[748] Linné (Karl von), einer der berühmtesten Naturforscher, besonders Botaniker des vorigen Jahrh., wurde 1707 zu Röshult (Räshüllt), einem Dorfe im Småland, geboren, wo sein Vater Landprediger war, und von diesem zum geistlichen Stande bestimmt.
Da der Vater neben seinem Berufe leidenschaftlich Botanik trieb, so pflanzte sich auch dem Knaben sehr früh eine vorzugsweise Neigung für diese [748] Wissenschaft ein, weshalb er auch während seines Besuchs der Stadtschule Wexiö, vom 10.–17. Jahre seines Alters, wenig Liebe zu andern Studien, namentlich den sprachlichen, zeigte und sich lieber mit Aufsuchen von Pflanzen beschäftigte. Sein Vater sah hierin aber nur einen Beweis der Untauglichkeit des Sohnes zum Studiren und gab ihn daher zu einem Schuhmacher in die Lehre. Nur der Arzt Rothmann zu Wexiö, der den jungen L. beobachtet und in seinem Streben erkannt hatte, vermochte den Vater, jenen seiner Neigung zu überlassen, und lieh ihm Bücher für diesen Zweck. Zwei Jahre benutzte L. so die Bibliothek in Wexiö und den Rath seines Gönners, dann begab er sich 1727 nach Lund, um dort die Arzneikunde und die Naturwissenschaften zu studiren, weil er nur dadurch Aussicht auf eine Versorgung gewann, die ihm das Studium der Botanik allein nicht gewähren konnte. Hier nahm sich seiner besonders der Arzt Stobäus an, unterstützte ihn möglichst, ja rettete ihm einst das Leben, als er auf einer botanischen Wanderung von einem in Schweden einheimischen giftigen Gewürme, der sogenannten Höllenfurie, gestochen worden war. Bei einem Besuch im botanischen Garten zu Upsala lernte ihn der als Botaniker berühmte Olof Celsius kennen, dem er sofort bei der Bearbeitung des Werks über die biblischen Pflanzen behülflich sein mußte. Obschon mit äußerster Dürftigkeit kämpfend, machte L. doch solche Fortschritte, daß ihm Rudbeck die Aufsicht über den botanischen Garten anvertraute. Hier kam er auf die Idee, daß wol auf das genaue Verhältniß der Geschlechtstheile der Pflanzen zueinander ein neues Lehrgebäude der Botanik zu gründen sei, welches durch seine stete Beziehung auf Einen festen Haltpunkt, durch die Folgerichtigkeit seiner Verbindung und durch die größere Annäherung als früher an ein gefodertes natürliches System sich vor allen bestehenden als das vorzüglichste bewährte. Diese Gedanken theilte er in einem Aufsatze dem Olof Rudbeck mit, der ihm in Folge desselben auftrug, an seiner Statt im botanischen Garten die Pflanzen zu demonstriren. Im J. 1732 unternahm L. mit höchst geringen Mitteln die sehr beschwerliche Reise von mehr als 800 M. nach Lappland, und theilte die Frucht seines sechsmonatlichen Aufenthalts daselbst im J. 1735 in seiner »Flora lapponica« (Kunde der Pflanzen in Lappland) in zwei Bänden mit, worin er zuerst die Pflanzen nach der Anzahl der männlichen Geschlechtstheile (Staubfäden) und ihrem Verhältnisse unter sich und zu dem weiblichen (Pistill) ordnete. Noch ohne akademische Würde und ohne Gehalt, unternahm L. mit mehren Anderen auch eine mineralogische Reise nach Lappland, hielt nach seiner Zurückkunft den Zöglingen des Bergwesens in Falun Vorlesungen über Mineralogie und Hüttenwesen, wurde in Harderwyk Doctor der Medicin und begab sich dann nach Leyden, wo er mit Boerhaave und Gronov in freundschaftlichen Umgang trat, und zuerst sein »Systema naturae seu regna tria naturae systematice proposita per classes, ordines, genera et species« (System der Natur, oder die drei Reiche der Natur, systematisch geordnet nach Classen, Ordnungen, Geschlechtern und Arten) herausgab, welches die Grundlage seines ganzen Systems enthält. In Amsterdam unterstützte er hierauf Burmann bei der Herausgabe eines naturhistorischen Werks und wurde dann auf dessen und Boerhaave's Empfehlung bei Clifford, einem reichen Oberaufseher