[735] Notwendigkeit (necessitas, anankê ist ein modaler (s. d.) Begriff. Er entspringt ursprünglich aus der Reflexion auf das unter dem Einflusse bestimmter Motive, Gründe, Bedingungen Nicht-anders-wollen- und handeln-können des Willens (des praktischen und des Denkwillens); dieses Bestimmtsein; Müssen wird in die äußere Erfahrung introjiciert, hineingelegt. Notwendig ist, was nicht anders, als es ist, gedacht werden, geschehen, sein kann, was gesetzmäßig auftritt, was so ist, weil ein anderes es fordert, es dazu nötigt, bestimmt, determiniert, veranlaßt. Es bilden sich verschiedene Notwendigkeitsbegriffe aus: 1) Subjective Notwendigkeit: a. psychologische N., die Bestimmtheit der Bewußtseinsvorgänge durch andere (Notwendigkeit der Association);[735] b. logische N., Bestimmtheit des Denkens (Urteilens, Schließens) durch logische Motive, durch Gründe, durch bestimmte Denkacte und Denkinhalte, durch apriorische Gesetze (formal- und materiallogische, mathematische, erkenntnistheoretische Notwendigkeit); c. praktische N., Bestimmtheit der Handlungen durch den Willen überhaupt, der Willensacte durch die Motive, durch den Grundwillen; d. moralische N., Bestimmtheit der Handlungen durch den »Willen zum Guten«, der Willensintentionen durch den allgemeinen Sittlichkeitswillen. 2) Objective (Natur-) Notwendigkeit (die den Außendingen, Außenvorgängen auf Grund der Erfahrung zugeschriebene Notwendigkeit, das Folgen und Erfolgenmüssen): a. physisch-empirische N., Bestimmtheit eines Vorganges durch andere; b. metaphysische N., Bestimmtheit der Tätigkeiten durch das Wesen der Dinge, der transcendenten Factoren. – Zu unterscheiden sind ferner begrifflich: causale N., die Bestimmtheit der Wirkung durch die Ursache; teleologische N., Bestimmtheit, Bedingtheit der Mittel durch den Zweck. Ferner: relative N., die Notwendigkeit als Bedingtheit; absolute N., die unbedingte Notwendigkeit im und aus dem Absoluten. – Gegensatz zur Notwendigkeit ist die Zufälligkeit (Contingenz, (s. d.)), zum Zwang (s. d.) die Freiheit. Notwendigkeit und Freiheit schließen einander nicht aus (s. Willensfreiheit).
Die alten (Dramatiker und) Naturphilosophen hypostasieren die reale, objective Notwendigkeit zum Schicksal (s. d.), zur heimarmenê SOPHOKLES: pros tên anankên oud' Arês anthistatai. EURIPIDES: pros tên anankên panta t' all' est' asthenê (vgl. Stob. Ecl., I 3, 154, 156). PYTHAGORAS erklärt, anankên perikeisthai tô kosmô (ib.). Nach HERAKLIT ist die heimarmenê der Logos (s. d.), eine vernünftige Notwendigkeit waltet in den Dingen (Diog. L. IX, l, 7). Nach LEUKIPP und DEMOKRIT geschieht alles kat' anankên (Diog. L. IX, 7, 45; Stob. Ecl. I, 5, 160), streng causal-mechanisch. DIODOR hält alles Mögliche für wirklich, alles Wirkliche für notwendig (s. Möglichkeit). »Nihil fieri, quod non necesse fuerit« (Cic., De fato 17). – PLATO bestimmt die (blind-causale) Notwendigkeit als ein neben der teleologischen (s. d.) Ideen-Wirksamkeit herrschendes Naturprincip, das sich aber dem logos der Vernünftigkeit, unterordnen muß: Dei de kai ta di' anankês gignomena tô logô parathesthai. memigmenê gar en hê toude tou kosmou genesis ex anankês te kai nou systaseôs egennêthê. nou de anankês archontos tô peithein autên tôn gignomenôn ta pleista epi to beltiston agein, tautê kata tauta te di' anankês hêttômenês hypo peithous emphronos houtô kat' archas xynistato tode to pan (Tim. 47 E, 48 A). ARISTOTELES definiert das Notwendige als das Nichtanders-sein-könnende (to mê endechomenon allôs echein anankaion phamen Met. V 5, 1015a 34). Objective und logische Notwendigkeit werden unterschieden (l.c. V, 5). Das anankaion, to ex anankês steht dem symbebêkos (s. Accidens) gegenüber (Met. VI 2, 1026b 28 squ.). Das Notwendige ist das aei im Gegensatz zum epi to poly (Met. XI 8, 1064b 33 squ). Es gibt ein anankaion haplôs, ex hypotheseôs (bedingte Notwendigkeit), bia (Zwang). Was ist, ist, insofern es ist, notwendig: to einai to on hotan ê, kai to mê on mê einai hotan mê ê, anankê (De interpret. 9). Die logische Notwendigkeit bestimmen die Stoiker als das widerspruchslos Wahre: anankaion de estin oper alêthes on ouk estin epidektikon tou pseudos einai (Diog. L. VII, 75). Die physische Notwendigkeit beherrscht alle Dinge (s. Schicksal). Nach PLOTIN ist die physos kosmou [736] gemischt (memigmenê) ek te nou kai anankês (Enn. I, 8, 7). – Die streng causale (s. d.) Notwendigkeit des Alls betont LUCREZ im Sinne des Epikureismus.
