Linné

[579] Linné, 1) Karl von, Naturforscher, geb. 23. Mai 1707 zu Råshult in Småland, wo sein Vater Prediger war, gest. 10. Jan. 1778 in Upsala, bezog 1727 die Universität Lund, um Medizin zu studieren und widmete sich mit Eifer der Botanik. Durch den Vortrag Vaillants: »De sexu plantarum« wurde seine Aufmerksamkeit zuerst auf die Geschlechtsorgane der Pflanzen gelenkt. 1728 ging L. nach Upsala, wo er den Theologen Olaf Celsius bei einer Arbeit über die biblischen Pflanzen unterstützte, 1730 wurde er unter Rudbeck Demonstrator und Aufseher des Botanischen Gartens; auch begann er damals die Bearbeitung seiner »Bibliotheca botanica«, der »Classes« und der »Genera plantarum«, und in Rudbecks Bibliothek wurde er zum Studium der Zoologie hingeführt. Im Auftrag der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Upsala besuchte er 1732 Lappland, ging dann nach Falun, wo er Mineralogie und Probierkunst lehrte, bereiste Dalekarlien und begab sich 1735 nach Holland, wo er in Haderwijk promovierte, drei Jahre in Leiden und Hartekamp blieb und die genannten Schriften, das »System a naturae«, die »Fundamenta botanica« a. a. drucken ließ. 1736 besuchte er England und 1738 Paris, dann kehrte er nach Stockholm zurück, praktizierte hier als Arzt, ward aber 1741 Professor der Medizin und 1742 Professor der Botanik und Naturwissenschaft in Upsala. In dieser Stellung reformierte er den Botanischen Garten, dem er einen Weltruhm verschaffte, errichtete ein naturhistorisches Museum, gab 1746 seine »Schwedische Fauna« heraus, ward 1747 Leibarzt und sandte mehrere seiner Schüler nach den verschiedensten Ländern zur Erforschung der Naturerzeugnisse aus. Unablässig war er bemüht, die Kenntnis der Formen und ihrer Beziehungen zueinander zu fördern und zu erweitern, und die neuen Auflagen seiner Bücher wurden zum Teil ganz neue Werke. Ebenso bedeutend war seine Tätigkeit als Lehrer; er wirkte ungemein anregend und führte seine Schüler in einer ganz neuen Weise in die Natur ein. 1758. kaufte er Hammarby, und als er 1764 durch seinen Sohn Karl eine Vertretung im Lehramt erhalten hatte, zog er sich dorthin zurück, nachdem er 1762 geadelt worden war (erst jetzt nannte er sich L., vordem nur Linnäus). Denkmäler wurden ihm im Botanischen Garten zu Upsala (von Byström) und in Stockholm (von Kjellberg, 1885) errichtet. Sein Bildnis s. Tafel »Naturforscher I«. – L. war für die Wissenschaft von der belebten Natur von einer Bedeutung wie kaum ein andrer Mann. Zwar ist für sein Hauptfach, die Botanik, der ideelle Inhalt seiner Theorien bereits in den Werken seiner Vorgänger seit Cesalpini enthalten; allein er lieferte eine geschickte. Zusammenfassung aller vorhandenen Leistungen und besaß eine wunderbare Befähigung, alles mit Geschick und Klarheit zu klassifizieren. Sein Verdienst ist die strenge Durchführung der schon von seinen Vorgängern angewandten binären Nomenklatur in Verbindung mit der sorgfältigen methodischen Charakteristik der Gattungen und Arten, der Klassen und Ordnungen. wodurch die beschreibende Botanik im engern Sinn eine völlig neue Form gewann. Sein wohlgegliedertes und höchst brauchbares Sexualsystem, das sich auf die morphologischen Eigenschaften der Staubgefäße und Karpelle gründet, wurde von ihm selbst nur als Notbehelf betrachtet, und er bezeichnete es als die Hauptaufgabe der Botanik, ein natürliches System aufzufinden. Auch lieferte er das Fragment eines solchen, auf dem Jussieu weiterbaute. Verhängnisvoll für die Zukunft wurde dagegen die von ihm gehegte Meinung, daß die höchste und einzig würdige Aufgabe des Naturforschers darin bestehe, alle Arten dem Namen nach genau zu kennen; die Morphologie, überhaupt die allgemeine theoretische Botanik war ihm nur Mittel zum Zweck, und in der Tat hat er keine irgend bedeutende Entdeckung gemacht, die auf das Wesen der Pflanzen ein neues Licht geworfen hätte. Von gleicher Bedeutung war die Feststellung des Begriffs der Art. deren Unabänderlichkeit er zuerst in vollkommener Starrheit aussprach: »Es gibt so viel Arten, als verschiedene Formen im Prinzip erschaffen worden sind.« Die Gattungen, Ordnungen und Klassen deuten objektiv vorhandene Verwandtschaftsverhältnisse an, und die Erklärung dieser Verhältnisse gab L. nach allen Regeln scholastischer Denkweise. Letztere stellt ihn in schärfsten Gegensatz zu der modernen Naturwissenschaft, deren Vorläufer durch das Übergewicht Linnés auf lange Zeit zurückgedrängt wurde. In seiner »Philosophia botanica« sprach er Ansichten aus, ähnlich denjenigen, die später Goethe in seiner »Metamorphose der Pflanzen« entwickelte, allein ihres spekulativen Beiwerks wegen vermochten sie zunächst zu keiner weitern Bedeutung zu gelangen.

Von Linnés Schriften sind besonders hervorzuheben: »Systema naturae, sive regna tria naturae systematice proposita« (Leid. 1735, 7 Bde.; 12. Aufl., Stockh. 1766–68, 3 Bde.; 13. Aufl. von Gmelin, Leipz. 1788–93, 3 Bde.; Neudruck des 1. Bandes nach der 10. Aufl. von 1758, Leipz. 1894; deutsch von Müller, Nürnb. 1773–1800, 11 Bde.); »Fundamenta botanica, quae majorum operum prodromi instar theoriam scientia botanices par breves aphorismos tradunt« (Amsterd. 1736, 3. Aufl. 1741); »Bibliotheca botanica recensens libros plus mille de plantis hucusque editos« (das. 1736, 2. Aufl. 1751); »Hortus Cliffortianus« (das. 1737); »Flora lapponica« (das. 1737; 2. Aufl., Lond. 1792); »Genera plantarum« (Leid. 1737; 7. Aufl. von Richard, Frankf. 1778; 8. Aufl. von Schreber, das. 1789–91, 2 Bde.; 9. Aufl. von Sprengel, Götting. 1830–31, 2 Bde.; deutsch von Planer, Gotha 1775, 2 Bde.; Nachtrag 1785); »Classes plantarum seu systemata plantarum omnium. Fundament. bot. p. II.« (Leid. 1738, Halle 1747); »Critica botanica. Fundament. bot. p. IV,« (Leid. 1737); »Flora suecica« (Stockh. 1745, 2. Aufl. 1755); »Fauna suecica« (das. 1746, 2. Aufl. 1800); »Flora zeylanica« (das. 1747); »Hortus Upsaliensis« (das. 1748); »Materia medica e regno vegetabili« (das. 1749; 5. Aufl., Leipz. u. Erlangen 1787); »Materia medica e regno animali« (Stockh. 1750); »Materia medica e regno lapideo«[579] (Stockh. 1752); »Amoemtates academicae« (Stockh. u. Leipz. 1749–79, 7 Bde.; 3. Aufl. von Schreber, Erlang. 1787–90, 10 Bde.); »Philosophia botanica, in qua explicantur fundamenta botanica« (Stockh. 1751; 4. Aufl. von Sprengel, Halle 1809; deutsch, Augsb. 1787); »Species plantarum« (Stockh. 1753, 3 Bde.; 4. (5.) Aufl. von Willdenow, Berl. 1797–1830, 6 Bde.; 6. Aufl. von Dietrich, das. 1831–38, 2 Bde.); »Mantissa plantarum« (Stockh. 1767 u. 1771); »Systema vegetabilium« (13. Aufl. von Murray, Götting. 1774; neue Aufl. von Schultes und Römer, Stuttg. 1817–30, 7 Bde.; 16. Aufl. von Sprengel, Götting. 1825–28, 4 Bde.); »Systema plantarum« (neueste Aufl. von Reichard, Frankfurt 1779–80, 4 Bde.; deutsch, Nürnb. 1777–88, 14 Tle.; Wien 1786, 2 Bde.; Marb. 1823, 2 Bde.); »Systema, genera, species, plantarum. Editio critica, adstricta, conferta« (von Richter, Leipz. 1835; mit Index 1840); außerdem zahlreiche Dissertationen und Briefe. Seine Jugendarbeiten (»Ungdomsskrifter«) wurden im Auftrag der Akademie der Wissenschaften in Stockholm von Ährling herausgegeben (Stockh. 1889, 3 Tle.). Vgl. Stöver, Leben des Ritters K. v. L. (Hamb. 1792, 2 Bde.); Linnés »Eigenhändige Aufzeichnungen über sich selbst«, mit Zusätzen von Afzelius (Stockh. 1823; deutsch, Berl. 1826); Schleiden, Karl v. L. (in Westermanns Monatsheften, Bd. 30, 1871); Gistel, Carolus Linnaeus. Ein Lebensbild (Frankf. 1872); Malmsten, Karl v. L. (Berl. 1879); Hjelt, Karl v. L. als Arzt (Leipz. 1882); Fries, L., Lefnadsteckning (Stockh. 1903). Ein Verzeichnis der Schriften Linnés gab Jungk in seiner »Bibliographia Linnaeana« (Berl. 1902) heraus.

2) Karl von, Sohn des vorigen, geb. 20. Jan. 1741, gest. 1. Nov. 1783 in Upsala, wurde 1760 Demonstrator am königlichen Garten in Upsala, 1763 Professor der Medizin und Botanik daselbst und erhielt nach seines Vaters Tode dessen Lehrstuhl. Er schrieb ein »Supplementum plantarum systematis vegetabilium ed. XIII., generum plant. ed. VI. et specierum plant. ed. II.« (Braunschw. 1781). Die großen Sammlungen seines Vaters, namentlich das Herbarium mit mehr als 7000 Arten, gelangten in den Besitz der Linnean Society in London.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 579-580.
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