[51] Fabel (v. lat.), 1) erdichtete Erzählung, insbesondere der thatsächliche Hergang, welcher einem epischen od. dramatischen Gedichte zu Grunde liegt u. gleichsam das Skelett desselben bildet, im Gegensatz zur Ausführung u. Charakteristik der Einzelheiten. In diesem Sinne spricht man von der Fabel eines Romans, eines Drama etc. selbst dann, wenn das rohe Material an Thatsachen nicht vom Dichter selbst erfunden, sondern durch die Sage od. Geschichte gegeben od. dem wirklichen Leben entnommen ist; 2) (bei den Griechen Apologos od. Mothos, nach seinem [angeblichen] Erfinder Äsopos auch vorzugsweise Äsopische F. genannt) Erzählung[51] von einem besonderen, als wirklich dargestellten Fall, worin eine Regel der Lebensweisheit od. ein allgemeiner Erfahrungssatz so anschaulich gemacht werden soll, daß man von der Gültigkeit desselben überzeugt wird. Die Handelnden sind vorzugsweise Thiere, seltner Pflanzen, auch können allegorische Personen dazu genommen u. auch Menschen mit handelnd eingeführt werden. Individuen aus der vernunftlosen Natur wählt der Fabeldichter bes. deshalb, weil jene einen bestimmten Charakter u. Instinct haben, weshalb theils alle weitere Charakterisirung der Handelnden unnöthig ist, theils dadurch in die Handlungen u. Ereignisse das Ansehen einer Nothwendigkeit gelegt wird. Der ausdrückliche Zusatz der in der F. enthaltenen Lehre kann vor od. nach der F. selbst stehen u. heißt in ersterem Fall Promythion, in letzterem Epimythion. Doch ist dieser Zusatz nicht nöthig, da, wenn die handelnden Individuen treffend gewählt u. nach ihrem Charakter u. Instinct richtig handelnd dargestellt werden, die Lehre sich von selbst ergibt; wenigstens in den griechischen F-n des Äsopos sind die Epimythien erst von Max. Planudes in späterer Zeit zugesetzt. Je nachdem man in der F. die Erzählung od. die Belehrung als Hauptmoment betrachtet, gehört sie zur epischen od. didaktischen Poesie. Der Form nach kann sie in gebundener od. ungebundener Rede, monologisch od. dialogisch sein. Der Vortrag in der F. muß, der Bestimmung derselben zufolge, kurz, klar u. einfach sein. Die Entstehung der F. gehört dem Orient an, u. die ältesten F-n sind in der indischen Fabelsammlung Pantschatantra, für deren Urheber der Brahmine Wischnu-Sarma gilt u. die sich als F-n des Bidpai (s.d.) erhalten haben. Unter den arabischen Dichtern leistete Lokman in der F. das Vorzüglichste. Der bekannteste Fabeldichter der Griechen war Äsopos (s.d.), dessen F-n das Musterbild dieser Dichtungsart für spätere Zeiten wurden. Der fruchtbarste seiner Nachahmer unter den Römern war Phädrus. Als der älteste deutsche Fabeldichter erscheint der Stricker in der Mitte des 13. Jahrh.; nach ihm kamen Boner zu Anfang des 14. Jahrh. u. Burkard Waldis im 16. Jahrh.; im 17. Jahrh. machte sich Gay in England u. Lafontaine in Frankreich durch ihre F-n einen Namen. Von ihrer Naivität büßte die Fabel in Deutschland manches ein u. näherte sich dafür der epigrammatischen Schärfe u. satyrischen Beziehung durch Gellert, Gleim, Lichtwer, Pfeffel u. vor Allen durch Lessing, welcher das Wesen der F. zuerst in einer Abhandlung wissenschaftlich begründete. In neuerer Zeit ist dies Gebiet der lyrisch-didaktischen Poesie nur noch wenig, am erfolgreichsten aber von dem Schweizer A. C. Fröhlich angebaut.