Verschiedene Arten der Notwendigkeit unterscheidet die Scholastik. ANSELM bemerkt: »Est... necessitas praecedens, quae causa est, ut sit res; et est necessitas consequens, quam res facit« (Cur Deus homo II, 18). ALBERTUS MAGNUS unterscheidet: »necessitas absoluta, consequens, positione, causaliter, rei« (Sum. th. I, 62, 8; II, 3, 2). THOMAS definiert: »Necesse est..., quod nun potest non esse« (Sum. th. I, 82, 1). Es gibt »necessitas entis, essendi« als Gegensatz zur »contingentia« (Contr. gent. I, 42), »necessitas naturalis, absoluta, condicionalis, finis, coactionis, consequentis, ex alio, formae, materiae« (De ver. 22, 5). »Necessarium vel habet causam suae nec aliunde, vel non, sed est per seipsum necessarium« (Contr. gent. I, 15). »Necessitas naturalis non repugnat voluntati« (Sum. th. I, 82, 1). – MICRAELIUS erklärt: »Necessitas dicitur a non cessando, aut quod absque illo res nec est, nec esse potest.« Es gibt »necessitas indigentiae (chreia) coactionis, expedientiae, immutabilitatis«. Letztere ist jene, »quae non potest aliter esse« (Lex. philos. p. 703). Es gibt ferner »necessitas in praedicando« und »existentiae«, »necessarium absolute« und »hypothetice« (l.c. p. 704 f.).
Die Notwendigkeit des Schicksals, wonach alles in der Natur geschieht, betont CAMPANELLA. Es gibt »necessitas quidditatis, inevitabilitatis, infallibilitatis«, erstere kann nicht einmal von Gott aufgehoben werden, z.B. die geometrische Notwendigkeit (Univ. philos. IX, 1). Die Existenz notwendiger Wahrheiten (s. Wahrheiten) lehrt (wie schon die Scholastik) DESCARTES. – G. BRUNO erklärt: »Voluntas divina est non modo necessaria, sed etiam est ipsa necessitas... Necessitas et libertas sunt unum« (De immenso I, 11). SPINOZA versteht unter dem (logisch-objectiven) Notwendigen das, dessen Nichtsein einen Widerspruch involviert (Emend. int.). Notwendig ist, »cuius nulla ratio nec causa datur, quae impedit, quominus existat« (Eth. I, prop. XI, dem.). Gott ist (als »causa sui«, (s. d.)) notwendig (»neccessario existit«, Eth. I, prop. XI). Aus Gottes Wesen (Natur) »folgt« (»sequitur«) alles mit logischer Notwendigkeit, und doch ist Gott, da nichts außer ihm besteht, frei. »Ex sola divinae naturae necessitate, vel (quod idem est) ex solis eiusdem naturae legibus« (Eth. I, prop. XVII, dem.). In der Natur ist alles determiniert. »In rerum natura nullum datur contingens, sed omnia ex necessitate divinae naturae determinata sunt ad certo modo existendum et operandum« (Eth. I, prop. XXIX). »Res nullo alio modo neque alio ordine a Deo produci potuerunt, quam productae sunt« (Eth. I, prop. XXXIII), weil die Dinge Modi der ewigen Wesenheit Gottes sind. »Quicquid concipimus in Dei potestate esse, id necessario est« (Eth. I, prop. XXXV, s. Ewigkeit). »Res aliqua necessaria dicitur vel ratione suae essentiae, vel ratione causae. Rei enim alicuius existentia vel ex ipsius essentia et definitione, vel ex data causa efficiente necessario sequitur« (Eth. prop. XXIX, schol. I). Notwendigkeit im Sinne des Zwangs und von dem Dinge ausgesagt, »quae determinatur ad existendum et operandum certa ac determinata ratione« (Eth. I, def. VII). LEIBNIZ unterscheidet »geometrische« (logische), »physische«, »moralische« Notwendigkeit. Die »geometrische« Notwendigkeit ist jene, deren Gegenteil einen Widerspruch einschließt (Theod. II. B, § 282), die moralische die, welche der freien Wahl der Weisheit in Bezug auf ihre Endzwecke entspringt (l.c. § 349); daher ist die Notwendigkeit Consequenz des Handelns und Wollens, keine Nötigung, kein Zwang (l.c. II, Anl. 1, § 3).[737] Man kann sagen, »que la nécessité physique est fondée sur la nécessité morale, c'est à dire sur le choix du sage, digne de sa sagesse et que l'une aussi bien que l'autre doit être distinguée de la nécessité géométrique. Cette nécessité physique est ce qui fait l'ordre de la nature et consiste dans les régles du mouvement et dans quelques autres loix générales; qu'il a plu à Dieu de donner aux choses en leur donnant l'être« (Theod. I. A, § 2; vgl. § 124, 175; s. Wahrheit). CHR. WOLF definiert: »Cuius oppositum impossibile, seu contradictionem involvit, id necessarium dicitur« (Ontolog. § 279). Vom »necessarium absolute« ist das »hypothetice necessarium« zu unterscheiden (l.c. § 317 f.); eine Abart des letzteren ist das natürliche, physische Notwendige. »Species illa necessitatis hypotheticae, quae a constitutione universi et causarum serie, seu, ut alii loquuntur, a praesente rerum ordine pendet, necessitas physica seu naturalis appellatur« (Cosmolog. § 109). »Moraliter necessarium est, cuius oppositum moraliter impossibile« (Philos. pract. I, § 115). »Was in dieser Welt möglich ist, das muß auch kommen, wenn es nicht schon dagewesen oder noch da ist, und kann unmöglich außen bleiben.