der ostind. Handelsgesellschaft, als Hausarzt und Aufseher über dessen Garten bei Harlem angestellt. Hier schrieb er 1736 die »Fundamenta botanica« (Grundzüge der Botanik), die »Bibliotheca botanica« und 1737 das berühmte Werk, die Beschreibung des Clifford'schen Gartens in Hartecamp. In »Genera plantarum« (die Geschlechter der Pflanzen) bestimmte L. 935 Gattungen nach allen ihren Kennzeichen und gab in seinen »classes plantarum« (Classen der Pflanzen) eine Zusammenstellung aller bis dahin bekannt gewordenen Systeme. In den zwei Jahren seines Aufenthalts zu Hartecamp lieferte er neun Werke. Nach einer Reise nach England trug ihm Adr. van Royen in Leyden auf, den dasigen Garten nach dem Sexualsystem zu ordnen. L. lehnte dies aber ab und arbeitete ein System für Jenen aus, das eine Art natürlichen Systems ist, dessen Hauptnorm die Zahl der Samenlappen abgibt, aber wenig Halt hat. Im J. 1738 ging L. nach Paris, um die franz. Botaniker kennen zu lernen, und von da nach Stockholm. Hier, erst wenig beachtet, wurde er durch seine glückliche Behandlung der Brustschwäche bei Hofe bekannt; die Königin Ulrike nahm ihn zu ihrem Arzt an und bald folgten ihr die vornehmsten und reichsten Kranken. Er ward Arzt bei der Admiralität und 1739 königl. Botaniker. Als 1741 der Reichstag beschlossen hatte, Schweden in naturhistorischer Beziehung bereisen zu lassen, wurde L. zum Haupte der Reisegesellschaft gewählt. Die Beschreibung dieser Reise erschien 1745 (deutsch Halle 1763). Gern nahm L. einen Ruf nach Upsala an, wo er 1742 zum Professor der Botanik ernannt wurde. Hier sorgte er vorzüglich für die Einrichtung und Verbesserung des botanischen Gartens, von dem er 1748 eine Beschreibung lieferte. Einförmig lebend, bereiste er doch Westgothland und Schonen, ließ seiner » Flora suecica« (schwedische Pflanzenwelt) 1745 die »Fauna suecica« (schwedische Thierwelt) 1746 folgen und verfaßte nacheinander gegen [749] 200 akademische und andere Schriften und sehr viele Abhandlungen für die gelehrten Gesellschaften, deren Mitglied er war. Im J. 1747 wurde er zum Leibarzt des Königs, 1753 zum Ritter des Nordsterns ernannt und 1757 in den Adelstand erhoben. Sich mehr und mehr den akademischen Geschäften entziehend, bat er 1772 sogar um seine Entlassung, die ihm aber verweigert wurde. Im J. 1774 traf ihn ein Schlagfluß, der 1776 wiederkehrte, worauf er, schwach an Körper und Geist, seinen Stellen entsagte. Doch erhielt er doppelten Jahrgehalt und zwei Güter für sich und seine Kinder und starb 1778 am 10. Jan. an völliger Entkräftung. Sein Pflanzensystem, das er in seinem Hauptwerke: »Species plantarum« (die Arten der Pflanzen) (2 Bde. Stockh. 1753; neueste Aufl. von Willdenow, 5 Bde., 1797–1800 und Bd. 6 von Link, Berl. 1825) und in der »Philosophia botanica« (Stockh. 1751; 4. Aufl. von Sprengel 1809) am scharfsinnigsten und gründlichsten entwickelte, behauptet, trotz neuern, tiefern und vollkommenern, doch als künstliches immer noch seinen Werth, weil es da, wo die Natur ihm ausweicht, die Lücken nicht verhehlt, vielmehr vor irrigen Folgerungen warnt und doch mehr als jedes andere den Vortheil eines wohlgeordneten Repertoriums gewährt. L. verbindet in seiner wissenschaftlichen Darstellung mit dem außerordentlichsten Scharfsinne der Forschung so viel Sinn für Klarheit und Richtigkeit der Begriffe und so viel Anschauungstalent und Witz, daß sie nie in blos systematische Trockenheit ausartet. Ihm zu Ehren ließ König Karl XIV. 1819 eine Schule in seinem Geburtsorte errichten und seine Bildsäule wurde in seinem Garten zu Upsala aufgestellt. L.'s »Eigenhändige Aufzeichnungen über sich selbst, mit Anmerkungen und Zusätzen von Afzelius« sind aus dem Schwed. übersetzt von Karl Lappe (Berl. 1826); vergl. Fee's »Vie de Linné« (Par. 1833).