer ist ohne Hülsen u. fällt beim Dreschen leichter ab, weshalb er gleich zu Grütze brauchbar ist. Auch der Gemeine H. kommt in mehreren Abarten vor: a) der Weiße H. (Märzhafer, weil er im März ausgesäet wird), in gutem Boden am ergiebigsten, reist Anfang Septbr, u. gibt schönes Stroh; b) der schwere englische (Weiße, Pfund-, Wicken-) H., hat größere, schwerere, mehlreiche Körner; wird in England bes. zum Bierbrauen gebraucht. Der Schwarze H. (Schwarz-, Augusthafer, weil er zeitig reist); schwarzbraun, hat ziemlich große, leicht ausfallende Körner; c) Eichelhafer, minder schwarz, hat jedoch untermengt weiße Körner u. härtere Schale, reist früh, in gebirgigen Gegenden häufiger gebaut; d) Hoptownhafer, sehr frühzeitig, mit seinem, süßem, sehr reichlichem Mehl; Stroh u. Spreu sind etwas purpurfarbig, er wächst schnell, legt sich nicht u. ist sehr ergiebig. Außerdem gibt es noch viele andere Spielarten, welche aber den genannten nachstehen; e) Nackter H., mit ganz nackten kleinen Samen; f) Kamschatkahafer, von üppigem Wuchs, sehr lohnend, frühreifend, der Kern von schöner gelber Farbe; g) Schottischer Berwickhafer, sehr ertragreich u. schwer, bei Überreife aber leicht ausfallend Keine Abart, sondern eine eigene Art ist der Grauhafer (Bart-; Sand-, Rauh- od. Zodelhafer, A. strigosa), die leichteste aller cultivirten Hafersorten, mit langer u. auf der runden, glatten Seite mit einer Granne von der Dicke eines starken Pferdehaares versehen; er paßt für einen steinigen, sandigen, bergigen Boden u. kann den Frostvertragen; er ist auch als grünes Futter sehr brauchbar u. wird dazu Ende Mai abgemäht. Obgleich der H. mit jedem Boden zufrieden ist, ausgenommen dürren Sand- u. Kalkboden, so lohnt er doch am besten in einem reichen u. frischgemergelten Boden. Er verträgt sich sehr gut mit allen Früchten, gedeiht aber vorzüglich nach Klee, Dreisch u. gedüngten Hackfrüchten. Oft säet man mit ihm Erbsen u. Wicken (Erbs-, Wickhafer) aus; sehr oft dient er als Deckfrucht des Klees. Da der H. viel Feuchtigkeit liebt, so pflügt man den Acker im Herbst zur gehörigen Tiefe, läßt ihn den Winter in rauher Furche liegen, besäet ihn im Frühjahr u. bringt den Samen mit dem Exstirpator unter. Die Ernte beginnt, wenn der H. die Gelbreife hat. Er wird meist mit der Sense auf Schwaden gehauen, wenn er einigem Regen od. starken Thauen ausgesetzt gewesen ist, aufgerecht, in Bunde gebunden u. sogleich eingefahren. Der H. ist für Pferde das vorzüglichste Futter, weil er wenig od. gar keinen Kleber, dagegen[839] reichlich Extractivstoffe enthält, nicht leicht gährt, sich schon nach wenig Stunden in dem Magen zu einem vollkommenen Brei auflöst u. deshalb die gedeihlichste Nahrung ist. Auch dient der H. anderem Vieh zu Futter, bes. Hühnern, welche darnach besser legen, auch zum Mästen von Schweinen u. Gänsen u. gekocht trächtigen u. säugenden Kühen u. deren Kälbern. Über das Haferbrod s. Brod. Auch als Grünfutter ist der H. nutzbar, u. man kann ihn zu diesem Zwecke in gutem Boden u. bei günstiger Witterung 2–3 Mal mähen.

Von den übrigen zahlreichen (jedoch zum Theil in neuerer Zeit unter andere Gattungen gestellten) Arten der Gattung Avena, welche nicht als Getreide cultivirt werden, aber mit Zusätzen, auch unter dem Namen H. vorkommen, sind die gewöhnlichsten: a) Hoher H. (Glatthafer, Hafergras, A. elatior, Holcus avenaceus, Scop. arrhenatherum avenaceum Beauv.), wächst fast durch ganz Europa an Ufern u. feuchten, schattigen Plätzen, wo er meist zweimal blüht; ist eins der besten Futterkräuter; b) Wiesenhafer (A. pratensis), auf hochliegenden u. schlechten, doch auch hier u. da auf fetten Wiesen, auch auf Sandboden, ebenfalls gemeines Futterkraut; c) Goldhafer (A. flavescens, Trisetum fl.), auf feuchten Wiesen, aber auch auf hohen Gegenden, zweimal blühend, wo dann die Rispe, gegen die Sonne gehalten, goldgelb aussieht; vortreffliches Futter, welches, wo es häufig wächst, viel zur Güte des Heues beiträgt; d) Sibirischer H. (A. sibirica, Stiba sib.), ebenfalls nützliches Futtergras, welches in Deutschland nur noch wenig bekannt ist, aber Anbau verdient; e) Flug-, Mäuse-, Wildhafer (A. fatua), in ganz Deutschland gemein, häufig u. nachtheilig in allem Sommergetreide, daher auch in Haferfeldern, wo er, wenn er überhand genommen durch nichts ausgerottet wird, als dadurch, daß man den Acker mit perennirenden Futterpflanzen besäet u. einige Jahre als Wiese benutzt. Doppelter H. u. Tauber H. s.u. Avena. – H. wurde schon von den alten Deutschen gebaut u. nach Plinius als Nahrungsmittel benutzt, wahrscheinlich kam er von den germanischen u. celtischen Völkern als Futterkraut zu den Römern. Über seine Entstehung s. oben.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 839-840.
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