« »Es ist aber allerdings ein merklicher Unterschied unter demjenigen, was schlechterdings notwendig ist und was nur unter gewisser Bedingung... notwendig ist.« Man nennt »schlechterdings notwendig, was vor sich notwendig ist oder dem Grund der Notwendigkeit in sich hat: hingegen notwendig unter einer Bedingung, was nur in Ansehung eines andern notwendig wird, das ist, den Grund der Notwendigkeit außer sich hat. Und die letztere Art der Notwendigkeit wird insbesondere die Notwendigkeit der Natur genennet, weil sie ihren Grund in dem gegenwärtigen Laufe der Natur hat, das ist in dem gegenwärtigen Zusammenhange der Dinge«. Die geometrische und metaphysische Notwendigkeit ist in den Dingen befindlich, welche zur Geometrie und Metaphysik gehören (Vern. Ged. I, § 575). Absolut notwendig ist nach BILFINGER, was »per ipsam rei essentiam adest, sine praesupposita aliqua hypothesi et conditione« (Diluc. § 47). CRUSIUS bestimmt: »Notwendig ist, was dergestalt ist oder geschieht, daß es nicht anders sein oder geschehen kann« (Vernunftwahrh. § 120). Nach PLATNER ist notwendig »alles das, was gedacht werden muß« (Philos. Aphor. I, § 834), »was nach der Vernunftidee (als logisches Urteil) gedacht werden muß« (Log. u. Met. S. 90; vgl. MENDELSSOHN, Morgenst. I, 284 ff.).
LOCKE erklärt: »Wo das Denken oder die Macht, nach der Leitung der Gedanken zu handeln oder nicht zu handeln, ganz fehlt, da tritt die Notwendigkeit ein« (Ess. II, ch. 21, § 13). Nach PRIESTLEY (wie schon nach HOBBES, s. Causalität) herrscht in der ganzen Natur causale Notwendigkeit. »I maintain, there is some fixed law of nature respecting the will as well as the other powers of the mind and every thing else in the constitution of nature« (Of philos. Necessit. 1777, p. 7). – HUME betont, Notwendigkeit sei nichts Gegebenes, nichts Objectives, sondern rein subjectiv-psychologisch, Product der Association (s. d.). »Ich finde, daß nach häufiger Wiederholung der Geist beim Auftreten eines der Gegenstände durch die Gewohnheit genötigt wird, den Gegenstand sich zu vergegenwärtigen, der ihn gewöhnlich begleitete, und zwar so, daß er vermöge dieser Beziehung zu jenem erstern Gegenstande in helleres Licht gesetzt erscheint. Dieser Eindruck oder diese Nötigung nun ist dasjenige, was mir die Vorstellung der Notwendigkeit verschafft« (Treat. III, sct. 14). »Die Vorstellung der Notwendigkeit entsteht aus einem Eindruck. Kein Eindruck, der uns durch unsere Sinne zugeführt wird, kann diese Vorstellung veranlassen. Sie muß also aus einem[738] innern Eindruck oder einem Eindruck der Reflexion stammen. Es gibt aber keinen andern innern Eindruck, der irgend eine Beziehung zu dem hier in Rede stehenden Phänomen hätte, als jene durch die Gewohnheit hervorgerufene Geneigtheit, von einem Gegenstande auf die Vorstellung desjenigen Gegenstandes überzugehen, der ihn gewöhnlich begleitete. In ihr besteht also das Wesen der Notwendigkeit. Allgemein gesagt, ist die Notwendigkeit etwas, das im Geist besteht, nicht in den Gegenständen; wir vermögen uns niemals eine, sei es auch noch so annäherungsweise Vorstellung von ihr zu machen, solange wir sie als eine Bestimmung der Körper betrachten. Entweder also, wir haben überhaupt keine Vorstellung der oder die Notwendigkeit ist nichts weiter als jene Nötigung des Vorstellens, von den Ursachen zu den Wirkungen oder von den Wirkungen zu den Ursachen, entsprechend der von uns beobachvon uns beobachteten Verbindung derselben, überzugehen« (l.c. S. 224 f.). »Wie also die Notwendigkeit zweimal zwei vier ist, oder daß die drei Winkel eines Dreiecks gleich zwei Rechten sind, nur an dem Acte unseres Verstandes haftet, vermöge dessen wir diese Vorstellungen betrachten und vergleichen, so hat auch die Notwendigkeit oder Kraft, die Ursachen und Wirkungen verbindet, einzig in der Nötigung des Geistes, von den einen auf die anderen überzugehen, ihr Dasein« (l.c. S. 22J). »Unser Begriff einer Notwendigkeit und Causalität entspringt also lediglich aus der wahrnehmbaren Gleichförmigkeit in der Natur, in welcher gleiche Dinge immer miteinander verknüpft sind und der Verstand durch Gewohnheit bestimmt wird, von dem einen auf das andere zu schließen« (Inquir. VIII, sct. 1).
