Bluthochzeit

[272] Bluthochzeit (pariser) oder Bartholomäusnacht heißt eine der gräßlichsten Begebenheiten der Geschichte, das Vorspiel der von Religionsfanatismus und Herrschsucht veranstalteten Ermordung von wenigstens 25,000 Protestanten in Frankreich. Ungeachtet schon seit 1524 unter König Franz I. die franz. Protestanten oder Hugenotten mit Feuer und Schwert verfolgt wurden, nahm die Anzahl derselben dennoch fortwährend zu und begriff sogar Prinzen des kön. Hauses in sich. Günstigere Aussichten schienen sich für sie 1560 zu eröffnen, wo der 11jährige Karl IX. zur Regierung gelangte und seine Mutter, Katharina von Medici, als Regentin für ihn den Hugenotten große Hoffnungen machte, an deren Spitze Prinz Ludwig I. von Bourbon-Condé und der Admiral Coligny standen. Katharina beabsichtigte, sich des Beistandes dieser Partei gegen die des ehrgeizigen herzogl. Hauses Guise zu sichern, welches das Haupt der Katholischen war und den König unter seinen Einfluß zu bringen strebte. Allein diese stellten nun dem Volke die katholische Religion als gefährdet vor und eine an wehrlosen Hugenotten verübte Gewaltthat Herzogs Franz von Guise entzündete endlich 1562 einen greuelvollen Bürgerkrieg zwischen beiden Parteien. Dieser dauerte, durch zwei kurze Frieden wenig unterbrochen, bis 1570, wo zu St.-Germain-en-Laye ein dritter, den Hugenotten unerwartet günstiger Friede zu Stande kam, indem ihnen Vergessen des Geschehenen, Theilnahme an Ämtern und Würden, vier feste Plätze auf zwei Jahre, fast überall freie Religionsübung und manche andere Punkte eingeräumt wurden. Franz von Guise und Ludwig von Condé waren während dieser Kämpfe meuchlings gefallen und Heinrich von Guise, sowie Heinrich von Condé mit Heinrich von Navarra, später Heinrich IV., hatten ihre Stellen eingenommen. Coligny war jedoch nach wie vor die Seele der Hugenotten, darum aber auch am meisten gehaßt von den Gegnern. Als nun nach geschlossenem Frieden der im 14. Jahre mündig erklärte Karl sich den Hugenotten überaus freundlich erwies, die Vermählung seiner Schwester Margarethe mit Heinrich von Navarra anordnete und den nach Paris gekommenen greifen Coligny mit dem Zurufe begrüßte: »Vater, nun halte ich dich fest und du sollst uns nicht entkommen, wenn du nicht selber willst!« vertraute dieser der Aufrichtigkeit dieser Gesinnungen, obgleich viele seiner Freunde nur trügerische List darin sahen. Selbst zum Beistande der Niederländer gegen Spanien schien Coligny den König bewogen zu haben, und so steigerte sich denn natürlich der nie beschwichtigte Haß der Gegenpartei immer mehr.

Unter diesen Umständen wurde am 18. Aug. 1572 die Heirath Heinrich's mit Margarethen vollzogen, aber die glänzenden Festlichkeiten, welche die folgenden Tage ausfüllten, unterbrach am 22. ein durch Katharina von Medici, Karl's Bruder, Heinrich von Anjou und die Guisen veranstalteter [272] Mordversuch auf Coligny, indem derselbe beim Nachhausegehen durch einen Schuß verwundet wurde. Der König eilte alsbald zu ihm, schwur den Thätern die fürchterlichste Rache und befahl, daß ein Theil seiner Leibwache die Wohnung Coligny's besetzen solle und zu größerer Sicherheit alle Hugenotten in seine Nähe ziehen möchten. Allein schon am folgenden Tage wurde der König von seiner Mutter und ihren Anhängern überredet, daß Coligny ihn mit allen rechtgläubigen Staaten in Krieg verwickeln und am Ende die Waffen gegen ihn und die Seinen wenden wolle. Hiernach habe man ihn, als den Urheber dieses Unheils, mit Recht aus dem Wege räumen wollen; da dies aber mislungen, sei zu besorgen, die Guisen würden ihm den Anschlag Schuld geben und alle Rache der Hugenotten auf ihn lenken, wenn er nicht durch den Untergang ihrer Häuptlinge ihre Verwegenheit breche. Da erklärte der charakterlose Fürst: er willige in Alles, aber unter der Bedingung, daß kein Hugenotte in Frankreich übrigbleibe, der ihm Vorwürfe machen könne, und verließ das Zimmer. Die Andern beriethen sofort ihr blutiges Werk, bestimmten die Nacht vom 24. zum 25. Aug. zur Ausführung und übertrugen die Leitung dem Herzog von Guise. Dieser berief am Abend des 24. den Vorsteher von Paris und einige zuverlässige Hauptleute, befahl 2000 bewaffnete Bürger um Mitternacht bereit zu halten, wenn die Glocke des Palastes läute, Lichter in die Fenster zu stellen und verordnete als Erkennungszeichen der Verschworenen ein weißes Kreuz am Hute und eine weiße Armbinde. Guise mit seinen Leuten übernahm um Mitternacht die Ermordung Coligny's (s.d.) und nach derselben ertönte vom Thurme des Palastes das Zeichen zum Niedermetzeln aller Hugenotten in Paris. Kein Rang, kein Alter und Geschlecht schützte vor der fanatischen, blutdürstigen Menge, welche binnen sieben Tagen in Paris allein mindestens 5000 Menschen mordete, die meist an Gegenwehr gar nicht dachten. Selbst der Prinz von Condé und Heinrich von Navarra retteten ihr Leben nur dadurch, daß sie sich scheinbar zum Katholicismus bekannten. Auffoderungen zu gleicher blutiger Vernichtung der Hugenotten ergingen auch an die Provinzen, und obgleich einige Statthalter ihnen nicht nachkamen, so fanden sich doch im Ganzen Raub- und Mordsüchtige genug, sodaß innerhalb 30 Tagen nach den geringsten Annahmen 25,000 Menschen hingeopfert wurden. Auf den vermeintlichen Sieg wurden Denkmünzen geprägt mit Umschriften, wie »Karl, Bezwinger der Empörer!«; allein der unermeßliche Frevel trug nirgend die gehofften Früchte, denn in mehren Städten, wo die Hugenotten die Mehrzahl waren, griffen sie zu den Waffen und vertheidigten sich heldenmüthig. Dies geschah namentlich in La Rochelle, vor welchem Heinrich von Anjou binnen acht Monaten 12,000 M. umsonst verlor. Der hierauf im Jul. 1573 geschlossene Friede gestattete den Protestanten in näher bestimmten Orten ungestörten Gottesdienst, Zutritt zu Ämtern, Schulen, Universitäten und hob die Inquisition in Glaubenssachen auf.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 272-273.
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