Afghanistan

[30] Afghanistan, auch Kabulistan und Kandahar genannt, ein großes asiat. Reich, dessen Flächengehalt auf 16,000 ! M. geschätzt wird, besteht aus dem nordöstl. Theile des pers. Hochlandes, dehnt sich nördl. tief in das Hindukuschgebirge, eine Fortsetzung des Himalaya, aus, und umfaßt selbst Theile Indiens an den östl. Nebenflüssen des Indus. Im O. dieses Flusses erheben sich von N. nach S. neben-und übereinander drei Bergketten, von denen die höchste das Salomogebirge heißt, dessen Gipfel, »Tutt Soliman,« über 12,000 Fuß hoch sein soll. Im S. fällt der Boden allmälig zu den Wüsten von Makran und dem indischen Ocean hinab, und im W. sind die Wüsten von Sedschestan und Khorasan ebenfalls niedrige Fortsetzungen der hohen Steppengegenden Persiens. Der bedeutendste Fluß des Landes ist der Indus, der in den Hochthälern des Himalaya entspringt und den Kabul nebst andern kleinen Flüssen aufnimmt. An der Nordgrenze fließt der Amu, und in der südwestl. Wüste ergießt sich der Hilmend in den Steppensee Zareh. Im Hochlande und auf den Gebirgen ist das Klima rauh, der Winter schneereich und lange dauernd. Milder sind die Thäler am Indus, und gewähren, wo hinreichende Bewässerung ist, zwei Ernten; hier gedeiht Wein, Obst, [30] Baumwolle Taback, Reis, Mais, Getreide und Zuckerrohr. Dem Hochlande ist die Asa fötida eigenthümlich. Die Gebirge sind mit Laub- und Nadelholz bewachsen; die Palme gedeiht nur in den Thälern. In den Gebirgen wird Silber, Blei, Eisen und Lasurstein gefunden; Salz liefern die Steppenseen. Die Vieh-, vorzüglich die Pferdezucht ist sehr bedeutend. Auch wilde Thiere, Löwen, Tiger, Leoparden, Panther, Hyänen, Wölfe, Bären, Antelopen gibt es in großer Zahl. Die Einwohner, etwa 14 Mill., sind sehr verschiedenen Stammes und treiben starken Karawanenhandel mit Landesproducten, besonders mit baumwollenen Zeugen. Herrschend sind unter ihnen die Afghanen, etwa 41/2 Mill., welche sich selbst Puschtaneh nennen. Sie sind von Farbe gelb und braun, kriegerisch, roh und räuberisch, aber gastfrei und bekennen sich zum sunnitischen Mohammedanismus. Ihre Sprache, das sogenannte Puschtu, ist eine Ursprache mit Beimischungen aus der Sanskrit-, Zend-, Pehlwi- und neupers. W. des Landes als Nomaden, theils im O. als Halbnomaden, theils in Städten und Dörfern, wo sie sich mit Ackerbau, Weberei, Metallarbeiten, Filz-, Lederbereitung u. dgl. beschäftigen. Die Afghanen des Ghildscherstammes stifteten im Anfange des 18. Jahrh. ein Reich, zu dem auch das heutige Persien gehörte. Aber diese Dynastie wurde durch Nadir-Schah, 1737, gestürzt und darauf der größte Theil A.'s mit Persien verbunden. Nach Nadir's Tode machte sich Ahmed Abdalli, aus dem afghanischen Durahnerstamm, 1749 zum unabhängigen Regenten, Khan oder Schah genannt, und stiftete den Staat A., der sich durch Eroberung tatarischen und hindustan. Gebietes vergrößerte, bis 1823 Rungent Singh, der Beherrscher des Staats der Sickhs, den Afghanen das durch Fruchtbarkeit und Klima nicht minder als durch seine kostbaren Shawls berühmte Kaschmir, etwa 800 ! M. mit 2 Mill. Einw., entriß und sich auch einen Theil von Kabulistan unterwarf. Die tatar. Provinz Balk wurde in demselben Jahre von dem Khan von Turkestan weggenommen. Später löste sich der ganze Staat in mehre unabhängige Khanschaften auf und der alten Herrscherdynastie scheint nur wenig verblieben zu sein. Die Hauptstadt A.'s ist die Stadt Kabul, am gleichnamigen Flusse, in einer reizenden Thalebene am Fuße des Hindukusch, zählt 80,000 Einw. und ist als Hauptstapel- und Handelsplatz Vorder- und Hinterasiens wichtig. Außerdem sind zu erwähnen die Stadt Pischauer, ebenfalls am Kabul, mit 100,000 Einw. und bedeutenden Baumwollen- und Seidenwebereien, und Herat mit 100,000 Einw., in einem schönen fruchtbaren Thale am Rande der Wüste, eine der größten Handelsstädte Südasiens, einst der Sitz der Sultane von Khorasan.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 30-31.
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