Patriarchen

[427] Patriarchen heißen die Urväter des Menschengeschlechts vor und nach der Sündflut und die Erzväter (s.d.) der Israeliten. Das Zeitalter der Patriarchen wird als das Kindesalter der Menschheit angesehen, in welchem die noch schlummernde Religion und Cultur sich zu entwickeln beginnt, und patriarchalisch heißt jenes einfache, unverdorbene Naturleben, das anspruchslose und wohlwollende Sitten umgeben und dem es in der Religion noch an der kindlichen Ehrfurcht vor Gott genügte. Nachmals ging die Benennung Patriarch als ein Ehrentitel auf die Vorsteher des jüdischen hohen Rathes (Sanhedrin) zu Jerusalem über, und nach dessen Zerstörung herrschten Patriarchen, religiöse Oberhäupter der Juden zu Tiberias in Galiläa und zu Babylon. Seit dem 3. Jahrh. legten sich auch die christlichen Bischöfe den Namen Patriarch bei, der aber im 5. Jahrh. nur den Bischöfen zu Rom, Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem vorzugsweise zugestanden wurde und woran sich zugleich das Recht der Ordination und Beaufsichtigung der Metropoliten und Bischöfe ihrer Sprengel knüpfte. In der katholischen Kirche des Abendlandes werden nur noch die Erzbischöfe von Lissabon und Venedig Patriarchen genannt; jener hat in der neuern Zeit seine Würde, als Oberhaupt der Landesgeistlichkeit, an Dom Pedro abtreten müssen, dieser ist gleichen Ranges mit andern Erzbischöfen der katholischen Kirche. Dagegen finden sich noch jetzt bei den griech. und oriental. Christen die Patriarchen fast in der Art, wie sie in der alten griech. Kirche bestanden. Die griech. Christen der Türkei stehen unter dem Patriarchen von Konstantinopel, der seine Bestätigung vom Sultan erhält. Die besondern Kirchen der Maroniten, Jakobiten, Armenier und Abyssinier stehen ebenfalls noch jetzt unter der Leitung von Patriarchen. Das im 16. Jahrh. zu Moskau in Rußland entstandene Patriarchat wurde, weil es sich mit Macht entwickelte und in Ansehen zu halten wußte, vom Kaiser Peter dem Großen wieder aufgehoben und in die h. Synode verwandelt. Auf die, jedoch nur von der Einbildung geschaffenen, Vorstellungen des alten patriarchalischen Lebens gestützt, hat man eine dem Familienoberhaupte zustehende, unbeschränkte Gewalt auch für das Oberhaupt des Staats gefodert und selbst Sklaverei und Leibeigenschaft vertheidigt, weil diese eine Art von patriarchalischem Verhältniß zwischen dem alleinigen Dienstherrn und der Dienerschaft begründen helfe.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 427.
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