Sowohl gegen die Übertragung der Notwendigkeit auf die Dinge an sich seitens des ontologistischen Rationalismus (s. d.), als auch gegen die bloß empirisch-inductive Auffassung der logischen Notwendigkeit und endlich gegen die skeptische (s. d.) Leugnung aller Denknotwendigkeit wendet sich KANTs Lehre vom a priori (s. d.) des Erkennens. Strenge, apodiktische (s. d.) Notwendigkeit liegt nicht im Gegebenen, in der Erfahrung (s. d.), auch nicht in der Association, sondern in der Gesetzmäßigkeit, mit der der Geist wahrnimmt und denkt, in den Formen (s. d.) der Anschauung und des Denkens und in der allgemeinen Bedingtheit jeder möglichen Erfahrung durch sie. Die Notwendigkeit der Axiome (s. d.) der Naturwissenschaft und der Mathematik beruht auf der Apriorität von Raum, Zeit und den Kategorien (s. d.). Es ist die Art des Geistes, nicht anders erkennen zu können, als es die Form seiner Synthesis (s. d.) fordert. – Als modale (s. d.) Kategorie bedeutet das Notwendige das, »dessen Zusammenhang mit dem Wirklichen nach allgemeinen Bedingungen der Erfahrung bestimmt ist« (Krit. d. r. Vern S. 202). Objective Notwendigkeit kann nicht rein begrifflich, sondern nur erfahrungsmäßig-gesetzlich constatiert werden und bezieht sich nicht auf das Sein, sondern auf Vorgänge, Erscheinungen in ihren Beziehungen zueinander. »Da ist nun kein Dasein, was unter der Bedingung anderer gegebener Erscheinungen als notwendig erkannt werden könnte, als das Dasein der Wirkungen aus gegebenen Ursachen nach Gesetzen der Causalität. Also ist es nicht das Dasein der Dinge (Substanzen), sondern ihres Zustandes, wovon wir allein die Notwendigkeit erkennen können, und zwar aus andern Zuständen, die in der Wahrnehmung gegeben sind, nach empirischen Gesetzen der Causalität. Hieraus folgt: daß das Kriterium der Notwendigkeit lediglich in dem Gesetze der möglichen Erfahrung liege: daß alles, was geschieht, durch ihre Ursache in der Erscheinung bestimmt sei. Daher erkennen wir nur die Notwendigkeiten der Wirkungen in[739] der Natur, und das Merkmal der Notwendigkeit im Dasein reicht nicht weiter, als das Feld möglicher Erfahrung, und selbst in diesem gilt es nicht von der Existenz der Dinge, als Substanzen, weil diese niemals als empirische Wirkungen, oder etwas, das geschieht und entsteht, können angesehen werden. Die Notwendigkeit betrifft also nur die Verhältnisse der Erscheinungen nach dem dynamischen Gesetze der Causalität und die darauf sich gründende Möglichkeit, aus irgend einem gegebenen Dasein (einer Ursache) a priori auf ein anderes Dasein (der Wirkung) zu schließen.« »Alles, was geschieht, ist hypothetisch notwendig, das ist ein Grundsatz, welcher die Veränderung in der Welt einem Gesetze unterwirft, d. i. einer Regel des notwendigen Daseins, ohne welche gar nicht einmal Natur stattfinden würde. Daher ist der Satz Nichts geschieht durch ein blindes Ohngefähr (in mundo non datur casus) ein Naturgesetz a priori; imgleichen keine Notwendigkeit in der Natur ist blinde, sondern bedingte, mithin verständliche Notwendigkeit (non datur fatum). Beide sind solche Gesetze, durch welche das Spiel der Veränderungen einer Natur der Dinge (als Erscheinungen) unterworfen wird, oder, welches einerlei ist, der Einheit des Verstandes, in welchem sie allein zu einer Erfahrung, als der synthetischen Einheit der Erscheinungen, gehören können« (l.c. S. 211 f.). Zu betonen ist: »Die unbedingte Notwendigkeit der Urteile... ist nicht eine absolute Notwendigkeit der Sachen. Denn die absolute Notwendigkeit des Urteils ist nur eine bedingte Notwendigkeit der Sache oder des Prädicats im Urteile« (l.c. S. 469). Den Geschmacksurteilen (s. Ästhetik) kommt subjective Notwendigkeit zu (Krit. d. Urt. § 22). Nötigung ist die Bestimmung des Willens gegen dessen Gutfinden (Grundleg. z. Met. d. Sitt. 2. Abschn.).
In der Philosophie nach Kant wird die Notwendigkeit bald als Apriorität (s. d.), bald empirisch-subjectiv (psychologisch) oder empirisch-objectiv, bald rational und objectiv (metaphysisch), bald empirisch-rational, subjectiv-objectiv bestimmt.
