[212] Bismarck, Otto (Eduard Leop.), Fürst von, Herzog von Lauenburg, Staatsmann, geb. 1. April 1815 auf Schönhausen (Reg.-Bez. Magdeburg), Sohn des Rittmeisters a. D. Karl Wilh. Ferd. von B. (1771-1845) und der Luise Wilhelmine geborenen Menken (1790-1839), trat nach beendigten Rechtsstudien 1835 in den preuß. Justizdienst, nahm dann an der Bewirtschaftung der väterlichen Güter teil und war seit 1845 Mitglied der Provinziallandtage von Pommern und Sachsen. Auf dem Vereinigten Landtage zu Berlin (1847) gehörte er der konservativen Partei an. 1849 war er Mitglied des Abgeordnetenhauses, 1850 des Erfurter Parlaments. 1851-59 wirkte er als Gesandter beim Deutschen Bundestage. Seit 1859 als Gesandter in Petersburg und seit Frühjahr 1862 in gleicher Eigenschaft in Paris beglaubigt, wurde er im Herbst 1862 zum Ministerpräsidenten und Minister der auswärtigen Angelegenheiten ernannt. Ungeachtet des wegen der preuß. Armeereorganisation entstandenen und in den nächstfolgenden Jahren sich noch verschärfenden Verfassungskonflikts begann er an der polit. Neugestaltung Deutschlands zu [212] arbeiten. 1863 vereitelte er den großdeutschen Bundesreformplan Österreichs, 1864 setzte er den gemeinschaftlichen Krieg Preußens und Österreichs gegen Dänemark durch, der die Losreißung Schleswig-Holsteins, aber auch neuen Streit mit Österreich zur Folge hatte. Am 15. Sept. 1865 ward B. in den erblichen Grafenstand erhoben. Der Entscheidungskampf mit Österreich 1866 bewirkte das Ausscheiden Österreichs aus Deutschland und die Gründung des Norddeutschen Bundes, dessen Bundeskanzler B. 1867 wurde. Nachdem es B. gelungen war, die franz. Interventions- und Kompensationsgelüste jahrelang zurückzuweisen, brachte der Deutsch-Franz. Krieg von 1870/71 der deutschen Nation die polit. Einheit unter dem erblichen Kaisertum der Hohenzollern. B. wurde 21. März 1871 in den erblichen Fürstenstand erhoben und gleichzeitig zum Reichskanzler ernannt, als welcher er zunächst den Kampf mit den Ultramontanen aufnahm, die er freilich durch Zugeständnisse wieder zu gewinnen suchen mußte, als die 1878 von ihm eingeschlagene schutzzöllnerische Richtung ihn von der nationalliberalen Partei abdrängte. Sein scharfes Vorgehen gegen die Sozialdemokratie (Sozialistengesetz 1878) brachte ihn in erbitterten Kampf mit derselben. Der Berliner Kongreß im Jahre 1878, auf dem B. den Vorsitz führte, gab ihm Gelegenheit, als »ehrlicher Makler« seine Friedensliebe praktisch zu betätigen, ebenso trug das 1879 von ihm mit Österreich-Ungarn abgeschlossene Bündnis, dem 1883 auch Italien beitrat, und sein Bestreben, die Freundschaft Rußlands zu erhalten, zur Fernhaltung kriegerischer Verwicklungen bei. Nach siegreicher Durchführung der Zollreform (1880) wandte er sich sozial-polit. Reformen zur Aufbesserung der Lage des deutschen Arbeiterstandes zu und leitete die deutsche Kolonialpolitik in die Wege. Zu seinem 70. Geburtstage (1. April 1885) wurde ihm ein Nationalgeschenk im Betrag von über 21/2 Mill. M überreicht (zum Ankauf seines Stammgutes Schönhausen und zu öffentlichen Zwecken). Meinungsverschiedenheiten mit Kaiser Wilhelm II. wegen der Arbeiterschutzgesetzgebung und anderer Fragen führten 20. März 1890 seine Entlassung unter gleichzeitiger Ernennung zum Herzog von Lauenburg und zum Generaloberst herbei. Er zog sich nach Friedrichsruh zurück, bekämpfte aber in Gelegenheitsreden und in der Presse noch lebhaft die Politik seiner Nachfolger und starb hier 30. Juli 1898. [Tafel: Porträtmalerei II, 9.] Zwei Attentate, 7. Mai 1866 von Cohen-Blind, 13. Juli 1874 von Kullmann in Kissingen, wurden auf B. ausgeübt. Seine »Gedanken und Erinnerungen« (1898), »Briefe 1636-72« (8. Aufl. 1900), seine »Reden«, hg. von Böhm und Dove (16 Bde., 1885-91), von Kohl (14 Bde., 1892-1905), Stein (13 Bde., 1895-99) u.a. Vgl. ferner die Sammelwerke von Poschinger (1880-1900), von Kohl u.a. – Biogr. von Hesekiel (3. Aufl. 1873), Köppen (1875), Hahn (1878-91), Busch (1884 u. 1898), Heyck (3. Aufl. 1904), Lenz (1902); ferner »Bismarck-Jahr buch« (6 Bde., 1894-99). – Vermählt war B. seit 1847 mit Johanna, geborenen von Puttkamer, geb. 11. April 1824, gest. 27. Nov. 1894; Kinder: Gräfin Marie, geb. 21. Aug. 1848, vermählt seit 1878 mit dem Wirkl. Legationsrat Grafen von Rantzau; Fürst Herbert, geb. 28. Dez. 1849, 1884 Gesandter im Haag, 1885 Unterstaatssekretär, 1886-90 Staatssekretär des Auswärtigen Amtes (seit 1888 auch Staatsminister), 1884-86 und seit 1893 Mitglied des Reichstags, gest. 18. Sept. 1904 in Friedrichsruh; Graf Wilhelm, geb. 1. Aug. 1852, seit 1885 Landrat des Kr. Hanau, 1889 Regierungspräsident in Hannover, 1895 Oberpräsident von Ostpreußen, gest. 30. Mai 1901 in Varzin. Jetziger Fürst ist Herberts Sohn Otto, geb. 25. Sept. 1897. – Vgl. Penzler (1901).
Brockhaus-1911: Bismarck-Bohlen · Bismarck-Schönhausen · Bismarck · Bismarck [2]
Meyers-1905: Bismarck-Archipel · Bismarck-Archiv · Bismarck-Bohlen · Bismarck [4] · Bismarck [1] · Bismarck [2] · Bismarck [3]