[40] Sardinien ist eine, den Titel eines Königreichs führende Insel im mittelländ. Meere. Sie liegt nordwestl. von Sicilien und ist nach dieser die größte Insel in dem genannten Meere, wird im N. durch den zwei Meilen breiten Kanal S.-Bonifazio von der Insel Corsica getrennt und umfaßt 3911/4 ! M. mit 500,000 Einw. Mehre Gebirgsketten durchziehen die Insel, Thäler liegen zwischen denselben und nach dem Meere zu flachen sie sich zu Ebenen ab, die Campidanos heißen und von denen die größten und fruchtbarsten die von Cagliari und Oristano sind. Die höchsten Berge sind der Gennargentu, welcher 5600 F., und der Gigantinu im Limbara-Gebirge, welcher 3700 F. hoch ist. Unter den vielen kleinen Flüssen sind der Tirso, der Coghinas, welcher anfänglich Rio-Grande heißt, der Flumendosa, der Fluß von Bosa, der einzige, welcher eine Strecke für Barken schiffbar, der Bavarena, Rio Calarita oder Fluß von Cagliari, der Turritano oder Fluß von S.-Gavino di Torres. Warme Bäder und Mineralquellen findet man in großer Anzahl, ebenso Seen und Teiche, von denen aber die meisten salziges Wasser haben. Besonders an den Flußufern findet man auch Sümpfe. Das Klima ist im Verhältniß zur Lage der Insel sehr gemäßigt und namentlich in den hohen Berggegenden frisch und angenehm. In den Ebenen des südl. Theils herrscht in Sommer eine drückende Hitze und besonders ist der aus NO. wehende Wind, der Levante (der Sirocco der Italiener), beschwerlich. Die stehenden Wasser erzeugen durch ihre Ausdünstung eine jährlich wiederkehrende epidemische Krankheit, Intemperie genannt, welche in gefährlichen Faulfiebern besteht und von Jun. bis Dec. herrscht. Der Boden ist fruchtbar, aber noch nicht hinreichend angebaut, und die wichtigsten Producte sind: Waldungen, darunter mehre, die aus Citronen- und Pomeranzenbäumen und grünen Eichen mit eßbaren Früchten bestehen, Getreide, Öl, Wein, Melonen, Feigen, Safran, Kastanien, Baumwolle, Taback, Rindvieh, Pferde, Schweine, Schafe mit grober Wolle, Ziegen, Esel, Wild, Bienen, Seidenraupen, Muflone, Fische, Korallen, Gold, Silber, Eisen, Kupfer, Blei, Alaun, Salpeter, Seesalz, Marmor, Achat u.s.w. Der Adel und die Geistlichkeit sind im Besitz fast des ganzen Grundeigenthums und jener hat das Vorrecht, daß er nur vor einem aus Adeligen bestehenden Gerichte verklagt werden kann. Die Landgemeinden besitzen ihre Felder gemeinschaftlich, nicht aber hat jeder Landmann sein eignes Grundstück; daher werden diese schlecht bebaut, obschon über jedes Dorf ein Censor gesetzt ist, welcher Ackerbau und Viehzucht beaufsichtigt, und die Kornmagazine den Bauern Saatgetreide gegen drei Procent Nutzen vorschießen. Mehr als die Hälfte des Landes gehört span. Familien. Die Sarden bekennen sich sämmtlich zur katholischen Kirche und sprechen einen ital., mit griech. und span. Wörtern gemischten Dialekt, in einigen Gegenden auch Spanisch. Für die wissenschaftliche Bildung ist durch die Universitäten zu Cagliari und Sassari gesorgt, und die Volksbildung wird gefördert durch die seit 1823 in allen Gemeinden eingerichteten Normalschulen. Der Gewerbfleiß liegt sehr danieder, sodaß nur Tuch, Papier und Seife verfertigt werden. Seit 1821 sind die beiden wichtigsten Orte Sassari und Cagliari durch eine fahrbare Straße in Verbindung gesetzt. Die Insel zerfällt in geographischer Hinsicht in zwei Theile: Capo di Cagliari oder Sotto (der Süden), und Capo di Sassari oder Sopra (der Norden), während in politischer Hinsicht zehn Provinzen unterschieden werden: Cagliari, Busachi, Iglesias, Isili, Lanusci, Nuoro, Sassari, Alghero, Eugileri und Ozieri. Die gesammten Staatseinkünfte betragen noch nicht 3 Mill. Francs, welche kaum zur Deckung der nöthigen Ausgeben hinreichen. Die monarchische Regierung ist beschränkt durch Reichsstände, die aus dem Adel, der Geistlichkeit und Deputirten aus den Städten und Ortschaften zusammengesetzt sind. Sie sollen alle zehn Jahre zusammenkommen und haben das Recht der Besteuerung und Gesetzgebung. Die Verwaltung ruht in der Hand eines Vicekönigs, dem ein Regierungsrath zugegeben ist, welcher zugleich der höchste Gerichtshof ist. Jede Provinz hat einen Privinzialgerichtshof mit einem Präfecten an der Spitze. Die regulaire Landmacht beträgt 3000 M., die Miliz über 22,000 M. Zum Schutze der Insel dienen die drei Festungen Cagliari, Alghero und Castel-Sardo und 67 an den Küsten stehende befestigte Wachtthürme. – In Capo di Cagliari liegt die befestigte Hauptstadt Cagliari. Sie ist der Sitz des Vicekönigs, eines Erzbischofs und der oberen Landesbehörden, hat 28,000 Einw., und liegt an einem nach ihr benannten Meerbusen und am Malargia. Der Hafen daselbst ist ziemlich sicher und durch Forts geschützt. Sie hat 38 Kirchen, von denen die im Castell durch eine prachtvolle Marmorbekleidung sich auszeichnet, ein schönes Theater und viele gutgebaute Paläste. Das Museum der Alterthümer und die Überreste einer röm. Wasserleitung sind sehenswerth. Die 1720 gestiftete Universität erhielt 1764 eine neue Einrichtung. Im Jahre 1769 wurde auch die erste Buchdruckerei S.'s hier gegründet. Cagliari ist der Hauptstapelplatz des sardin. Handels, hat mehre Schiffswerfte und ein gutes Quarantainehaus. Das Dorf Villa-Cidro hat 7000, das schwach befestigte Iglesias 10,000, Oristano, der Sitz eines Erzbischofs, 5500 Einw. Um das Dorf Milis sind große Pomeranzen- und Citronenpflanzungen; zu Ales ist eine prachtvolle Kathedrale; zu Sardaro sind berühmte Bäder, zu Fordongianus Ruinen römischer Bäder. – In Capo di Sassari liegt Sassari, 4 M. [40] vom Meere am Flusse Turritano. Am Meere liegt der Hafen Porto Torre. Sie ist der Sitz eines Erzbischofs, hat 20,000 Einw., 24 Kirchen und eine Universität. Die Festung Alghero mit 1500 Einw. ist Sitz eines Bischofs; wichtiger ist die Festung Castel-Sardo mit 2000 Einw. Bei Bosa mit 6000 Einw. und einem Hafen wird Korallenfischerei betrieben. Ozieri mit 8000 Einw. ist Sitz eines Bischofs; Benetutti hat besuchte Bäder; Tempio, Sitz eines Bischofs, hat 10,000 Einw.; Porto Poglio ist ein schöner Hafen; Nuoro und Orosei sind Bischofssitze. – Von den 44 um S. herumliegenden kleinern Inseln sind nur acht bewohnt.
S. hat im Laufe der Geschichte die verschiedensten Herren gehabt, indem es nacheinander von den Karthagern, den Römern, den Vandalen, den Sarazenen, von den Päpsten, den deutschen Kaisern, den Pisanern, den Genuesen und den Spaniern beherrscht wurde. Kaiser Friedrich I. erhob die Insel 1154 zum Königreiche und Papst Bonifacius VIII. schenkte sie dem Hause Aragonien, das sie 1324 in Besitz nahm, worauf sie durch Don Pedro von Aragonien 1335 und Eleonora von Arborea 1395 ihre Verfassung erhielt. Im J. 1708 eroberten sie die Engländer für das Haus Östreich, dem sie auch 1713 im utrechter Frieden zugesprochen wurde. Philipp V. von Spanien riß sie 1717 wieder an sich und 1720 erhielt sie endlich der Herzog von Savoyen zum Ersatz für Sicilien. Ein Aufruhr in I. 1793 hatte 1796 die Anerkennung der alten Rechte der Stände zur Folge, mit deren Wiederherstellung aber erst 1836 ein Anfang gemacht worden ist.