Pommern

[530] Pommern, eine Provinz des preuß. Staates, zu welcher, außer dem alten Gebiete des frühern Herzogthums P., noch einige Bezirke der ehemaligen Neumark gehören, wird von Mecklenburg, der Ostsee und den preuß. Provinzen Brandenburg und Preußen begrenzt und hat auf 567 ! M. gegen eine Mill. Einw. Früher ein Theil des großen Wendenreichs, besteht die Bevölkerung noch aus mit Deutschen vermischten Slawen, und in einigen Gegenden des nordöstl. Landestheiles hat sich sogar bei den Cassuben die wendische Sprache erhalten. Das Christenthum ward im 12. Jahrh., wo auch der Name P. erst vorkommt, hier eingeführt und im Jun. 1824 wurde das 700jährige Jubelfest davon im ganzen Lande gefeiert. Seit 1062 stand P. unter eignen Herzogen, nach deren Aussterben im J. 1637 das Land dem errichteten Erbvertrage zufolge an Brandenburg hätte fallen sollen. Die Schweden hatten sich jedoch während des dreißigjährigen Kriegs in den Besitz von P. gesetzt und behielten im westfäl. Frieden die Insel Rügen und Vorpommern, das Land westl. der Oder, sodaß nur Hinterpommern östl. der Oder an Brandenburg kam. In Folge des nordischen Krieges mußte aber Schweden im Frieden von Stockholm 1720 die Hälfte von Vorpommern an Preußen abtreten und behielt nur den westlichsten Theil (Schwedisch Pom mern) mit Rügen. Als Schweden 1815 durch Norwegen vergrößert wurde, überließ es P. an Dänemark, von welchem Preußen dasselbe gegen Lauenburg und 2,600,000 Thlr. eintauschte und so in den Besitz des ganzen P.'s kam. Zu diesem gehörte auch einmal Pommerellen oder Kleinpommern, ein Landstrich zwischen der Ostsee, Weichsel, Netze und Hinterpommern, in dessen Besitz Preußen bei der ersten Theilung von Polen (s.d.) 1773 gelangte und das mit dem jedoch erst 1793 bei der letzten Theilung dazu gekommenen Danzig einen Theil der Provinz Westpreußen ausmacht.

P. gehört zu den gegen die flachen Sandküsten der Ostsee sich senkenden Tiefländern und erhebt sich nur in einem östl. hinziehenden Landrücken, der am rechten Oderufer den Namen trebnitzer Berge führt, etwas über 300 F. über die Meeresfläche. Die Küsten von Hinterpommern sind voller Sandhügel und Dünen, welche der Andrang der Wellen bei starken Stürmen häufig umgestaltet; auch ist der Boden überhaupt sandig, einen Theil von Vorpommern und die Insel Rügen ausgenommen, wo er fruchtbarer ist. Die Oder (s.d.) fließt durch P. dem nahen Meere zu, außerdem aber sind nur einige zum Theil schiffbare Küstenflüsse vorhanden, unter denen die in das stettiner Haff fließende Peene, welche der Abfluß des malchiner Sees in Mecklenburg ist, die Rega, Persante, Stolpe und Leba die wichtigsten sind. Von mehren Landseen steht der 3/4 ! M. große Madüesee wegen seiner Muränen in besonderm Rufe. Die Landwirthschaft erzeugt die gewöhnlichen Feldfrüchte, von denen ein Theil, sowie Holz, fettes Rindvieh, gesalzene und geräucherte Fische, Gänse, die im Ganzen oder von denen nur die Brüste geräuchert werden, auch Gegenstand der Ausfuhr sind. Bernstein, etwas Salz, Kalk, Torf, Rasen- oder Sumpfeisenerz sind die Producte P.'s aus dem Mineralreiche. Das Gewerbswesen ist von geringem Umfang und bewegt sich, so weit es nicht mit der Schiffahrt zusammenhängt und die Verarbeitung des Bernstein etwa ausgenommen, in den gewöhnlichen Richtungen; desto wichtiger ist der Handel, welchen die Lage an der See und die Oder begünstigen. Hinsichtlich der Verwaltung ist P. in die drei Regierungsbezirke Stettin, Stralsund und Cöslin eingetheilt, von höhern Unterrichtsanstalten ist die Universität in Greifswald zu bemerken. Hauptort der Provinz ist die Festung Stettin (s.d.) mit dem Hafen Swinemünde, einem Flecken mit 4000 Einw. und einer Seebadeanstalt. Außerdem gehören zu den wichtigern Orten: Stargard an der schiffbaren Ihna mit 9500 Einw., die ehemalige Hauptstadt von Hinterpommern (zum Unterschied von Altstargard in Mecklenburg und Stargard in Preußen auch Neustargard genannt); Kolberg an der Persante mit 6000 Einw., eine starke Festung und durch ihre tapfern Vertheidigungen im siebenjährigen Kriege gegen die Russen, sowie 1807 gegen die Franzosen (s. Nettelbeck) berühmt; Köslin mit 5000 Einw., eine Meile von der See am Fuße des Gollenberges, auf welchen ein im Aug. 1829 den im deutschen Befreiungskriege gefallenen pomm. Kriegern errichtetes Denkmal (ein Kreuz auf einem Unterbau von Granit) steht, ist der Sitz einer Regierung; Stolpe am gleichnamigen Flusse mit 6000 Einw., hat Seehandel über den 2 M. seewärts gelegenen Flecken Stolpemünde und viele Bernsteinarbeiter; Demmin an der Peene hat 4500, Anclam 6000, Uckermünde 3000 und Pasewalk 4500 Einw. Auf den Inseln Usedom und Wollin liegen Usedom mit 1100 Einw., das schon erwähnte Swinemünde und Wollin mit 3300 Einw., in dessen Nähe vermuthlich das 1183 zerstörte Julin stand, welches vom 10.–12. Jahrh. eine Hauptniederlage des Handels am baltischen Meere war. An der Mündung der Plöne in den dammschen See liegt das befestigte Damm oder Altdamm mit 2500 Einw.; Garz an der Oder hat 3200, Greifenhagen an der Regelitz 4500, Pyritz 3600 Einw.; in der Nähe liegt der von vier ehrwürdigen Linden beschattete heilige oder Ottobrunnen, wo Bischof Otto von Bamberg im Jun. 1124 die ersten Pommern taufte. Labes an der Rega hat 2200, Naugard mit einer Straf- und Besserungsanstalt 2000, Kammin an der Divenow mit einem schönen Dom aus dem 12. Jahrh. 2500 Einw.; Treptow an der Rega zählt 4500, Barth 4000 Einw.; Wolgast an der Mündung der Peene mit 4000 Einw. war die Residenz der ehemaligen Herzoge von P. An der Meerenge Gellen liegt Stralsund (s.d.), der Sitz einer Regierung, unter der auch die nahe Insel Rügen (s.d.) steht; Belgardt zählt 2500, Neustettin 2700, Tempelburg 2600, Rügenwalde unweit der Mündung des Wipperflusses 5000 Einw. und hat ein Seebad. Lauenburg an der Leba hat 2500 Einw.; Greifswald am schiffbaren Ryck in der Nähe des Meeres mit 8400 Einw., ist der Sitz einer Universität, einer Schiffahrtsschule und mehrer hoher Gerichtshöfe. Auf der nördlichsten Spitze der pommerschen Küste, Rixhooft oder Reserhooft genannt, befindet sich ein 270 F. hoher Leuchtthurm.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 530-531.
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