G. E. SCHULZE bemerkt, Notwendigkeit sei kein Kriterium des a priori (s. d.), sondern komme auch den als vorhanden anzuerkennenden Empfindungen zu (Aenesid. S. 144). Nach BOUTERWEK ist empirisch notwendig, »was nicht zu ändern ist«, philosophisch »der feste Punkt, an den die Vernunft alle Urteile anzuknüpfen sucht, durch die sich die Wissenschaft unterscheiden soll von der Meinung« (Lehrb. d. philos. Wissensch. I, 121), Auf die Form des Gemüts gründet sich die formale Notwendigkeit der Urteile, die sich aus dem Bewußtsein der höchsten Gesetze des menschlichen Erkennens entwickeln (l.c. S. 121). Die metaphysische Notwendigkeit hat Beziehung aufs Dasein. »Im Absoluten selbst ist das Mögliche mit dem Wirklichen und Notwendigen eins und dasselbe« (l.c. S. 122 f.). Nach FRIES ist die Notwendigkeit in unserer Erkenntnis nur »durch ursprünglich dauernde, sich gleich bleibende Tätigkeit der einen Erkenntniskraft in unserer Vernunft möglich« (Neue Krit. II, 43). »Wenn wir einzelne Begebenheiten, die uns vor der Anschauung erscheinen, außer ihrem Zusammenhang betrachten, so reden wir vom bloß Wirklichen; nehmen wir dagegen mit auf diesen Zusammenhang Rücksicht, so finden wir dann ihre Notwendigkeit« (Syst. d. Log. S. 159). Nach J. G. FICHTE ist die Denknotwendigkeit »nicht absolute Notwendigkeit, dergleichen es überhaupt nicht geben kann, da ja alles Denken von einem freien Denken unser selbst ausgeht, sondern dadurch, daß überhaupt gedacht werde, bedingt« (Syst. d. Sittl. 52). SCHELLING bestimmt: »Notwendig ist, was in aller Zeit gesetzt ist« (Syst. d. tr. Ideal. S. 312 f.) – Nach CHR. KRAUSE ist die Notw»Teilbezugheit« der »Seinheit« (s. d.). Etwas ist für etwas notwendig heißt, es ist »ein-bezug-wesenlich[740] da« hinsichtlich dessen (Vorl. üb. d. Syst. S. 421 ff.). Nach HILLEBRAND ist Notwendigkeit »das Denken des Zweckes der Dinge für das Denken«. Das Sein ist seine eigene absolute Notwendigkeit (Philo(s. d.) Geist. II, 60 ff.). – HEGEL hypostasiert die Notwendigkeit zu einem Moment des Seins selbst. »Wenn alle Bedingungen vorhanden sind, muß die Sache wirklich werden, und die Sache ist selbst eine der Bedingungen, denn sie ist zunächst als Inneres selbst nur ein Vorausgesetztes. Die entwickelte Wirklichkeit, als der in eins fallende Wechsel des Innern und Äußern, der Wechsel ihrer entgegengesetzten Bewegungen, die zu einer Bewegung vereint sind, ist die Notwendigkeit« (Encykl. § 147). »Die Notwendigkeit ist an sich daher das eine mit sich identische aber inhaltsvolle Wesen, das so in sich scheint, daß seine Unterschiede die Form selbständiger Wirklicher haben, und dies Identische ist zugleich als absolute Form die Tätigkeit des Aufhebens in Vermitteltsein und der Vermittlung in Unmittelbarkeit. – Das, was notwendig ist, ist durch ein anderes, welches in den vermittelnden Grund (die Sache und die Tätigkeit) und in eine unmittelbare Wirklichkeit, ein Zufälliges, das zugleich Bedingung ist, zerfallen ist. Das Notwendige als durch ein anderes ist nicht an und für sich, sondern ein bloß Gesetztes. Aber diese Vermittlung ist ebenso unmittelbar das Aufheben ihrer selbst; der Grund und die zufällige Bedingung wird in Unmittelbarkeit übergesetzt, wodurch jenes Gesetztsein zur Wirklichkeit aufgehoben und die Sache mit sich selbst zusammengegangen ist. In dieser Rüchkehr in sich ist das Notwendige schlechthin, als unbedingte Wirklichkeit. – Das Notwendige ist so, vermittelt durch einen Kreis von Umständen: es ist so, weil die Umstände so sind, und in einem ist es so, unvermittelt, – es ist so, weil es ist« (l.c. § 149). »Das Notwendige ist in sich absolutes Verhältnis, d. i. der entwickelte Proceß, in welchem das Verhältnis sich ebenso zur absoluten Identität aufhebt« (l.c. § 150). Nach K. ROSENKRANZ ist der Grund der realen Möglichkeit »die absolute Notwendigkeit, welche an und für sich nicht anders sein kann, als sie ist« (Syst. d. Wissensch. S. 80). – CHALYBAEUS versteht unter Notwendigkeit »die Wirklichkeit desjenigen, dessen Nichtsein undenkbar, widersprechend und unmöglich ist« (Wissenschaftslehre S. 237 ff.). TRENDELENBURG betont, »daß die Notwendigkeit, eine Tat des Denkens, ihr strenges Band aus den realen Elementen webt, und daß sie, weit entfernt, nur subjectiv zu sein, eine eigentümliche Doppelbildung ist, in welcher das Denken mit dem Sein verschmilzt« (Gesch. d. Kategorienl. S. 378). »Wenn alle Bedingungen erkannt sind und demnach die Sache aus dem ganzen Grund verstanden wird, so daß das Denken das Sein völlig durchdringt: so gibt das den Begriff der Notwendigkeit« (Log. Unt. II2, 165).
