[496] Dalberg (die Freiherren von), früher auch Dalburg, Kämmerer von Worms, eines der ältesten und verdienstvollsten deutschen Adelsgeschlechter, das im 17. Jahrh. die reichsfreiherrliche Würde erhielt und in neuester Zeit gefürstete Mitglieder zählt, bekleidete seit uralter Zeit das Erbkämmereramt des Hochstifts Worms. Zu seinen Vorfahren gehört auch Heribert, Erzbischof von Köln seit 990 und Kanzler Kaiser Otto III., dessen bischöfliche Tugenden nach seinem am 16. März 1022 erfolgten Ableben den päpstlichen Stuhl vermochten, ihn unter die Heiligen der katholischen Kirche aufzunehmen, welche an dessen Todestage sein Gedächtniß begeht. Noch sind bei dem Dorfe Dalberg in Rheinpreußen Ruinen der im 12. Jahrh. dort erbauten Dalburg übrig, jener alte Stamm aber erlosch 1315 in männlicher Linie und wurde nun durch Greta von D. fortgepflanzt, welche sich 1330 mit Gerhard, Kämmerer von Worms, vermählte, welcher mit den Dalberg'schen Gütern auch Namen und Wappen dieses Hauses annahm und dessen sowie seiner Gemahlin Abbildung noch auf ihren Grabsteinen zu Worms sich erhalten haben. Ein Zeichen der Verdienste des Geschlechts der D. um Kaiser und Reich war der Gebrauch, daß bei jeder Kaiserkrönung, bevor das neue Reichsoberhaupt Jemand zum Reichsritter schlug, ein Herold dreimal rufen mußte: »Ist kein D. da?« und daß, wenn ein solcher sich meldete, der Kaiser ihm zuerst den Ritterschlag ertheilte. Mit dem deutschen Reiche schien 1806 diese Auszeichnung erloschen zu sein, allein Napoleon verordnete, daß sie in derselben Weise bei den Krönungen der franz. Kaiser stattfinden solle. Gegenwärtig bestehen von diesem als Verwalter hoher Würden in Staat und Kirche und als Beförderer von Literatur und Kunst vielfach ausgezeichneten Hause die Linien Dalberg-Hernsheim von dem gleichnamigen Schlosse und Pfarrdorfe bei Worms, und die Linie Dalberg-Dalberg. Das ausgezeichnetste Mitglied desselben in neuester Zeit war der Reichsfreiherr Karl Theodor Anton Maria, gewöhnlich nur Karl von D., geb. 1744 zu Hernsheim, letzter Kurerzkanzler des deutschen Reichs und Kurfürst von Mainz, nachher Fürstprimas des Rheinbundes, Großherzog von Frankfurt am Main, Erzbischof von Regensburg und Bischof zu Worms und Konstanz. D.'s nicht gewöhnliche Fähigkeiten wurden im Hause seines Vaters, der kurmainz. wirklicher Geheimrath und Statthalter von Worms war, so sorgfältig gepflegt, daß er im 15. Jahre schon die Universität Göttingen besuchen und im 17. zu Heidelberg Doctor der Rechte werden konnte, worauf er Deutschland bereiste und dem Wunsche seines Vaters entsprechend, sich dem geistlichen Stande widmete, in welchem ihm seine Verbindungen eine glänzende Laufbahn versprachen. Er wurde bald Capitularherr zu Mainz, Domherr zu Würzburg und Worms und nachdem er seine Gewandtheit und Umsicht in Staatsgeschäften mannichfaltig dargethan, vom Kurfürsten von Mainz 1772 zum wirklichen Geheimrathe und Statthalter von Erfurt ernannt, wo er, im Geiste des in einer seiner zahlreichen Schriften später ausgesprochenen Grundsatzes handelnd: »Willst du deine Unterthanen glücklich machen, so strebe nach drei Dingen, daß Keiner hungere, daß Jeder beschäftigt sei, daß Alle gerecht und wo möglich liebend seien«, sich durch eine musterhafte und aufgeklärte Verwaltung die allgemeine Achtung und Liebe erwarb. Künste und Wissenschaften beförderte er durch eigne Thätigkeit und durch Begünstigung des Talents, und die Nachbarschaft Weimars brachte ihn mit den damals dort lebenden ersten deutschen Schriftstellern, mit Wieland, Herder, Göthe und Schiller in vertraute Beziehungen. Durch eine so ehrenvolle Wirksamkeit erwarb sich D. die mächtigsten Fürsprecher und wurde daher schon 1787 zum Coadjutor und Nachfolger in Mainz und Worms und 1788 zum Coadjutor und Nachfolger des Fürstbischofs von Konstanz erwählt, und 1797 traf ihn die Wahl zum Propste von Würzburg, mit welcher Pfründe 30,000 Gulden Einkünfte verbunden waren. Die völlige Verwirklichung seiner glänzenden Aussichten fand aber in den Folgen der franz. Revolutionskriege, wegen der er noch 1797 auf dem Reichstage zu Regensburg die Deutschen vergeblich zu vereintem Handeln zu bewegen suchte, mancherlei Hindernisse, und nachdem er, seit 1800 Fürstbischof von Konstanz, im J. 1802 Kurfürst und Reichserzkanzler geworden war, mußte er 1803 für den theils an Frankreich abgetretenen, theils säcularisirten Kurstaat Mainz die Fürstenthümer Regensburg, Aschaffenburg, die Grafschaft Wetzlar und eine Mill. Gulden auf die Rheinzölle angewiesene Einkünfte als Entschädigung annehmen, blieb jedoch der einzige geistliche Kurfürst des Reichs, bis er nach dessen gänzlicher Auflösung dem Rheinbunde als Fürstprimas und souverainer Fürst seines bisherigen, noch durch das Gebiet von Frankfurt am Main und andere Besitzungen vermehrten Landes beitrat. Franz. Einfluß bewog D. 1810 zur Abtretung des Fürstenthums Regensburg an Baiern, wofür er wesentliche Theile von Fulda und Hanau erhielt, zum Großherzog von Frankfurt erhoben wurde, aber auch seiner früher zu Gunsten des Cardinals Fesch getroffenen Verfügung entgegen, den Vicekönig von Italien, Eugen Beauharnais (s.d.) zu seinem Nachfolger ernennen mußte. Die Ereignisse bewogen ihn, im Nov. 1813 zu Gunsten desselben abzudanken, und obgleich die Verbündeten darauf nicht eingingen, zog sich der greise D. doch nach Regensburg zurück, wo er als Erzbischof seinen geistlichen Pflichten und der Wohlthätigkeit und Beförderung des Guten, manchmal mit Aufopferung seiner eignen [496] Bequemlichkeit lebte und 1817 starb. Dort ließ ihm 1824 im Dome sein Neffe, Emmerich Jos. von D., geb. 1773 zu Mainz, gest. 1833 zu Hernsheim, ein Denkmal setzen. Dieser stand in bair., bad. und franz. Staatsdiensten, war mit Talleyrand sehr befreundet und wurde von Napoleon zum Herzoge, nach dessen Vertreibung aber von den wiederhergestellten Bourbons, denen er sich gleich angenehm zu machen wußte, zum Pair von Frankreich ernannt.