Tschechische Literatur

[870] Tschechische Literatur. Nachdem die Grüneberger und die Königinhofer Handschrift (s.d.) als Fälschungen nachgewiesen sind, zeigt die 1. Periode der T. L. nur Erscheinungen, die auf abendländ. Einflüsse hinweisen: Minnesang, ritterliches Epos, Lieder, Legenden, romantische Sagen, Lehrgedichte, Satiren, ferner Dalimils Reimchronik, jurist. Werke, die philos. Schriften Štítnýs. In der 2. Periode (Anfang 15. Jahrh. bis 1620) blühen übersetzte Erzählungen und ihre Nachahmungen (»Historie vom Ritter Stilfrid« u.a.). Im Hussitenstreit wird die Literatur polemisch und gewinnt bedeutend an Einfluß durch Reinheit der Sprache und Volkstümlichkeit; es entstehen polit., histor. Lieder, religiöse Gesänge; in der Prosa: Memoiren, Reisebeschreibungen, jurist. Schriften u.a. Hus' bedeutendster Schüler war Peter Chelčický (s. Chelczicky). Am fruchtbarsten ist das letzte Jahrhundert der Periode (das »Goldene Zeitalter« der T. L.): die »Böhm. Chronik« von Hajek von Liboczan, die Bibelübersetzung der Böhmischen Brüder (die sog. Kralitzer Bibel), das »Kanzional« (s.d.) derselben, die Schriften Veleslavíns u.a. Die 3 Periode (bis 1780) umfaßt den raschen Niedergang nach der Schlacht am Weißen Berge und infolge der kath. Reaktion; der letzte große Schriftsteller ist Komenský oder Comenius (s.d.). Eine Wiederbelebung (4. Periode) bereitete sich vor durch die gelehrten Arbeiten Dobners (s.d.) und bes. Dobrowskýs (s.d.). Man begann wieder tschechisch zu schreiben. Einen Mittelpunkt erlangte die Bewegung im Böhmischen Museum (gegründet 1818); sie wird durch Šafařík, Palacký, Jungmann (zugleich Übersetzer klassischer Poesien) allgemein-slawisch, bes. in den Dichtungen Kollárs und Čelakovskýs. Andere Dichter sind: Vinařický, Jablonský, Hollý, Erben; Dramatiker: Klicpera, Tyl; Satiriker und Publizist: Havlíček; Novellisten: Marek, Chocholoušek, Hlinka, Frau Nĕmcová. Bei Mácha zeigt sich zuerst der Einfluß Byrons; daraus entwickelte sich durch Hálek und Neruda eine kosmopolit. Richtung neben der nationalen: Heyduk, Pfleger, Jiři Kolar, Jeřábek, Bozdĕch, Schulz, die Damen Krásnohorská und Svĕtlá. Die Hauptvertreter der neuesten Schule sind Čech (national) und Vrchlický (kosmopolitisch), denen sich mehr oder weniger selbständig anschließen Klášterský, Machar, Sova, Březina, Šimáček, Frau Podlipská u.a.

Die wissenschaftliche Literatur hat Vertreter auf allen Gebieten, in der Geschichte: Šafařík, Palacký, Tomek, Gindély, Dudík, J. und K. Jireček u.a.; in der Literaturgeschichte: Jungmann, Jos. Jireček, Sabina u.a.; in der Philosophie: Lindner, Masarýk, Hostinský, Durdík; Volkslieder sammelten Erben, Sušil. – Vgl. Pypin und Spasovič (3. Abteil., deutsch 1884); neueste Zeit: Albert (1895), Bačkovský (1898).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 870.
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