SCHOPENHAUER leitet die Notwendigkeit aus dem Satze vom Grunde (s. d.) ab. »Ich behaupte, daß Notwendigsein und Folge aus einem gegebenen Grunde sein durchaus Wechselbegriffe und völlig identisch sind. Als notwendig können wir nimmermehr etwas erkennen, ja nur denken, als sofern wir es als Folge eines gegebenen Grundes ansehen: und weiter als diese Abhängigheit, dieses Gesetztsein durch ein anderes und dieses unausbleibliche Folgen aus ihm enthält der Begriff der Notwendigkeit schlechthin nickt. Er entsteht und besteht also einzig und allein durch Anwendung des Satzes vom Grunde. Daher gibt es, gemäß den verschiedenen Gestaltungen dieses Satzes, ein physisch Notwendiges (der Wirkung aus der Ursache), ein logisch (durch den Erkenntnisgrund, in analytischen Urteilen, Schlüssen u. s. w), ein mathematisch (nach dem Seinsgrunde in Raum[741] und Zeit) und endlich ein praktisch Notwendiges, wodurch wir nicht etwa das Bestimmtsein durch einen angeblich kategorischen Imperativ, sondern die, bei gegebenem empirischen Charakter, nach vorliegenden Motiven notwendig eintretende Handlung bezeichnen wollen. – Alles Notwendige ist es aber nur relativ, nämlich unter der Voraussetzung des Grundes, aus dem es folgt: daher ist die absolute Notwendigkeit ein Widerspruch« (W. a. W. u. V. I. Bd., Krit. d. Kantschen Philos. S. 461 f.). Notwendigkeit »hat keinen andern wahren und deutlichen Sinn als den der Unausbleiblichkeit der Folge, wenn der Grund gesetzt ist«. Es gibt eine vierfache Notwendigkeit: »1) Die logische, nach dem Satz vom Erkenntnisgrunde, vermöge welcher, wenn man die Prämissen hat gelten lassen, die Conclusion unweigerlich zuzugeben ist. 2) Die physische, nach dem Gesetz der Causalität, vermöge welcher, sobald die Ursache eingetreten ist, die Wirkung nicht ausbleiben kann. 3) Die mathematische, nach dem Satz vom Grunde des Seins, vermöge welcher jedes von einem wahren geometrischen Lehrsatze ausgesagte Verhältnis so ist, wie er es besagt, und jede richtige Rechnung unwiderleglich bleibt. 4) Die moralische, vermöge welcher jeder Mensch, auch jedes Tier, nach eingetretenem Motiv, die Handlung vollziehen muß, welche seinem angeborenen und unveränderlichen Charakter allein gemäß ist, und demnach jetzt so unausbleiblich, wie jede andere Wirkung einer Ursache, erfolgt« (Vierf. Wurz. C. 8, § 49). Nach F. A. LANGE besagt die Notwendigkeit des Geschehens »nichts als seine Allgemeinheit« (Log. Stud. S. 41). Die Kantianer (s. d.) fassen die Notwendigkeit im Erkennen als apriorische Gesetzmäßigkeit auf. – Nach BOLZANO hat Notwendigkeit nur in Beziehung auf den Begriff des Seins Geltung (Wissensch. II, 229, § 182). Jedes Müssen ist ein »Seinmüssen« (l.c. S. 230). Notwendig ist das Sein eines Gegenstandes, »wenn es eine reine Begriffswahrheit von der Form: A' ist (oder hat Dasein) gibt, in welcher A' eine den Gegenstand A umfassende Vorstellung ist« (l.c. S. 230 ff.).
W. ROSENKRANZ definiert das Notwendige als das, »was einen zwingenden Grund seiner Wirklichkeit hat, zufällig dagegen dasjenige, was keinen solchen Grund hat, oder wovon uns wenigstens ein solcher Grund nicht bekannt ist« (Wissensch. d. Wiss. II, 127). »Eine Notwendigkeit erfahren wir allerdings auch in der äußern Anschauung, soferne wir uns in dieser der Empfindungen der äußeren Dinge nicht erwehren können, und dieselben sich uns selbst gegen unsern Willen aufdringen. Diese Notwendigkeit fällt jedoch einzig und allein auf unsere Seite. Sie besteht lediglich in dem Gefühle aufgehobener Freiheit in uns, welche uns über den Grund der Aufhebung gar nichts entnehmen läßt.« »Der Zwang der Wirklichkeit, welcher im Begriffe der Notwendigkeit liegt, kann nur aus dem Verhältnisse zwischen Ursache und Wirkung entspringen. Nur eine Ursache, welche eine bestimmte Wirkung unvermeidlich hervorbringt, kann eine Notwendigkeit begründen« l.c. S. 128). Die unvermeidliche Folge aus dem Grunde ergibt die Notwendigkeit. »Alle Notwendigkeit besteht darin, daß Verschiedenes miteinander zusammentrifft und das Zusammentreffen durch einen gemeinschaftlichen Grund bestimmt ist.« Im absoluten Geist fällt der Unterschied zwischen Möglichkeit, Wirklichkeit, Notwendigkeit hinweg (l.c. S. 232, 234). GIZYCKI erklärt: »Notwendig sein heißt: aus einem zureichenden Grunde folgen« (Moralphilos. S. 209). Die Notwendigkeit liegt im Subject (l.c. S. 210). Nach ULRICI ist denknotwendig alles, ohne welches unser Denken in seiner logischen Bestimmtheit unmöglich wäre (Log. S. 40). Nach TEICHMÜLLER bedeutet Notwendigkeit, »daß die Bewegung des Denkens[742] immer dieselben Coordinationen trifft, so weit man auch versucht, andere Wege zu nehmen« (Neue Grundleg. S. 125). Nach PLANCK knüpft sich die Notwendigkeitskategorie an das logische Causalgesetz. Diesem muß sich alles Wirkliche fügen. »Der Gedanke der Notwendigkeit, der überall an das logische Causalgesetz sich knüpft und sein Wesen ausmacht, ist überall kein empirischer..., sondern ein rein logischer und formaler« (Testam. ein. Deutsch. S. 319). Nach LEWES ist Notwendigkeit »the intuition of the actual factors – the perception of adequate relation – the recognition that, what is, must be what it is« (Probl. I, 397 f.; vgl. HODGSON, Philos. of Refl. I, 244 ff., 422 ff., 432 ff.; II, 100 ff.).
