Huissier

[598] Huissier (fr., spr. Üssieh, von dem altfranzösischen huis, die Thür), 1) Thürsteher am französischen Hofe; 2) Pedelle bei den Sitzungen des französischen Senats; 3) subalterne Gerichtsbeamte, die nicht studirt zu haben brauchen. Von ihrer ursprünglichen Verrichtung als Thürhüter haben sie den Namen; dies ist jedoch jetzt nur eine Nebenbeschäftigung einiger, u. a) die, welche den persönlichen Dienst bei den Gerichten versehen (H. audienciers), sind die geringere Zahl. Diese, in ihrer Amtstracht mit einem schwarzen Talar bekleidet, sind bei den öffentlichen Audienzen gegenwärtig, zeigen dadurch, daß sie mit einem Stäbchen an die Thür des Gerichtssaals klopfen, die Ankunft des Gerichts an, rufen die nach der Geschäftsrolle zu verhandelnden Sachen auf u. halten auf Ruhe u. Ordnung; außerdem besorgen sie in dem, im ordentlichen Processe nöthigen schriftlichen Vorverfahren u. in Sachen, welche vor das Gericht gehören, bei welchem sie angestellt sind, die Schriftmittheilung an die Parteien (Significations), u. zwar ohne Dazwischenkunft des Gerichts. Die größere Zahl der H. sind b) öffentliche Beamte, von dem Richter unabhängig, u. mit selbständiger Amtsgewalt bekleidet, vermöge welcher sie selbst Befehle geben u. zugleich rechtsgültige Protokolle (Procés verbaux) aufnehmen. Sie fertigen, auch ohne Dazwischenkunft des Gerichts u. auf bloßen Parteiantrag, die bei ihnen übergebene Klage aus u. stellen dieselbe dem Beklagten mit einem Ladungsbefehle (Ajournement, Assignation) u. einem Exploit zu, welches meist schon vom Sachwalter der Partei entworfen ist u. dann nur vom H. weiter besorgt wird. Diese müssen sie eigentlich, bei Strafe der Nichtigkeit, der Gegenpartei selbst einhändigen, doch wird dies durch eine Form umgangen. Noch üben sie eine vollstreckende Gewalt aus, indem sie auf gesprochene Urtheile od. auf Urkunden, welche, ohne daß erst richterlich erkannt wird, vollstreckbar sind, die Execution verfügen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 598.
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