Cosel

[480] Cosel (Gräfin von), behauptete sich von den Geliebten August II., Königs von Polen und Kurfürsten von Sachsen, am längsten, nämlich neun Jahre, in seiner Gunst, kostete ihm die ansehnlichsten Summen und besaß den meisten Einfluß auf Regierungsangelegenheiten. Sie wurde in der holstein. Familie von Brocksdorf 1679 geboren, ward Ehrendame bei der Prinzessin Johanna von Holstein-Plön, welche sich mit dem Erbprinzen von Braunschweig-Wolfenbüttel vermählte, und nachdem sie an dessen Hofe der sächs. Cabinetsminister von Hoymb hatte kennen lernen, die Gemahlin desselben, der sie aber anfänglich auf seinen Gütern leben ließ, um sie vor den Verführungen des Hofes zu sichern. Frau von Hoymb war in der That eine seltene Schönheit, besaß ein längliches, überaus wohlgebildetes Antlitz, vollkommen schöne Zähne, schwarzes Haar, große, schwarze, gleichsam strahlende Augen, eine frische Gesichtsfarbe, und ihr von ihren Reizen entzückter Gatte machte davon bei einem Gelage im Rausche und in Gegenwart des Königs solche Lobeserhebungen, daß dieser ihn sogleich veranlaßte, sie an den Hof zu berufen. Hier schenkte ihr der König alsbald seine volle Gunst; sie ließ sich von ihrem Gemahl scheiden, nannte sich Madame de Cosel und wurde vom Kaiser zur Reichsgräfin erhoben. In Dresden ließ ihr der Kurfürst den noch als Cosel'sches Palais bekannten Palast bauen, der mit Marmor bekleidete Gemächer für den Sommer, prachtvoll getäfelte für den Winter enthielt und dessen innere Einrichtung über 200,000 Thlr. kostete. Vielseitig, aber erfolglos äußerte sich die Misbilligung dieser Verschwendung und der Anmaßung der Gräfin, deren Opfer zuerst der ihr entgegenwirkende Kanzler Graf von Beichling wurde; dennoch wagte es gleich darauf ein lutherischer Prediger, sie von der Kanzel als eine zweite Bathseba ungestraft zu schildern, denn der König meinte auf darüber erhobene Beschwerde: die Geistlichen hätten alle Sonn- und Festtage eine Stunde das Recht, zu sagen, was sie wollten. Der Statthalter Fürst Egon von Fürstenberg und der Feldmarschall Graf Flemming, mit denen sie sich mehrmals entzweite, waren ebenfalls zu Opfern ihrer Rache ausersehen, allein bevor sie ihre Absichten ausführen konnte, wurde sie selbst gestürzt. Als sie dem 1716 in Warschau verweilenden Könige dahin folgen wollte, wurde sie zunächst durch den Einfluß einer neuen poln. Geliebten desselben durch ein Gardecommando von der Grenze nach Dresden zurückgewiesen und vor des Königs Rückkehr von da entfernt. Vergeblich suchte sie eine Zuflucht in Berlin, verweilte dann in Halle, wurde hier auf Antrag August II. wahrscheinlich wegen rachsüchtiger Äußerungen verhaftet und auf die Bergfeste Stolpen gebracht, wo sie von 1716 bis an ihren 1759 erfolgten Tod als Gefangene den ehemaligen Johannisthurm, seitdem Cosel'schen Thurm, im mittlern Schloßhofe bewohnte. Sie bezog hier nach wie vor ihre großen Jahrgelder, welche sie sogar während der Besitznahme Sachsens durch Friedrich II. im siebenjährigen Kriege, jedoch nur in der geringhaltigen, Ephraimiten (s.d.) genannten Münzsorte empfing, mit der sie vielleicht aus Unmuth oder Langeweile die Wände ihrer Zimmer benagelte. Ein kleiner von ihr selbst gepflegter Garten und ihre Bibliothek machten ihre ganze Unterhaltung aus, gleichwol lehnte sie die ihr nach August II. Tode angebotene Freiheit ab und beweinte lange den anfänglich grenzenlos gehaßten Untreuen, dem sie einen Sohn, den Grafen Rutowski, und zwei Töchter geboren hatte. Ihr häufiger Verkehr mit Juden scheint die unwahrscheinliche Sage veranlaßt zu haben, daß sie im Alter noch die Mosaische Religion angenommen habe.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 480.
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