Nach ÜBERWEG tut die Einsicht not, »daß die Denknotwendigkeit niemals für sich allein, sondern immer nur, sofern sie in den logischen Gesetzen sich offenbart, maßgebend sein darf« (Welt- und Lebensauff. S. 74). »Wo uns die logischen Gesetze nötigen anzunehmen, daß etwas an sich so sei, wie wir es denken, ist jeder Zweifel notwendig ausgeschlossen« (l.c. S. 78). VOLKELT versteht unter sachlich-logischer Notwendigkeit die »directe, reine Abhängigkeit meiner Vorstellungsverknüpfungen von der in der Sache liegenden Bedeutung« (Erf. u. Denk. S. 140 f.). B. ERDMANN bemerkt: »Die Denknotwendigkeit... ist eine objective; sie fließt aus den Bedingungen unseres Denkens entsprechend der Natur seiner Gegenstände« (Log. I, 6). Die Denknotwendigkeit ist nur eine hypothetische, keine absolute Notwendigkeit (l.c. I, 372 ff.). Nach G. GLOGAU stammt Notwendigkeit aus dem Denken, denn »sie besteht in der Einbildung der logischen Forderungen in das sinn- und ziellose Spiel der niederen Wahrnehmung« (Abr. d. philos. Grundwiss. I, 361 f.). – E. DÜHRING sieht in der Notwendigkeit keinen Begriff mit besonderem Inhalte. »Die Notwendigkeiten sind entweder absolute Tatsachen, wie die axiomatischen Bestandteile der Naturverfassung und des Denkens, oder sie sind Beziehungsformen, die wiederum auf einfache sachliche oder begriffliche Verbindungsarten zurückzuführen sind« (Log. S. 195). »Unmöglichkeit ist der Kern aller Notwendigkeit, die daher sogar wesentlich einen verneinenden Charakter hat. In aller Notwendigkeit liegt es, daß etwas nicht anders sein kann. Es ist also etwas Einschränkendes vorhanden, in Bezug worauf der gedankliche Zwang statthat. Ja es liegt sogar der Gedanke der Unterordnung und mithin der Passivität in der Notwendigkeit« (Wirklichkeitsphilos. S. 372). »Insofern das Tatsächliche den Spielraum einschränkt, macht es irgend etwas notwendig; indem es überhaupt einen Spielraum bietet, macht es allerlei möglich« (l.c. S. 373). – Nach HAGEMANN ist notwendig »das Sein, dessen Nichtdasein unmöglich ist.« »Absolut notwendig ist dasjenige, dessen Gegenteil in sich widersprechend, also absolut unmöglich ist; relativ oder bedingt notwendig dasjenige, dessen Gegenteil unter gewissen Bedingungen unmöglich ist« (Met.2, S. 15). Nach GUTBERLET ist »Notwendigkeit eines Urteils« »notwendige Wahrheit eines Urteils«. »Absolut notwendig ist, was unter keiner Bedingung nicht nicht sein kann, oder unter jeder Bedingung ist, dessen Sein also unabhängig (absolutum) ist von jeder Bedingung. Diese Notwendigkeit kommt im Gebiete des Existierenden nur Gott, im Gebiete des Möglichen den idealen Wesenheiten zu. Hypothetisch notwendig ist, was zwar auch nicht sein kann, aber unter gegebener Bedingung ist.« »Für die Existenz der Geschöpfe gibt es keine ihnen vorausgehende oder in ihnen gelegene Notwendigkeit, ist aber ihre Existenz Tatsache geworden, so ergibt sich aus derselben von selbst eine tatsächliche, historische Notwendigkeit, welche als solche (der Tatsache) nachfolgende Notwendigkeit heißt« (Log. u. Erk.2, S. 153).[743]
Nach E. v. HARTMANN hat die Notwendigkeit keine Stätte in der subjectiv idealen Sphäre, sofern die unmittelbare Erfahrung in Betracht kommt; nur der Schein von ihr entsteht hier, wenn der naiv realistische Glaube an die Causalität der mit den Dingen an sich identificierten Wahrnehmungsobjecte unkritisch festgehalten wird (Kategorienlehre S. 340 f.). HÖFLER rechnet die Notwendigkeit (mit der Möglichkeit, Unmöglichkeit) zu den »Verträglichkeits-Relationen« (Grundl. d. Log. S. 37). – Nach SIGWART erhält die Denknotwendigkeit »ihren eigenen Charakter zuletzt von der Einheit des Selbstbewußtseins« (Log. I2, 243). Zu aller logischen Notwendigkeit ist zuletzt »ein seiendes denkendes Subject, dessen Natur es ist, so zu denken« vorauszusetzen (l.c. S. 262). Etwas als notwendig erkennen heißt »es als Folge von etwas erkennen, das stetig und allgemein gilt« (l.c. S. 257). In jedem mit vollkommenem Bewußtsein ausgesprochenen Urteil wird die Notwendigkeit, es auszusprechen, mitbehauptet (l.c. S. 230 ff.). Es gibt psychologische, logische, reale, mathematische, causale, teleologische, moralische Notwendigkeit (l.c. S. 98 ff., 229 ff., 259 f., 261 ff.). »Indem wir den einzelnen Fall auf ein Wirken zurückführen, erscheint das Verhältnis der Notwendigkeit, in welchem der Grund zu seiner Folge steht, zunächst in Form des Zwanges, den das Object der Wirkung erleidet... Aber indem die logische Entwicklung des Begriffs fortschreitet, vertieft sich auch der Sinn der Notwendigkeit; indem in dem Wesen des Wirkenden und des Leidenden der Grund ihres Verhaltens gesucht wird, verschwindet die Vorstellung des äußeren Zwanges, und die Notwendigkeit erscheint als eine solche, der beide Teile vermöge ihrer Natur gleichmäßig unterworfen sind, als ein innerer Zusammenhang ihrer Wesensbestimmtheit« (l.c. II2, 162). Nach WUNDT ist die Denknotwendigkeit mit der Willensfreiheit (s. d.) wohl vereinbar (s. Denkgesetze). Nach H. RICKERT ist »Urteilsnotwendigkeit« die Notwendigkeit des Sollens, die jedem Urteile eigen ist, durch die wir uns gebunden fühlen (Der Gegenst. d. Erk. S. 61 ff.). SCHUPPE rechnet die Notwendigkeit zum Sein (s. d.) als dessen »Gesetzlichkeit« (Erk. Log. X; Grdz. d. Eth. S. 63 ff.; Log. S. 29 f.). Das »Seiende« als solches ist (implicite) notwendig, aber »die ausdrückliche Behauptung der Notwendigkeit findet nur dann statt, wenn Veranlassung da ist, Zufälligkeit auszuschließen« (Log. S. 64). »Eine Qualität ist als solche der notwendige Vorgänger oder Nachfolger oder Begleiter einer anderen. Es gehört also zu ihrem Sein (Wesen) nicht nur die nennbare positive Bestimmtheit, Farbe etwa und Gestalt und Consistenz, sondern auch dies, daß sie ein Glied in der und der Reihe ist. Zur Denkbarkeit des Seins gehört solche feste Ordnung des Seienden« (l.c. S. 65). SCHUBERT-SOLDERN hält Notwendigkeit für unableitbar; »alles Gegebene erscheint in notwendigen Beziehungen gedacht« (Gr. ein. Erk. S. 230). Notwendigkeit ist eine »Erwartung, die sich an Bedingungen knüpft« (l.c. S. 231). Nach HUSSERL ist subjective Notwendigkeit »der subjective Zwang der Überzeugung, welcher jedem Urteil anhaftet«. Apodiktische Notwendigkeit ist das eigenartige Bewußtsein, »in dem sich das einsichtige Erfassen eines Gesetzes oder des Gesetzmäßigen constituiert« (Log. Unt. I, 134). Die unbedingte Geltung der Denkgesetze, der »logische Absolutismus«, ist zu betonen (l.c. I, 141). »Objective Notwendigkeit überhaupt bedeutet nichts anderes als objective Gesetzlichkeit, bezw. Sein auf Grund objectiver Gesetzlichkeit« (l.c. II. 235; vgl. S. 246). – M. PALAGYI bemerkt: »Eine jede Tatsache ist notwendig, und es gibt nirgends irgendwelche zufällige Tatsachen. Mit der Notwendigkeit einer jeden Tatsache ist aber nur so viel gemeint, daß, wenn wir[744] fähig wären, den unendlichen Raum und die unendliche Zeit mit einem Blick zu umfassen, uns solche törichte Gedanken, ob dieses alles auch anders sein könnte, gar nicht kommen würden.« In der Natur herrscht eine unwandelbare Ordnung, eine ewige Gesetzmäßigkeit (Die Log. auf d. Scheidewege S. 152 ff.). – J. ST. MILL (u. a.) kennt nur empirisch fundierte, inductive, psychologisch begründete Notwendigkeit (s. Axiom). Nach LIPPS ist uns Notwendigkeit ursprünglich »nur als Inhalt des Selbstgefühls« gegeben (ähnlich J. WOLFF). »Eine Nötigung, die niemand fühlt, ist wie der Ton, den niemand hört« (Grundt. d. Seelenleb. S. 430). Vgl. A priori, Axiom, Causalität, Evidenz Determinismus, Willensfreiheit, Prädestination, Fatalismus, Ontologismus.
Buchempfehlung
Die schöne Böhmin Bozena steht als Magd in den Diensten eines wohlhabenden Weinhändlers und kümmert sich um dessen Tochter Rosa. Eine kleine Verfehlung hat tragische Folgen, die Bozena erhobenen Hauptes trägt.
162 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro