[763] Willensfreiheit bedeutet: 1) metaphysisch, die Freiheit (s. d.), Unabhängigkeit des Willens von jedweder zwingenden, beeinflussenden Causalität überhaupt (absoluter Indeterminismus), von äußeren und inneren Ursachen in dem Sinne, daß der Wille als constante Fähigkeit des Wollens einen Kern enthält, der nicht Product, Wirkung irgend welcher (endlicher) Factoren ist (relativer Indeterminismus). 2) ethisch, die Fähigkeit, sinnliche und andere Triebe durch vernünftig-ethische, sociale Motive zu beherrschen, äußeren und inneren Verlockungen, Anreizungen, Regungen zu widerstehen. 3) psychologisch, die Fähigkeit des selbständigen, persönlichen, überlegten besonnenen Wollens und Handelns und die dadurch bedingte Unabhängigkeit von äußeren und inneren »zufälligen« Momentanreizen (Wahlfreiheit). Der Mensch und sein Handeln ist zunächst frei, sofern und weil er willensfähig ist. Der Wille ist das subjective Princip aller Freiheit, das die Freiheit im Menschen Constituierende. Schon mit jedem Wollen (Streben) als solchem ist ein gewisser Grad von »Freiheit« (der Umwelt gegenüber) gegeben, nicht bloß dem Menschen, sondern, in verschiedenem Maße, allem Seienden. Durch die Entwicklung des Strebens zum verständigen und vernünftigen Willen wird das Streben selbst frei, d.h. das Wollen erhält feste Richtung, entstammend der selbsteigenen Zielstrebigkeit. durch Fremd- und Selbsterziehung emancipiert sich der Wille von allen seine »wahre Meinung« (den »Grundwillen«) störenden Einflüssen, auch von denen der Partialstrebungen selbst. Das Wollen, welches einheitlichselbstgesetzte Zwecke als Motive gelten läßt, ist wahrhaft frei. Die Motive (s. d.) sind nichts Selbständiges, sondern schon Momente des Willensvorgangs selbst. Volle Willensfreiheit ist ein Ideal, das dauernd von keinem endlichen Wesen je erreicht wird. anderseits ist kein Wesen absolut unfrei, da es ein (relativ) selbständiges Kraftcentrum darstellt. Die erste Stufe der Freiheit ist: Tun-können, was man will. die zweite: Wollen-können, was der Grund- oder Selbst-Wille, Vernunftwille, die (ethische) Persönlichkeit wahrhaft will, wovon sie weiß, daß sie es tun und wollen sollte (s. Sollen). Das freie Handeln ist, insofern es vernünftig-teleologisch ist, zugleich gesetzmäßig, nur befolgt es seine eigene (geistig-sittliche) Gesetzmäßigkeit, deren Realisation dann in den Rahmen der Naturgesetzmäßigkeit fällt. Auf der sittlichen Freiheit beruht die sociale Zurechnung (s. d.) und Verantwortlichkeit.
Zwischen einem mehr oder weniger strengen Indeterminismus (a. d.) einerseits und einem strengen Determinismus (s. d.) anderseits gibt es verschiedene Mittel-Ansichten bezüglich der Art und des Maßes der Willensfreiheit.
Die antike Philosophie kennt nur den Begriff einer ethisch-psychologischen [763] Freiheit, teilweise mit Hinneigung zum strengen Determinismus. Über die Upanishads vgl. Deussen, Allg. Gesch. d. Philos. I 2, 188 ff.. über die griechische Philosophie: Trendelenburg, Notwend. u. Freih. in d. griech. Philos., Histor. Beitr. zur Philos. II, 113 ff. – Nach SOKRATES ist frei, wer vernünftigsittlich handelt (Xenoph., Memor. IV, 5). Der von den Begierden Gefesselte ist nach PLATO unfrei (Phaed. 81 B). Der Mensch ist verantwortlich (aitia helomenou, Rep. X, 617 E). Wer eine schlechte Seele hat, handelt schlecht, wer eine gute, gut (Repr. I, 353. vgl. über Präexistenz X). Nach ARISTOTELES ist unfrei das von außen erzwungene und das unwissentliche Handeln (dokei de akousia einai ta bia ê di' agnoian gignomena, Eth. Nic. III 1, 1110 a). Freiwillig wird getan, was mit Bewußtsein getan wird (legô d' hekousion men ..., ho an tis tôn eph' hautô ontôn eidôs kai mê agnoôn prattê, l. c. V 10, 1135 a 24). Freiwillig handeln heißt, aus sich selbst handeln, selbst das Princip des Handelns sein (ontos d' akousiou tou bia kai di' agnoian, to hekousion doxeien an einai hou hê archê en autô eidoti ta kath' hekasta en hois hê praxis, l. c. III 3, 1111a 20 squ.). Der freie Mensch ist die Quelle seiner Taten (anthrôpos – archê tôn praxeôn, l. c. III 5, 1112 b 31). Nicht jeder, der hekousion handelt, hat auch Wahlfreiheit (l. c. III 4, 1111 b 8). Wir können proaireisthai tagatha ê ta kaka (l. c. III 4, 1112 a 1). eph' hêmin dê kai hê aretê, homoiôs de kai hê kakia (l. c. III 7, 1113b. vgl. hingegen Diog. L. VII, 149. vgl. Kastil, Zur Lehre von d. Willensfreih. in d. Nikomach. Eth. 1901). Die Stoiker suchen ihren metaphysischen Determinismus (vgl. Plut., Peri heimarm. 11) (s. Notwendigkeit, Schicksal) mit einem ethisch – psychologischen (relativen) Indeterminismus zu vereinbaren. Sie unterscheiden das, was wir in unserer Gewalt haben, von dem außer uns Notwendigen (Cicer., De fato 16, 36). Frei ist, wer das erstere tut, und zwar um so freier, je vernünftiger, weiser, affectbeherrschender er ist (monon t' eleutheron sei der Weise, tous de phaulous doulous. einai gar tên eleutherian autopragias, tên de douleian sterêsin autopragias, Diog. L. VII 1, 121). (Nach EPIKTET besteht das eph' hêmin besonders auch in der chrêsis tôn phantasiôn, Fragm. 169). CICERO erklärt: »Ad animorum motus voluntarios non est requirenda externa causa. motus enim voluntarius eam naturam in se ipse continet, ut sit in nostra potestate nobisque pareat, nec id sine causa« (De fato 24). Auch das ist Freiheit, sich (durch synkatathesis, s. d.) dem Weltlauf zu fügen: »Ducunt volentem fata, nolentem trahunt« (SENECA, Ep. 107). Die Epikureer betonen neben der strengen Naturcausalität die Freiheit des Willens (to par' hêmin adespoton. vgl. Diog. L. X, 133). Das vernünftige Handeln ist frei (vgl. Cic., Acad. II, 30. De nat. deor. I, 25. De fato 10, 21. Gomperz, Neue Bruchst. Epik. S. 11. vgl. LUCREZ: »sua cuique voluntas principium dat, et hinc motus per membra rigantur«, De rer. nat. II, 260. »esse in pectore nostro quiddam quod contra pugnare obstareque possit«, l. c. 274 squ.). Nach PLOTIN ist das vernünftige Handeln frei. »Wenn nun die Seele, durch äußere Einflüsse bedingt, etwas tut und betreibt, wie einem blinden Anstoß gehorchend, dann darf man weder ihre Tat noch ihren Zustand freiwillig nennen. Wenn sie dagegen der Vernunft als dem reinen leidenschaftslosen und eigentlichen Führer in ihrem Wollen folgt, so ist ein solcher Wille allein als frei und selbständig zu bezeichnen, so ist dies unsere Tat, die nicht von anderswoher kam, sondern von innen, von der reinen Seele« (Enn. III, 1, 9. vgl. III, 2, 10). Grundlose Willkür aber gibt es nicht (kai gar to ta antikeimena dynasthai adynamias esti, l. c. VI, 8, 21). Im Intelligiblen war die Seele absolut frei[764] (l. c. VI, 4. 8). »Ohne Körper ist sie ihre eigenste Herrin, frei und außerhalb der kosmischen Ursache. aus ihrer Bahn in den Körper hinabgezogen, ist sie nicht mehr in allen Stücken ihre eigene Herrin, da sie ja mit andern Dingen zu einer Ordnung verbunden ist« (l. c. III, 1, 8). – Nach ALEXANDER VON APHRODISIAS ist das Zustimmen (die synkatathesis) in unserer Gewalt (Quaest. II, 207 Spr.). Indeterminist ist auch SIMPLICIUS (vgl. Siebeck, Gesch. d. Psychol. I 2, 352 f.).
Die Freiheit des Willens lehren JUSTINUS, NEMESIUS, GREGOR VON NYSSA (die proairesis ist adoulôton ti chrêma kai autexousion en tê eleutheria tês dianoias keimenon, vgl. Siebeck, G. d. Psychol. I 2, 380), ORIGENES (freie Willensentscheidung schon im Intelligiblen), PELAGIUS (Freiheit ist, wo »facultas per rationem eligendi. Liberum arbitrium est nobis semper unum ex duobus eligere, cum semper utrumque possamus«. vgl. F. Mach, Die Willensfreih. d. Mensch., 1887, S. 250 ff.. K. Klein, Die Freiheitslehre d. Origenes, 1894), CLEMENS ALEXANDRINUS (oute de hoi epainoi, oute hoi psogoi, outh' hai kolaseis dikaiai, mê tês psychês echousês tên exousian tês hormês kai aphormês, Strom. I, 17). – Die absolute Willensfreiheit besaß nach AUGUSTINUS der Mensch nur vor dem Sündenfall Adams. Diese Freiheit hat der Mensch eingebüßt. Doch ist das Handeln insofern frei, als der Wille selbst ein Vermögen des Sichentscheidens ist (»nihil tam in nostra potestate, quam ipsa voluntas est«, De lib. arb. I, 12. III, 3. III, 25. De grat. et lib. arb. 3). »Moveri per se animum sentit, qui sentit in se esse voluntatem. Nam si volumus, non alius de nobis vult. Et iste motus animae spontaneus est. hoc enim ei tributum est a Deo« (De div. 83, 8). Mit einem gewissen metsphysischen (theologischen) Determinismus wird ein psychologischer Freiheitsbegriff verbunden. Zuletzt ist alles Handeln vom göttlichen Willen abhängig. SCOTUS ERIUGENA bemerkt: »Ubi rationabilitas, ibi necessario libertas« (De praed. 8, 5).
In der Scholastik herrscht die Neigung zum absoluten Indeterminismus oder zum »liberum arbitrium indifferentiae« (s. d.) vor. Die Willensfreiheit lehren SAADJA, MAIMONIDES (vgl. M. Eisler, Jüd. Philos. I, 31 ff.), ANSELM, ABAELARD, ALEXANDER VON HALES, BERNHARD VON CLAIRVAUX (»Ubi voluntas, ibi libertas«. der Wille wird vom Intellect nur geleitet, De grat. et lib. arb. 1, 2. 2, 3. 3, 67). Das »liberum arbitrium« (s. d.) lehrt ALBERTUS MAGNUS, der »libertas consilii, complaciti, coactionis« unterscheidet (Sum. th. II, 16, 2). »Liberum dicimus hominem, qui causa sui est et quem aliena potestas ad nihil cogere potest« (l. c. II, 16, 1). THOMAS bemerkt: »Moveri voluntarie est moveri ex se, id est a principio intrinseco« (Sum. th. I, 105). »Liberum est, quod sui causa est« (Contr. gent. II, 48, 2. vgl. Sum. th. I, 83, 1). Als Vernunftwesen ist der Mensch frei. »intellectus movet voluntatem – per modum finis«, »proponendo sibi suum obiectum, quod est finis« (Sum. th. I, 82, 3. Contr. gent. I, 72). frei handeln ist also hier so viel wie aus vernünftiger Einsicht handeln. Der Wille hat die Neigung zu einem Gegenstande in seiner Gewalt (»habet in potestate ipsam inclinationem – determinatur a se ipsa«, De ver. 22, 4). »Homo est dominus suorum actuum et volendi et non volendi propter deliberationem rationis, quae potest flecti« (Sum. th. II. I, 109, 2). Nach dem Guten strebt der Wille naturgemäß, er ist aber frei in der Wahl der Mittel. Absolut frei, über den Intellect, unabhängig von allen Bestimmungsgründen ist der Wille (s. d.) nach DUNS SCOTUS. Der Wille kann selbstmächtig Motive zur Geltung bringen (vgl. über den absolut freien göttlichen Willen, In l. sent. 1, d. 1 squ..[765] d. 8, qu. 5. II, d. 1, qu. 2), er ist nicht causal bedingt, er kann sich zum Entgegengesetzten entschließen (»voluntas libera est ad oppositos actus,« In l. sent. 1, d. 39, qu. 5, 15). »Nihil aliud a voluntate est causa totalis volitionis in voluntate« (l. c. 2, d. 25, qu. 1). »Non autem bonitas aliqua obiecti causat necessario assensum voluntatis, sed voluntas libere assentit cuilibet bono« (l. c. 1, d. 1, qu. 4, 16). »Voluntas imperans intellectui est causa superior respectu actus eins. Intellectus dependet a volitione« (l. c. 4, d. 49, qu. 4). Ahnlich, aber milder (schon vorher HEINR. VON GENT, RICHARD VON MIDDLETON) lehrt PETRUS AUREOLUS (In l. sent. I). Nach DURAND VON ST. POURÇAIN ist der Wille als mit dem Intellecte einheitlich verbunden frei (In l. sent. II, 24. vgl. I, 4). Nach PIERRE D'AILLY ist die Freiheit »potentia intellectiva et volitiva sui effectus productiva contingenter« (De an. 7, 4. vgl. auch JOH. GERSON, MARCELIUS DE INGHEN). WILHELM VON OCCAM erklärt: »Voco libertatem potestatem, qua possum indifferenter et contingenter effectum ponere, ita quod possum eundem effectum causare et non causare« (Quodl. 1, qu. 16). HEINRICH GÖTHALS bestimmt: »In hoc consistit ratio libertatis, quod nulla coactio potest impedire, quin in bonum vergat, si velit« (Quodl. 3, qu. 17). Die Freiheit besteht im Handeln »per electionem, sequendo indicium rationis, secundum proprium appetitum« (l. c. 3, qu. 16). Die Wahlfreiheit, ethische Freiheit betont J. BURIDAN. der Wille bedarf der Erkenntnis (Eth. III, 2 squ.). Ob der Wille sich für das Entgegengesetzte zugleich entscheiden kann, ist nicht zu entscheiden. Der »Esel des Buridan« (in Buridans Schriften wird er nicht erwähnt), der, zwischen zwei gleichen Heubündeln in der Mitte stehend, verhungern müßte, da keines seinen Willen mehr determinieren kann als das andere, ist »vielleicht nur ein (von ihm in seinen mündlichen Vorträgen oder von einem seiner Schüler) besonders drastisch gewähltes Beispiel zur Erläuterung seiner Ansicht von der Unfreiheit der Tiere im Gegensatz zu der Wahlfreiheit des Menschen« (Siebeck, Zeitschr. f. Philos. Bd. 112, S. 204. schon bei ARISTOTELES kommt vor: logos – tou peinôntos kai dipsôntos sphodra men homoiôs de kai tôn edôdimôn kai potôn ison apechontos. kai gar touton êremein anankaion, De coel. II 13, 295 b 33. ferner bei DANTE: »Intra duo cibi distanti e moventi – D'un modo, prima si morria di fame, – Che liber' uomo l'un recasse a' denti« (Paradiso IV). Die Willensfreiheit betont SUAREZ (Met. disp. 19). Vgl. L. VIVES, De anim. II, 98 ff.
Einen theologischen Determinismus vertreten ZWINGLI, CALVIN (s. Prädestination), LUTHER (vgl. Tischred.). »Si Deus volens praescit, aeterna est et immobilis – quia natura – voluntas, si praesciens vult, aeterna est et immobilis – quia natura – scientia. Ex quo sequitur irrefragabiliter, omnia, quae fiunt, etsi nobis videntur mutabiliter et contingenter fieri, re vera tamen fiunt necessario et immutabiliter, si dei voluntatem spectes« (De servo arbitr., Opp. VII, 1873, C. 17, p. 134).
Nach DESCARTES widerstreitet die Willensfreiheit nicht dem Wirken Gottes auf den Menschen (Medit. IV, 36 squ.. Princ. philos. I, 40 f.). Die Wahlfreiheit ist eine unzweifelhafte Tatsache. »Quod autem sit in nostra voluntate libertas, et multis ad arbitrium vel assentiri vel non assentiri possimus, adeo manifestum est, ut inter primas et maxime communes notiones, quae nobis sunt innatae, sit recensendum« (Princ. philos. I, 39). Der Wille kann seine Entscheidung, Zustimmung (»assensio«) zu einem (Denk-)Acte suspendieren, bis er durch eine klare und deutliche Erkenntnis sich leiten lassen kann.[766] »Quippe cum voluntas nostra non determinatur ad aliquid vel persequendum vel fugiendum, nisi quatenus ei ab intellectu exhibetur tanquam bonum vel malum, sufficit, si semper recta indicemus, ut recte faciamus« (De meth. p. 24). »rei cogitantis voluntas fertur voluntarie quidem et libere (hoc enim est de essentia voluntatis) sed nihilo minus infallibiliter in bonum sibi clare cognitum« (App. ad med. ax. 7. vgl. Resp. ad obiect. Vl, 6). Nach MALEBRANCHE ist der Mensch frei, insofern er kann »suspendre son jugement et son amour« (Rech. I, 1, 2). Die »inclinations naturelles« sind »volontaires«, aber nicht im Sinne der »liberté d'indifférence« (l. c. I, 1, 1). – Einen metaphysischen Determinismus, verbunden mit dem ethischen Freiheitsbegriff, lehrt SPINOZA. Frei sein heißt nur, aus der Notwendigkeit der eigenen Natur selbsttätig handeln. »Ea res libera dicetur, quae ex sola suae naturae necessitate existit et a se sola ad agendum determinatur« (Eth. I, def. VII). In diesem Sinne handelt Gott (s. d.) frei und zugleich notwendig. »Deus ex solis suae naturae legibus et a nemine coactus agit« (l. c. prop. XVII). »Sequitur solum Deum esse causam liberam« (l. c. coroll. II). Aber: »Res nullo alio modo neque alio ordine a Deo produci potuerunt, quam productae sunt« (l. c. I, prop. XXXII, coroll.). Der menschliche Wille ist determiniert wie jeder Modus (s. d.) der göttlichen Substanz. »Voluntas non potest vocari causa libera, sed tantum necessaria« (l. c. I, prop. XXXII). Denn der Wille bedarf wie alles Geschehen einer Ursache, »a qua ad operandum certo modo determinatur« (l. c. coroll. 2). Alles in der Welt ist »ex necessitate divinae naturae determinata... ad certo modo existendum et operandum« (l. c. II, prop. XXIX). Es gibt keine absolute Willensfreiheit, jeder Act ist determiniert durch eine Kette von Ursachen. »In mente nulla est absoluta sive libera voluntas, sed mens ad hoc vel illud volendum determinatur a causa, quae etiam ab alia determinata est et haec iterum ab alia, et sic in infinitum« (l. c. II, prop. XLVIII). »In mente nulla datur volitio sive affirmatio et negatio praeter illam, quam idea, quatenus idea est, involvit« (l. c. prop. XLIX). Nur weil wir uns der Beweggründe oft nicht bewußt sind, dünken wir uns frei (l. c. II, prop. II, schol.. so mußte auch ein geworfener Stein sich frei glauben. »Nempe falluntur homines, quod se liberos esse putant, quae opinio in hoc solo consistit, quod suarum actionum sunt conscii et ignari causarum, a quibus determinantur« (l. c. II, prop. XXXV, schol.). Sittlich frei ist, »qui ratione ducitur«, im Gegensatze zu dem, »qui solo affectu seu opinione ducitur« (l. c. IV, prop. XLVI, schol.). Frei werden wir, indem wir unsere Affecte (s. d.) beherrschen, in klare und deutliche Bewußtseinszustände erheben (l. c. V, prop. III).
Determinist ist auch HOBBES. Alles geschieht ursächlich, so auch das Wollen. Das Handeln entspringt aus der Natur des Menschen (De hom. XI, 2. De corp. 25, 13). Die »voluntary actions« sind »necessitated« (Treat. of lib. p. 312. De libert. 1750, p. 483). Nicht das Wollen, das Handeln ist frei insofern es unbehindert aus dem Wollen entspringt. die Menschen haben »facultatem non quidem volendi, sed quae volunt faciendi« (De corp. G. 25, 12). Ähnlich lehrt teilweise LOCKE. »Jeder findet in sich eine Kraft, einzelne Handlungen zu beginnen oder zu unterlassen, fortzusetzen oder zu beenden, aus der Betrachtung des Umfanges dieser Seelenkraft über das menschliche Handeln, die jeder in sich bemerkt, entspringen die Vorstellungen der Freiheit und Notwendigkeit« (Ess. II, ch. 21, § 7). Frei ist der Mensch, insofern er »die Kraft hat, je nachdem seine Seele es vorzieht oder bestimmt, zu denken oder nicht zu[767] denken, zu bewegen oder nicht zu bewegen« (l. c. § 8). Die Freiheit gehört nicht eigentlich dem Wollen, sondern denn Menschen, als Wahlfähigkeit, an (l. c. § 10). »Ein Mensch kann das, was er vermag, dem, was er nicht vermag, und seinen gegenwärtigen Zustand jeder Veränderung vorziehen« (l. c. § 11). »Soweit man die Macht hat, einen Gedanken nach der Wahl der Seele aufzunehmen oder zu beseitigen, ist man frei« (l. c. § 12). Im Wählen wirkt die Seele (l. c. 19). Freiheit ist Fähigkeit, zu tun, was man will (l. c. § 21), aber der Mensch muß notwendig eins oder das andere wollen (l. c. § 23). Die Freiheit besteht nur »in der Abhängigkeit des Seins oder Nichtseins einer Handlung von ihrem Wollen« (l. c. § 27). Motiv für das Verharren in demselben Zustand ist die darin liegende Befriedigung, Motiv zur Änderung des Zustandes ein Unbehagen (uneasiness) (l. c. § 29). Dem stärksten Gefühlsimpulse wird immer gehorcht. der Wille wird durch das drückendste Unbehagen bestimmt (l. c. § 40). Im besten Sinne frei sind wir, wenn wir urteilend handeln (l. c. § 48). Ähnlich lehrt CONDILLAC (Diss. sur la libert. § 18). Als Handlungsfreiheit bestimmt die Willensfreiheit auch HUME: »Freiheit ist nichts als die Macht, zu handeln oder nicht zu handeln, je nach dem Beschluß des Willens« (»a power of acting or not acting, according to the determination of the will«, Inqu. VIII, sct. 1). Gleiche Beweggründe führen zu den gleichen Handlungen, so daß eine Statistik möglich ist. »Thus it appears tbat the conjunction between motives and voluntary actions is as regular and uniform as that between the cause and effect in any part of nature« (Ess. on liberty). Das Freiheitsbewußtsein ist nur der (unberechtigte) Glaube, wir hätten anders handeln können. Wer alle Umstände, geheime Triebfedern, Charakter kennt, erkennt die Bestimmtheit des Wollens (Inquir. VIII, sct. 1). Nach HARTLEY ist eine Handlung frei, die dem Willen entspringt (Observ. I, 34 f., 150, 193). Für eine Illusion erklärt die Willensfreiheit in streng deterministischer Weise PRIESTLEY. Der Wille ist wie alles andere durch die Naturgesetze determiniert (The doctr. of philos. necess.2, 1782, p. 7 ff., 13). »Without a miracle or the intervention of some foreign cause, no volition or action of any man could have been otherwise, than it has been.« »Though an inclination or affection of mind be not gravily, it influences me and acts upon me as certainly and necessarily, as this power does upon a stone« (l. c. p. 26, 37). Ähnliche Argumente wie bei Hume werden vorgebracht. »A man indeed, when he reproaches himself for any particalar action in his passed conduct, may fancy that, if he was in the same situation again, he would have acted differently. But thio is a mere deception. and if he examines himself strictly, and takes in all circumstances, he may be satisfied that, with the same inward disposition of mind, and with precisely the same view of things, tbat he had then, and exclusive of all others, that he has required by reflection since, he could not have acted otherwise than he did« (l. c. p. 90 ff.). Frei ist das Handeln, das als das unsere erscheint (l. c. p. 17). VOLTIRE erklärt: »Etre véritablement libre, c'est pouvoir. Quand je peux faire ce que je veux, voilà ma liberté. mais je veux nécessaire ce que je veux« (Le philos. ignor. XIII, 70).»Une boule, qui en pousse une autre... n'est pas plus invinciblement déterminée que nous le sommes à tout ce que nous faisons« (Princ. d'action, ch. 13). »Toutes les fois que je veux, ce ne peut être qu'en vertu de mon jugement bon ou mouvais. ce jugement est nécessaire, donc ma volonté l'est aussi« (Philos. ignor. XIII, p. 70). »Nous suivons irrésistiblement notre dernière idée« (l. c. p. 71). »Tout ce qui ce fait est absolument nécessaire« (l. c. p. 72. vgl. Dict. philos.,[768] art. Franc Arbitre, Destin). ROUSSEAU bemerkt: »L'impulsion du seul appétit est l'esclavage, et l'obéissance à la loi qu'on s'est préscrite est la liberté« (Contr, social I, 8). HOLBACH ist strenger Determinist: »La volonté... est nécessairement déterminée par la qualité bonne ou mauvaise de l'objet ou du motif... Nous agissons nécessairement. Notre action est une suite de l'impulsion que nous avons reçue de ce motif« (Syst. de la nat. I, ch. 11, p. 186 ff.). – Nach BONNET ist der Mensch ein moralischer Automat (Ess. ch. 48). Die Freiheit besteht in der Willensfähigkeit selbst (l. c. ch. 42). Es gibt eine Wahlfreiheit. »La volonté est... active: elle préfère un objet à un autre objet. L'âme n'est pas bornée dqt simple sentiment qui résulte en elle de l'impression de différens objets sur les organes. mais elle se détermine pour celui de ces objets dont l'action est le plus dans le rapport qui fait le plaisir« (Ess. anal. XII, 148). »L'effet de cette détermination de l'âme, l'acte par lequel s'exécute cette volonté particulière, font un effet, un acte de liberté« (l. c. XII, 149) »La liberté est donc, en général, la faculté par laquelle l'âme exécute la volonté« (l. c. XII, 149). Die Freiheit ist »cette force motrice que l'âme déploie au gré de sa volonté sur les organes et par ses organes sur tant d'objets divers«. (l. c. XII, 150). FERGUSON erklärt, die Bestimmung sei frei, »wenn sie nach unseren eigenen Vorstellungen von dem, was gut oder böse sei, geschieht«. »Die Bewegungsgründe, um deren willen wir wählen, heben unsere Freiheit nicht auf: denn aus Bewegungsgründen, die uns nicht aufgezwungen worden, handeln, etwas gerne, freiwillig tun oder frei sein, sind gleichbedeutende Redensarten« (Grdz. d. Moralphilos. S. 70). Den theologischen Determinismus lehrt J. EDWARDS (Treat. on the will, 1754). – Vgl. D'ALEMBERT, Mel. DESTUTT DE TRACY bestimmt die Freiheit als »la puissance d'exécuter sa volonté, d'agir conformément à son désir« (Elém. d'idéol. IV, p. 108).
Einen vermittelnden Standpunkt nimmt LEIBNIZ ein. Freiheit ist zunächst Spontaneität. »Libertas est spontaneitas intelligentis« (Gerh. VII, 108. vgl. IV, 354 ff.). Freiheit ist Leitung des Willens durch die Vernunft: »Eo magis est libertas, quo magis agitur ex ratione« (Erdm. p. 669). Alles hat seinen zureichenden Grund, so auch das Handeln. Der Wille ist motiviert, aber inneren, zum Teil unbewußt bleibenden Impulsen gemäß (Erdm. p. 761 b. vgl. p. 517) und die Motive zwingen nicht, inclinieren nur (»incliner sans nécessiter,« »nécessité morale« Theod. § 230, 288, Erdm. p. 590 a. Nouv. Ess. II, 8, Erdm. p. 252 b). Die Wahl des Besten begründet die Freiheit Gottes (Erdm. p. 763 b). je besser der Wille, desto mehr neigt er dem Guten zu (Theod. § 230). In den Motiven ist schon der Geist selbst wirksam. Eine große Anzahl von Motiven wirkt in uns zusammen. immer folgt der Wille den stärksten Motiven, es gibt keine Indifferenz, da immer ein überwiegender Grund besteht (Theod. § 45, 49. vgl. Monadol. 79, 36). Ähnlich lehrt CHR. WOLF: »Quoniam sine motivis nec volitio nec nolitio in anima datur atque ex motivis intelligitur, cur id potius velimus quam non velimus et id potius nolitur quam non nolimus, anima se ad volendum ac nolendum determinat motivis suis convenienter«. »antequam obiectum appetit vel aversatur idem cognoscere studet [anima] quodque sibi placere deprehendit et quod plurium possibilium maxime placet, id eligit, sponte ac lubenter, per essentiam ad volitiones hasce ac nolitiones minime determinata« (Psychol. empir. II, sct. II, C. 2). Freiheit ist »facultas ex pluribus possibilibus sponte eligendi, quod ipsi placet, cum ad nullum eorum per essentiam suam determinata sit« (l. c. § 94. vgl. § 889 ff., 931. Psychol. rational.. Philos. pract. I, § 12). Nach[769] BAUMGARTEN ist die Freiheit »facultas volendi nolendive pro libitu suo« (Met. § 719, 529). BILFINGER definiert Freiheit als »facultatem, qua positis omnibus ad agendum requisitis agere et non agere quis potest, agere hoc vel aliud« (Dilucid. § 301). MENDELSSOHN erklärt: »Das Vermögen der Seele, die Bewegungsgründe für und wider eine Handlung zu vergleichen und sich nach dem Resultat dieser Vergleichungen zu entschließen, wird die Freiheit genannt« (Philos. Schr. II, 63). Nach PLATNER ist Freiheit »in den geistigen Wirkungen vernünftiger Wesen, wiefern sie beruhen auf Willkür und Selbständigkeit« (Philos. Aphor. I, § 1004). »Mit einigen Seelenwirkungen ist verbunden 1) die Vorstellung ihrer Zufälligkeit. 2) das Bewußtsein unserer Selbsttätigkeit, als ihre Ursache. Beides zusammen ist das Gefühl der Freiheit« (l. c. II, § 512 ff.).
Die Willensfreiheit im indeterministischen Sinne lehrt H. MORE. Ferner CLARKE (5. Entgegn. auf Leibn.), PRICE, W. KING (De orig. mali), REID. Freiheit ist eine Art der Spontaneität, Macht über das Wollen: »By the liberty of a moral agent, I understand a power over the determinations of his own will« (Ess. on the pow. III, 264), BEATTIE (On truth II, 3. Ess. p. 191 ff.) u. a. Nach TETENS ist Freiheit »ein Vermögen, das nicht zu tun, was man tut, oder es anders zu tun, als man es tut« (Philos. Vers. II, 5). Der Wille selbst ist nicht determiniert, aber dessen Äußerungen sind bestimmt (l. c. II, 59, 64, 143). Liberum arbitrium indifferentiae lehrt CRUSIUS (Vernunftwahrh. § 450 ff.. Anl. S. 26, 48).
KANT verbindet den empirisch-phänomenalen (psychologischen) Determinismus mit einem ethisch-metsphysischen Indeterminismus. Zunächst einige begriffliche Bestimmungen der Freiheit. Frei ist die Handlung, welche »iis rationibus determinatur, quae motiva intelligentiae suae infinitae, quatenus voluntatem certo certius inclinant, includunt, non a caeca quadam naturae efficacia proficiscuntur« (WW. I, 382 ff.). Freiheit ist (praktisch) negativ Unabhängigkeit von den Antrieben der Sinnlichkeit, positiv Selbstbestimmung seitens der Vernunft, des vernünftigen Willens. »Die Freiheit der Willkür ist jene Unabhängigkeit ihrer Bestimmung durch sinnliche Antriebe. Dies ist der negative Begriff derselben. Der positive ist: das Vermögen der reinen Vernunft, für sich selbst praktisch zu sein« (WW. VII, 11. Krit. d. rein. Vern. S. 429). Frei ist »ein Wille, dem die bloße gesetzgebende Form der Maxime allein zum Gesetze dienen kann« (WW. V, 30). »In der Unabhängigkeit nämlich von aller Materie des Gesetzes (nämlich eines begehrten Objects) und zugleich doch Bestimmung der Willkür durch die bloße allgemeine gesetzgebende Form, deren eine Maxime fähig sein muß, besteht das alleinige Princip der Sittlichkeit. Jene Unabhängigkeit aber ist Freiheit im negativen, diese eigene Gesetzgebung eben der reinen und als solchen praktischen Vernunft ist Freiheit im positiven Verstande« (l. c. S. 35). Im »kosmologischen« Sinne ist Freiheit »das Vermögen, einen Zustand von selbst anzufangen, deren Causalität also nicht nach dem Naturgesetze wiederum unter einer andern Ursache steht, welche sie der Zeit nach bestimmte. Die Freiheit ist in dieser Bedeutung eine rein transcendentale Idee, die erstlich nichts von der Erfahrung Entlehntes enthält, zweitens deren Gegenstand auch in keiner Erfahrung bestimmt gegeben werden kann« (Krit. d. rein. Vern. S. 428 f.). Die Ethik fordert aber die Freiheit, und so muß sie angenommen werden. Wie ist aber eine solche Freiheit möglich, da doch der Satz der Causalität (s. d.) a priori für jede mögliche Erfahrung gilt? Deswegen, antwortet Kant, weil eben Erfahrungsobjecte nur Erscheinungen, Sinnendinge sind, über diese hinaus hat die (Natur-)Causalität keine Geltung. so kann der Mensch als Sinnenwesen[770] im Handeln determiniert und als Vernunftwesen, »causa noumenon« (»intelligibler Charakter«, s. d.), doch frei sein. und so wird die Antinomie (s. d.) gelöst. »Ist... Naturnotwendigkeit bloß auf Erscheinungen bezogen und Freiheit bloß auf Dinge an sich selbst, so entspringt kein Widerspruch, wenn man gleich beide Arten von Causalität annimmt oder zugibt« (Prolegom. S. 128. Üb. d. Fortschr. d. Met. S. 135). Als intelligibel ist jede Causalität als Handlung eines Dinges an sich selbst, als sensibel nach den Wirkungen derselben in der Sinnenwelt zu betrachten (Krit. d. rein. Vern. S. 432). »Die Wirkung kann in Ansehung ihrer intelligiblen Ursache als frei und doch zugleich in Ansehung der Erscheinungen als Erfolg aus denselben nach der Notwendigkeit der Natur angesehen werden« (l. c. S. 331). Als Erscheinung ist das Handeln naturgesetzlich bestimmt (l. c. S. 433), als Ding an sich ist der Wille frei (ib.), unabhängig vom Einflusse der Sinnlichkeit, so daß er seine Wirkungen in der Sinnenwelt »von selbst« anfängt, ohne daß die Handlung in ihm selbst anfängt (l. c. S. 434). In der Erscheinung sind alle Handlungen des Menschen »aus seinem empirischen Charakter und den mitwirkenden andern Ursachen nach der Ordnung der Natur bestimmt und wenn wir alle Erscheinungen seiner Willkür bis auf den Grund erforschen könnten, so würde es keine einzige mögliche Handlung geben, die wir nicht mit Gewißheit vorhersagen und aus ihren vorhergehenden Bedingungen als notwendig erkennen könnten« (l. c. S. 440 ff.). »Alle Handlungen vernünftiger Wesen, sofern sie Erscheinungen sind, stehen unter der Naturnotwendigkeit. eben dieselben Handlungen aber, bloß respective auf das vernünftige Subject und dessen Vermögen, nach bloßer Vernunft zu handeln, sind frei« (Prolegom. § 53). Der Vernunftbegriff der Freiheit bekommt durch den Grundsatz der Sittlichkeit (s. d.) Realität (Krit. d. prakt. Vern. 1. Tl., 1. B., 3. Hptst.). Das Subject betrachtet sich »als bestimmbar durch Gesetze, die es sich selbst durch Vernunft gibt«, unabhängig von empirischen Ursachen (l. c. S. 118). Insofern kann jedes vernünftige Wesen mit Recht sagen, es hätte eine gesetzwidrige Handlung unterlassen können (ib.). Die freie Wahl des Charakters ist »eine intelligible Tat vor aller Erfahrung« (Relig. S. 40). Die Freiheit ist nicht gesetzlos, sondern Autonomie (s. d.), Selbstgesetzgebung. ein freier Wille ist ein Wille unter sittlichen Gesetzen (Grundleg. zu ein. Met. d. Sitt. 3. Abschn., S. 85 f.). »Ein jedes Wesen, das nicht anders als unter der Idee der Freiheit handeln kann, ist eben darum in praktischer Hinsicht wirklich frei, d. i. es gelten für dasselbe alle Gesetze, die mit der Freiheit unzertrennlich verbunden sind« (l. c. S. 87). »Wir nehmen uns in der Ordnung der wirkenden Ursachen als frei an, um uns in der Ordnung der Zwecke unter sittlichen Gesetzen denken« (l. c. S. 90). »Als ein vernünftiges, mithin zur intelligiblen Welt gehöriges Wesen kann der Mensch die Causalität seines eigenen Willens niemals anders als unter der Idee der Freiheit denken« (l. c. S. 92 ff.).
Von den nachkantischen Philosophen wird zunächst teilweise der Indeterminismus gelehrt, bald metaphysisch, absolut, bald mehr gemäßigt. Nach SCHILLER ist der Wille »als ein übersinnliches Vermögen weder dem Gesetz der Natur noch dem der Vernunft so unterworfen..., daß ihm nicht vollkommen freie Wahl bliebe, sich entweder nach diesem oder nach jenem zu richten«. »Die Gesetzgebung der Natur hat Bestand bis zum Willen, wo sie sich endigt, und die vernünftige anfängt.« Der Wille ist dem Gesetze der Vernunft verbunden, soll seine Motive von ihr empfangen. »Wendet sich nun der Wille wirklich an die Vernunft, ehe er das Verlangen des Triebes genehmigt, so handelt er sittlich.[771] entscheidet er aber unmittelbar, so handelt er sinnlich« (Über Anmut u. Würde, Philos. Schrift. S. 137 f.). LICHTENBERG bemerkt: »Wir wissen mit weit mehr Deutlichkeit, daß unser Wille frei ist, als daß alles, was geschieht, eine Ursache haben müsse« (Bemerk. S. 108). Nach KRUG muß aus ethischen Gründen der Wille frei sein, d.h. »sich unabhängig von den Naturgesetzen des Triebes aus reiner Achtung gegen das Vernunftgebot zur Befolgung desselben selbst bestimmen können«. »Wir glauben... praktisch, daß wir frei sind, ob wir es gleich nicht theoretisch einsehen und beweisen können« (Handb. d. Philos. I, 69 f.). FRIES erklärt: »Freiheit liegt im allgemeinen im Vermögen, wählen zu können, sie ist eine Freiheit oder Autonomie der Willkür« (Handb. d. prakt. Philos. 1818, I, 196). Nach ÜBERWASSER ist die Willensfreiheit »die Unabhängigkeit unserer Seele in ihrem Wollen und Nichtwollen«, »das Vermögen unabhängiger Selbstbestimmung« (Üb. d. Begehrungsverm. S. 173 f.). Nach JACOBI ist die Freiheit eine durch das Gefühl gegebene Tatsache, keine bloße Idee (WW. IV, 2). Nach BOUTERWEK dürfen wir die Willensfreiheit nicht bezweifeln, obgleich wir sie nicht direct begreifen (Lehrb. d. philos. Wissensch. I, 192 f.). »Frei heißt die Spontaneität, wenn sie, obgleich gebunden an die Receptivität, dennoch durch keine andere Kraft bestimmt, als durch sich selbst, einen Zustand des Gemüts von vorn anfängt« (l. c. S. 85. vgl. Apod. II, 108). Einen gemäßigten Indeterminismus vertritt G. E. SCHULZE: »Alle lebenden Wesen sind mit der Fähigkeit versehen, sich von dem Einwirken der Stoffe und Kräfte der äußern Natur auf ihr Sein bis auf einen gewissen Grad unabhängig zu machen und ihren Zustand nach der Beschaffenheit der Umstände, worunter sie sich befinden, aus sich selbst zu bestimmen. Dem Menschen ist diese Fähigkeit in einem viel höheren Grade verliehen, als irgend einem andern lebenden Wesen... Nach den Aussprüchen des Selbstbewußtseins können wir nämlich den auf unsere persönlichen Vorteile sich beziehenden Begierden die Ideen der Vernunft vom sittlich Guten oder das Bewußtsein unserer Pflichten entgegensetzen« (Psych. Anthropol.2, S. 421 f.). »Daß aber ein Mensch bei der Überlegung, ob etwas zu tun oder nicht zu tun sei, das Bewußtsein der Idee vom sittlich Guten und von der Pflicht, wenn es nicht schon in ihm vorhanden ist, erzeugt, dieses Bewußtsein den Begierden entgegensetzt und es durch die Belebung desselben zum Bestimmungsgrunde des Handelns erhebt, ist seine eigene unbedingte Tat, welche daher nicht auf einen davon noch verschiedenen Beweggrund bezogen werden darf und insofern etwas Unbegreifliches ausmacht« (l. c. S. 422 f.). Die Freiheit besteht »aus einem unbegreiflichen Eingreifen des Realgrundes unseres geistigen Lebens vermittelst der Vernunft in das Getriebe unserer geistigen Natur« (l. c. S. 424). Ohne Motive gibt es kein Wollen, im freien Wollen ist der Mensch selbst Ursache, durch seine Vernunft, die Ausübung der Freiheit ist durch die Erkenntnis des Guten und Bösen bedingt (Üb. d. menschl. Erk. S. 79 f.). Nach BIUNDE ist Freiheit »die Eigenmacht des Willens im Subjecte, Selbstmacht des Subjectes im Willen (des Vernunftzweckes)« (Empir. Psychol. II, 441 ff.), »Unabhängigkeit des Willens von Einflüssen auf denselben« (l. c. S. 467). Die menschliche Willensfreiheit ist nur eine relative (ib.), kein grundloses Handeln (l. c. S. 441).
J. G. FICHTE vertritt zuerst den Determinismus (vgl. W. Kabitz, Studien zur Entwicklungsgesch. d. Fichteschen Wissenschaftslehre, Kantstud. VI, 1901, S. 129 ff., 133), nach der Bekanntschaft mit Kant den Indeterminismus (l. c. S. 159). Das Selbstbewußtsein versichert uns unserer Freiheit unmittelbar[772] (Vers. ein. Krit. all. Offenbar. 1. A.). Später erklärt er allerdings: »Einer Freiheit außer mir kann ich mir überhaupt gar nicht unmittelbar bewußt sein, nicht einmal einer Freiheit in mir, oder meine eigene Freiheit an sich ist der letzte Erklärungsgrund alles Bewußtseins und kann daher gar nicht in das Gebiet des Bewußtseins gehören.« Doch gibt es ein Nichtbewußtsein einer Ursache außer dem Ich, und dies ist auch ein Freiheitsbewußtsein (Bestimm. d. Gelehrt. 2. Vorles., S. 19). Das Wollen ist Selbstbestimmung seiner selbst durch sich selbst. Freiheit ist der Grund alles Seins, besteht darin, »daß alles abhängig ist von mir, und nicht abhängig von irgend etwas. da, in meiner ganzen Sinnenwelt geschieht, was ich will« (Syst. d. Sittenlehre S. 304 vgl. S. 8 ff., 58 ff.). »Das Ich, inwiefern es will, gibt als Intelligenz sich selbst das Object seines Wollens, indem es aus den mehreren möglichen eins wählt« (l. c. S. 205. vgl. S. 98). Nach SCHELLING ist die absolute Freiheit »nichts anderes, als die absolute Bestimmung des Unbedingten durch die bloßen (Natur-)Gesetze des Seins, Unabhängigkeit desselben von allen nicht durch sein Wesen selbst bestimmbaren Gesetzen« (Vom Ich, S.. 188. Syst. d. tr. Ideal. S. 438). »Frei ist, was nur den Gesetzen seines eigenen Wesens gemäß handelt und von nichts anderem weder in noch außer ihm bestimmt ist« (WW. I 7, 384). Im Zustande der Präexistenz, vorzeitlich, hat der Mensch sein Wesen frei bestimmt. Diese Entscheidung »fällt außer aller Zeit und daher mit der ersten Schöpfung zusammen. Der Mensch, wenn er auch in der Zeit geboren wird, ist doch in dem Anfang der Schöpfung erschaffen. Die Tat, wodurch sein Leben in der Zeit bestimmt ist, gehört selbst nicht der Zeit, sondern der Ewigkeit an. sie geht dem Leben auch nicht der Zeit nach voran, sondern durch die Zeit hindurch (unergriffen von ihr) als eine der Natur nach ewige Tat« (Philos. Unt. üb. d. Wes. d. menschl. Freih. 1856, S. 463 ff.). Durch sein vorzeitliches »Selbstsetzen«, »Ur- und Grundwollen« sind die Handlungen des Menschen bestimmt (WW. I 7, 385 ff.. vgl. I 6, 538 ff.). Auch nach NÜSSLEIN ist der intelligible, zeitlose Wille absolut frei (Gr. d. allgem. Psychol. § 534 ff.). Auch SCHOPENHAUER lehrt die zeitlose Freiheit des Willens, der sich selbst seinen Charakter (s. d.) in der Zeit schafft, von dem nun das Handeln, welchen im einzelnen streng determiniert ist, abhängt. Jede Einzelhandlung ist dem Satz vom Grunde unterworfen, ist das Product von Motiv (s. d.) und Charakter. an sich ist der Wille (s. d.) völlig frei von allen Formen der Erscheinung, außerhalb des Satzes vom Grunde, ist »schlechthin grundlos«. Die Taten aber sind nicht frei, »da jede einzelne Handlung aus der Wirkung des Motivs auf den Charakter mit strenger Notwendigkeit folgt« (W. a. W. u. V. I. Bd., § 23). Freiheit ist »Unabhängigkeit vom Satze des Grundes«. Weil der Wille ein Ursprüngliches, Unabhängiges ist, muß auch im Selbstbewußtsein das Gefühl davon bestehen. so entsteht der Schein einer empirischen Freiheit des Willens statt der wahren »transcendentalen«. Die empirische Freiheit ist nichts als psychologische Freiheit, deutliche Entfaltung der gegenseitigen Motive. die Entscheidung tritt mit vollkommener Notwendigkeit ein. »Wie die Natur consequent ist, so ist es der Charakter: ihm gemäß muß jede einzelne Handlung ausfallen, wie jedes Phänomen dem Naturgesetz gemäß ausfällt.« Der Grundwille des Menschen ist unveränderlich. Die »Wahlentscheidung« des Menschen (»Deliberationsfähigkeit«) ist nichts als »die Möglichkeit eines ganz durchgekämpften Conflicts zwischen mehreren Motiven, davon das stärkere ihn dann mit Notwendigkeit bestimmt« (l. c. § 55). – Das Selbstbewußtsein sagt uns nur: ich kann tun, was[773] ich will, es enthält Freiheit nur als ein dem Willen Gemäßsein, Willensfreiheit nicht. Wünschen, tun kann man Entgegengesetztes, aber wollen nur eins davon. Ohne ein Motiv kann man nicht wollen. Aber die Wirkungsart der Motive ist durch den Charakter bestimmt, welcher constant, angeboren ist. nur die Erkenntnis ändert sich. Der empirische Charakter ist aber nur die Erscheinung des intelligiblen Charakters, und diesem, dem Willen an sich, kommt absolute Freiheit zu. »Vermöge dieser Freiheit sind alle Taten des Menschen sein eigenes Werk. so notwendig sie auch aus dem empirischen Charakter, bei seinem zusammentreffen mit den Motiven, hervorgehen.« Das Sein des Menschen ist seine freie Tat. »Operari sequitur esse« (s. d.). »Jedes Ding wirkt gemäß seiner Beschaffenheit und sein auf Ursachen erfolgendes Wirken gibt diese Beschaffenheit kund. Jeder Mensch handelt nach dem, wie er ist, und die demgemäß jedesmal notwendige Handlung wird, im individuellen Fall, allein durch die Motive bestimmt. Die Freiheit, welche daher im operari nicht anzutreffen sein kann, muß im esse liegen.« »Es kommt alles darauf an, was einer ist. was er tut, wird sich daraus von selbst ergeben, als ein notwendiges Corollarium.« »Mit einem Wort: Der Mensch tut allezeit nur, was er will, und tut es doch notwendig. Das liegt aber daran, daß er schon ist, was er will: denn aus dein, was er ist, folgt notwendig alles, was er jedesmal tut« (Üb. d. Freih. d. menschl. Will. V, 226 ff.. vgl. LAMEZAN, Üb. menschl. Willensfreih., Nord und Süd 1880, S. 102 ff.). Ähnlich lehrt J. BAHNSEN. Nach ihm sind die Motive schon durch die Beschaffenheit des Willens bedingt, wirken nur auslösend, erregend (Zum Verhält. zwischen Wille und Motiv, 1869, S. 40 f.). Der zeitlose Charakter bestimmt alles Handeln (l. c. S. 29 f.). MAINLÄNDER erklärt: »Jedes Wesen hat eine Beschaffenheit, ein esse, die es sich nicht mit Freiheit hat wählen können. Aber jedes Sein gibt Anweisung auf ein anderes, und so kommen wir schließlich zu einem Sein einer transcendenten Einheit, der wir, ehe sie zerfiel, Freiheit zusprechen müssen... Insofern aber alles, was ist, ursprünglich in dieser einfachen Einheit war, hat alles sich auch sein esse mit Freiheit gewählt, und jeder Mensch ist deshalb verantwortlich für seine Taten trotz seines bestimmten Charakters, aus dem die Handlungen mit Notwendigkeit fließen« (Philos. d. Erlös. I, 559). Die ausnahmlose Motivierung jeder Willenshandlung, die Unbedingtheit der Handlungen durch den Charakter des Individuums betont K. FISCHER (Üb. d. Probl. d. menschl. Freih. 1875, S. 14 ff.). Zugleich ist aber jede Handlung frei, »wie die Willenstat, die den Charakter selbst bestimmt hat« (l. c. S. 25). Mit dem phänomenalen Determinismus verbindet einen transcendentalen Freiheitsbegriff (der für die geistige Welt gilt) EUCKEN (Grundbegr. d. Gegenw.2, S. 259 ff.). Nach L. DUMONT ist jeder frei, sofern er dem Sein angehört, determiniert aber in allem, was der Erscheinungswelt zufällt (Vergn. u. Schmerz S. 15).
Nach HEGEL erhebt sich der Wille aus dem Zustand der Determiniertheit zur Freiheit, die in seinem Begriffe liegt. Frei ist der Wille in seiner Selbstbestimmung, der vernünftige Geist als Vernunftwille (Encykl. § 480 ff.). »Der wirklich freie Wille ist die Einheit des theoretischen und praktischen Geistes« (l. c. § 481). Sittlich frei ist der Wille, der »nicht subjectiven, d. i. eigensüchtigen, sondern allgemeinen Inhalt zu seinen Zwecken hat« (l. c. § 469. vgl. ERDMANN, Grundr. d. Psychol. § 127, § 155 ff.. MICHELET, Anthropol. S. 502 ff.. K. ROSENKRANZ, Syst. d. Wissensch. S. 447 ff.). – Frei ist der Wille nach FR. SCHLEGEL (Philos. Vorles. 1830, S. 49, 135). Nach F. J. STAHL besteht[774] die Freiheit »darin, von nichts anderem bestimmt zu werden, seinem eigenen Wesen zu folgen«, in der unendlichen Wahl (Philos. d. Rechts II, 20). Nach HILLEBRAND ist die Freiheit das eigene Selbst der geistigen Substanz (Philos. d. Geist. I, 71). Nach CHR. KRAUSE ist frei das Ich, als ganzes Ich sich selbst bestimmend (Vorles. S. 241). Der Wille ist frei, »denn er will, unabhängig von Furcht und Hoffnung, von Freude und Leid, von Liebe und Haß, nur, was in seinem Wesen und in seiner Lebenssphäre, der Idee gemäß, liegt, bloß, weil es sich so findet, weil es gut ist« (Urb. d. Menschheit3, S. 52). »Das ganze Leben der Vernunft und des Geistes ist frei, wie die Ideen. Jedes Glied seiner Tätigkeit und jedes Werk fängt seine Reihe an. es ist nicht aus allem Vorhergehenden, sondern nur aus einer neuen, ersten Einwirkung des ganzen Geistes hervorgegangen und erklärbar, es erkennt nur das Gesetz seiner Idee« (ib.). ähnlich AHRENS: »Freiheit ist die herrschaftliche Macht des Geistes als Ganzen über alles innere Leben« (Naturrecht I, 243 ff., 350). E. REINHOLD erklärt: »Unter dem göttlichen Begründen und Bestimmen teils der ewigen Formen und Gesetze, teils der wandelbaren, in verschiedenen Modificationen bestimmbaren Bedingungen jeder einzelnen Tatsache ist dem sinnlich-geistigen Einzelwesen das Vermögen verliehen, in einem begrenzten Bezirke bewußtvoll nach selbstergriffenen Zwecken und selbstgedachten Bildungsnormen die in seinem leiblichen Organismus ihm zu Gebote stehende wirkende Ursache wählend zu dieser oder zu jener unter den für ihn ausführbaren Veränderungen in Anwendung zu setzen« (Lehrb. d. philos. propäd. Psychol.2, S. 293 f.). Es ist »unsere ungezwungene, in der Erwägung erfolgende Selbstbestimmung, welche dem Motiv die Bedeutung eines zureichenden entscheidenden Grundes für das in Betracht kommende Tun oder Unterlassen entweder erteilt oder versagt« (l. c. S. 284 ff., 257 ff.). Nach V. COUSIN haben wir eine »expérience continuelle« unserer Willensfreiheit (Du vrai, p. 354). Die »résolution« ist vom Ich abhängig (ib.). »Je sens en moi, avant sa détermination, la force qui peut se déterminer de telle manière ou de telle autre« (l. c. p. 354 f.). »En même temps que je veux ceci ou cela, j'ai conscience également de pouvoir vouloir le contraire. j'ai conscience d'être le maître de ma résolution, de pouvoir l'arrêter, la continuer, la reprendre« (l. c. p. 355). »Le devoir d'obéir à la raison est la loi propre de la volonté« (ib.). Nach MAMIANI determiniert sich der Wille selber bezüglich der Motive (Del senso morale e del libero arbitrio, Scuole Ital. XXVII, p. 108 ff.). Die Selbstbestimmungskraft des Geistes lehrt VORLÄNDER (Gr. ein. organ. Wiss. d. menschl. Seele S. 275, 442). So auch GARNIER (Trait. des facult. de l'âme I3, 326 ff.). Nach WADDINGTON ist die Freiheit die »Fähigkeit, uns selbst zu beherrschen und über uns zu selbst zu verfügen« (Seele d. Mensch. S. 449 ff.). Die Freiheit ist die Essenz des Willens (l. c. S. 457), ihm gehört die eigentliche Determination an (l. c. S. 466. so schon DE LIGNAC, Le témoignage du sens intime, 1760, I, 132). Die absolute Freiheit Gottes lehrt SECRÉTAN. Nach DELBOEUF ist die Freiheit die Fähigkeit der Hemmung, Sistierung der Tätigkeit (La liberté et ses effets mécaniques, Bullet. de l'académ. royal. de Belgique, 50, 1881, p. 463 ff.. vgl. Déterminisme et liberté, l. c. 51, 1882, p. 145 ff.). Nach RENOUVIER haben die höheren Monaden (s. d.) »le pouvoir de donner des commencements à des séries de phénoménes relativement et partiellement indépendants de leurs propres états antécédents« (Nouv. Monadol. p. 24 f.). »l'harmonie préétablie en prédétermine les effets, sous la condition que le libre arbitre ait donné l'initiative« (l. c. p. 26. vgl. p. 138). Nach H. BERGSON ist das Handeln frei, weil »le rapport de[775] l'action à l'état d'ou elle sort ne saurait s'exprimer par une loi, cet état psychique étant unique en son genre et ne devant plus se reproduire jamais« (Les données imméd. de la conscience). Nach L. DAURIAC ist die Willensfreiheit ein Postulat des Glaubens (Croyance et Réalité 1889). Vgl. P. JANET, Princ. de mét. II, 46 ff.. RABIER, Psychol. p. 551 ff. – Als Selbstbestimmung faßt die Willensfreiheit GREEN auf. Einen relativen Indeterminismus lehrt W. JAMES (Princ. of Psychol. II, 569 ff.. Der Wille zum Glauben S. 130).
Den Indeterminismus lehrt auch LOTZE. Die Seele greift selbsttätig in das Getriebe der Vorstellungen ein, muß nicht den Motiven nachgeben, sondern bestimmt mit freier Wahl das Tun (Mikrok. I, 283 ff.). Frei ist der Entschluß, aber die Folgen sind gesetzlich bestimmt (ib.). Ohne Freiheit gibt es kein Verdienst, keine Schuld (Grdz. d. prakt. Philos.2, 1884, S. 31). Handlungen, welche geschehen sind, konnten auch unterbleiben (l. c. S. 26). Kein Einwand ist stichhaltig gegen die Möglichkeit neuer Anfänge eines Geschehens, »die in dem früheren keine Begründung finden, wohl aber, nachdem sie einmal in den Zusammenhang der Wirklichkeit eingetreten sind, diejenigen Folgen nach sich ziehen, die ihnen in ihrer jetzigen Verknüpfung mit der übrigen Welt nach allgemeinen Gesetzen gehören« (l. c. S. 30 f.). Ähnlich lehrt H. SOMMER. Freiheit ist selbsteigene Entscheidungsfähigkeit nach dem, was als »wollenswert« erscheint (Üb. d. Wes. n. d. Bedeut. d. menschl. Freih.2, 1885, S. 4 f., 27, 33. vgl. d. Kritik Müffelmanns, Das Probl. d. Willensfreih. 1902, S. 35 ff.). Nach WENTSCHER ist das freie Wollen »ein Wollen, sofern es ganz aus unserem wahrhaft eigenen, von uns selbst wiederum so gewollten Wesen hervorgeht« (Eth. I, 229). Die Entscheidung ist nirgends im Vorangegangenen bedingt, sondern ein neuer, activer, autonomer Act (l. c. S. 269). Freiheit ist »Fähigkeit der Begründung des eigenen Selbst« (l. c. S. 339). »Fähigkeit, mit bewußter Wahl das Ziel zu suchen, ein eigenes, selbständiges Wesen zu begründen« (l. c. S. 340). Das Causalgesetz erstreckt sich nicht auf die Freiheit des Willens (l. c. b.. 271 ff.). Die »Stellungnahme des Subjects im Augenblick der Willensentscheidung zu den Ergebnissen seiner seitherigen Entwicklung hat... durchaus den Charakter der Selbsttätigkeit« (l. c. S. 327). Doch ist Willensfreiheit nicht Zusammenhangslosigkeit, blinder Zufall (l. c. S. 263 ff.. vgl. die Kritik bei Müffelmann, l. c. S. 47 ff.). – Die Freiheit der Selbst-Entscheidung lehrt HARMS (Abh. zur system. Philos. S. 71 f.. ähnlich H. WITTE (Üb. d. Freih. d. Willens, 1882. Wes, d. Seele, S. 169: Abhängigkeit des Verstandes vom Willen). Nach v. KIRCHMANN ist die Notwendigkeit nicht im Sein, nur im Wissen, daher ist das Wollen ein freies, was aber die Regelmäßigkeit nicht ausschließt, mit der das Wollen dem Beweggrunde folgt (Grundbegr. d. Rechts und der Moral, S. 85 ff.. vgl. HELMHOLTZ, Phys. Opt. S. 454. KROMAN, Unsere Naturerk. 63. 215 ff.). Nach E. DREHER ist die Willensfreiheit ein durch keine Erfahrung widerlegtes Postulat unserer Seele (Philos. Abh. S. VII, p. 159 ff.). H. SCHWARZ erklärt: Die Willensfreiheit bedeutet, daß der Wollende »sich dem Motivzwange regelmäßig entziehen kann, sobald die Normregeln des Wählens anwendbar sind« (Psychol. d. Will. S. 362). Das Gesetz des Willens selbst bestimmt dann das Wollen (l. c. E.. 360 ff., 372).
Nach P. HENSEL sind Freiheit und Causalität zwei verschiedene Betrachtungsweisen des Willens. Psychologisch-wissenschaftlich ist das Handeln streng determiniert, vom subjectiv-ethischen Standpunkt ist es frei, autonom (Hauptprobl. d. Eth. S. 101 f.). Nach K. LASSWITZ steht neben dem Gesetz der [776] Notwendigkeit das »Grundgesetz der Freiheit«. »Wir könnten nicht moralisch urteilen, wenn wir von der Naturnotwendigkeit allein abhingen. wir können es aber, weil wir eine Stellung zu den Dingen einnehmen, ob sie sein sollen oder nicht. Darin sind wir von der Natur unabhängig« (Relig. u. Naturwiss. S. 14. vgl. Wirklichkeiten). Nach MÜNSTERBERG ist die Seele (s. d.) an sich frei (Grdz. d. Psychol. I, 397).
Nach GUTBERLET ist Freiheit »die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Handlungen oder Objecten zu wählen, ein endliches Gut dem andern vorzuziehen« (Die Willensfreih. u. ihre Gegner 1893, S. 23). Unter dem Einflusse der Motive ist der Wille die eigentliche Ursache (l. c. S. 12). Durch das Gute wird im allgemeinen die Richtung des Willens bestimmt, so aber, daß im einzelnen die Wahl frei ist (l. c. S. 23 ff.. vgl. Psychol.2). Nach PH. KNEIB ist Freiheit »Selbstbestimmung aus der begründenden Erkenntnis« (Die Willensfreih. u. d. innere Verantwortlichkeit 1898, S. 4. vgl. S. 8, 35, 55. vgl. LÖWE, Die specul. Idee d. Freih. 1890. SCHELL, Apologet. II, 1896. vgl. Müffelmann, l. c. S. 65 ff.). Nach HAGEMANN ist die Willensfreiheit das Vermögen der Seele »mit freier, von äußerem Zwange wie von innerer Nötigung unabhängiger Wahl sich zu entscheiden« (Psychol.3, S. 128). Die Statistik beweist nichts dagegen. »Der menschliche Wille betätigt sich ja keineswegs als unbedingte Willkür, sondern er ist von vielfach verschiedenen Motiven und Umständen beeinflußt, welche nicht zwingend, aber mitbestimmend einwirken« (l. c. S. 130 f.). Wir haben das Bewußtsein der freien Selbstbestimmung, auch setzt die Verantwortlichkeit u.s.w. die Willensfreiheit voraus (l. c. S. 132 f.). – Nach F. MACH ist der Wille immer motiviert, aber die Motive zwingen nicht (Die Willensfreih. des Menschen 1887, S. 130). »Stets kann das Subject... der aufstrebenden Vorstellung eine andere Vorstellung oder ganze Vorstellungscomplexe in der Form von Grundsätzen entgegenwirken lassen und so jene Vorstellung zurückhalten und auf das Niveau der übrigen herabdrücken« (l. c. S. 133). Der Mensch ist zufolge seiner Vernünftigkeit »eigentlicher und ausschließlicher Urheber seiner Handlungen« (l. c. S. 116). – Dem Indeterminismus neigen zu, ohne abzuschließen, A. ÖLZELT-NEWIN (Weshalb d. Probl. d. Willensfreih. nicht zu lösen ist, 1900), R. MANNO (Heinrich Hertz für d. Willensfreih.? 1900. vgl. Die Voraussetzungen d. Probl. d. Willensfreih., Zeitschr. f. Philos. 117. Bd., 1900, S. 210 f.), K. DUNKMANN (Das Probl. d. Freih. in d. gegenwärt. Philos. 1899. vgl. über diese Denker: Müffelmann, l. c. S. 69 ff.). –
Einen psychologisch-ethischen Freiheitsbegriff, bezw. den psychologischen Determinismus (teilweise mit indeterministischer Färbung) vertreten die folgenden Denker. Nach TIEDEMANN ist Freiheit »ein höherer, für uns der höchste Grad von Selbsttätigkeit« (Handb. d. Psychol. S. 258 f.). ZÖLLICH erklärt: »Die menschliche Willensfreiheit besteht... in dem Vermögen des Menschen, alle physischen Kräfte, die ihm zu Gebote stehen, verschieden zu gebrauchen nach Maßgabe seiner Absichten oder der Endzwecke, welche sein Geist denkt« (Üb. Prädeterminism. u. Willensfreih. 1825, S. 19 f.). M. DE BIRAN erklärt: »La liberté n'est autre chose que le sentiment du pouvoir d'agir, de créer l'effort constitutif du moi« (Oeuvr. I, 284). Die Notwendigkeit der einzelnen Handlungen lehrt SCHLEIERMACHER. Freiheit ist innere, geistige Determination (Üb. d. Freih. d. menschl. Will., bei Dilthey, Das Leb. Schleierm. 1870). »Frei ist jedes Sein, sofern man es als Kraft setzt, und der Notwendigkeit unterworfen, sofern es betrachtet wird im Zusammenhang mit anderen« (Dial. S. 150). [777] Freiheit ist Entwicklung aus sich selbst, ist die Natur des Geistes (Psychol. B. 327). Nach H. RITTER sind die Dinge als Kraftcentren frei in ihrem Tun. Durch das Naturgesetz wird die Freiheit nicht aufgehoben, »denn die allgemeine Weltkraft ist in einem jeden Dinge auf eine besondere Weise gesetzt, und wenn also ein jedes Ding an der allgemeinen Weltkraft, welche alle Tätigkeiten bestimmt, teilhat, so hat es auch an der Bestimmung seiner Tätigkeiten teil, oder es bestimmt sich selbst zur Tätigkeit, das heißt, es ist frei« (Abr. d. philos. Log.2, S. 152 ff.). Als Autonomie des Geistes bestimmen die Freiheit BURDACH (Blicke ins Leben II, 202), JESSEN (Psychol. S. 360 ff.). Auch BENEKE. Die metaphysische Freiheit ist eine »in sich widersprechende Erdichtung« (Lehrb. d. Psychol.3, § 311). Freiheit ist Unabhängigkeit von aller äußern Causalität und allen inneren Trieben, die dem sittlichen Willen entgegenstehen (Sittenlehre I, 510 ff.. II, 10. vgl. Grundleg. zur Phys. d. Sitt. S. 65 ff., 266. Syst. d. Met. S. 333 ff.. Pragm. Psychol. II, 285 ff., 313 ff.). Der Wille wird »in strengem ursächlichen Zusammenhange gebildet. nachdem er aber einmal gebildet ist, wirkt er in dieser Richtung und mit dieser Stärke unabhängig von aller äußeren Causalität oder als ein freier« (Lehrb. d. Psychol.3, § 362. vgl. § 311). Nach HERBART sind zwar alle Handlungen determiniert, aber die Activität des Charakters bedingt die (relative) Freiheit (Zur Lehre von d. Freih. 1836, S. 46 ff.). In der Herrschaft der stärksten Vorstellungsmassen besteht die Freiheit (WW. I, 201 ff., II, 330, 402, IX, 8 ff.. XI, 214, 322 ff.. XII, 686, 692, 704 ff.. Lehrb. zur Einl.5, S. 306). Auch nach G. SCHILLING ist die absolute Wahlfreiheit eine Illusion (Lehrb. d. Psychol. S. 185). Frei ist vielmehr das Wollen, »welches aus einer vollständigen Überlegung hervorgegangen ist« (ib.). Nach ALLIHN ist psychologische Freiheit »die Fähigkeit, nach inneren Motiven des eigenen Selbst zu denken und zu wollen« (Gr. d. allg. Eth. S. 92). Nach VOLKMANN ist Freiheit »Autonomie, d.h. Bestimmung des Willens durch ein von dem Wollenden selbst anerkanntes Gesetz« (Lehrb. d. Psychol. II4, 485). »Das Gefühl der Freiheit ist das Gefühl der Selbstbeherrschung« (l. c. S. 486). »Der Mensch ist nicht ursprünglich frei, sondern wird frei« (l. c. S. 487). »Wer sein Wollen durch seine Vernunft determiniert, ist sittlich frei« (l. c. S. 492, vgl. THILO, Die Wissenschaftl. d. mod. specul. Theol., 1851, S. 314. TEPE, Üb. d. Freih. u. Unfreih. d. menschl. Willens, 1861. DROBISCH, Die moral. Statist., 1867. O. FLÜGEL, Von der Freih. d. Willens, Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. X, 128 f.. G. A. LINDNER, Lehrb. d. empir. Psychol.9, S. 224 ff.).
HEBBEL bemerkt: »Die sogenannte Freiheit des Menschen läuft darauf hinaus, daß er seine Abhängigkeit von den allgemeinen Gesetzen nicht kennt« (Tageb. II, 358). »Der Mensch hat seinen Willen – d.h. er kann einwilligen ins Notwendige«(l. c. I, 268). L. FEUERBACH erklärt: »Frei ist jedes Wesen da, wo a sich in Übereinstimmung mit seinem Wesen befindet und handelt« (WW. X, 76). Unter gegebenen Bedingungen (zu denen auch der Charakter gehört) kann ich nur so handeln, wie ich mich entschlossen und gehandelt habe (l. c. I, 78 ff., 84). Der Glaube an das Gegenteil hiervon beruht auf der Identificierung des durch Erfahrung belehrten Ich mit dem Ich vor dem Handeln (l. c. S. 91). Nach CZOLBE bestimmt in der Regel der (teils angeborene, teils anerzogene) Charakter das Handeln des Menschen. Die Selbstbestimmung der Seele ist allmählich entstanden. Freiheit ist »Causalität in uns«, »Unabhängigkeit des uns mit Notwendigkeit angeborenen und anerzogenen Innern (des Charakters, des Willens) von der Herrschaft oder dem Zwange äußerer Einflüsse« (Grenz. u.[778] Urspr. d. menschl. Erk. S. 30 ff.). Im ethischen Sinne faßt die Freiheit TRENDELENBURG auf (vgl. Naturrecht, S. 6t). Nach ULRICI ist die Freiheit ein Vermögen der Selbständigkeit mit Bewußtsein (Gott u. d. Nat. S. 567 ff.). Die Motive zwingen uns nicht, regen nur unsere Selbsttätigkeit an (l. c. 574) oder resultieren aus ihr (ib.). Die Freiheit ist »die für das Bewußtsein vorhandene, Möglichkeit des Anderswollens und Andershandelns« (l. c. S. 579). Sie ist »die Äußerung des der Seele angeborenen Triebes, ihr Selbst als solches zu erhalten, zu behaupten und (gegenüber allen äußern wie innern Einflüssen) geltend zu machen« (l. c. S. 588). Sie ist Grund und Folge der Individualität (l. c. S. 598. vgl. Grdz. d. prakt. Philos. I, 1873, S. 42 ff.). M. CARRIERE erklärt: »Freiheit ist Selbstbestimmung und Selbstentwicklung der eigenen Natur« (Ästh. I, 37). »Des Geistes innere Zwecksetzung ist unbedingt frei, die äußere Verwirklichung ist an den Weltzustand gebunden« (l. c. S. 38 ff.). Das Freiheitsbewußtsein ist keine Illusion (Sittl. Weltordn. S. 177 ff.). Die Freiheit ist kein ruhender Zustand, sondern »fortwährende Befreiungstat« (l. c. S. 178). »Freiheit ist nicht Gesetzlosigkeit, vielmehr selbstgewollte Erfüllung der eigenen Gesetze« (ib.). »Der Wille ist frei im Entschlusse, in der Ausführung aber an die Naturkräfte und Naturgesetze gebunden« (l. c. S. 189). Die vollbrachte Tat ist notwendig, bedingt durch den Täter und den Naturmechanismus (l. c. S. 190). Der vom Verstande erleuchtete Wille wählt das Vernünftige (l. c. S. 201 ff.). Eine sittliche Freiheit, Selbstbestimmung, Selbstbehauptung lehrt PLANCK (Testam. ein. Deutsch. S. 327 ff.). Zum Indeterminismus neigt mehr J. B. MEYER (Philos. Zeitfrag. 1874).
Nach FECHNER ist im Handeln immer ein Motiv von Wirkung, im Kampfe der Motive siegt schließlich eines (Tagesans. S. 170 ff.. vgl. Zend-Av. II, 117 ff.). »Aller Erste in der Welt, alles, was sich nicht von Umständen, die auch sonst und anderwärts vorkommen, abhängig machen läßt, sei's im uns Bewußten oder Unbewußten, ist... als ein frei Entstandenes anzusehen, und sofern die Welt im ganzen wie in individuellen Gebieten fort und fort neues, von gewisser Seite mit allem früheren Unvergleichbares entwickelt, geht auch ein Princip freien Schaltens durch die Welt im Ganzen, wie in uns selbst und unser Bewußtsein und Handeln hinein. wir selbst sind Helfer an des Ganzen freiem Schalten« (Zend-Av. I, 213). – Den psychologischen Determinismus vertritt ferner STEINTHAL (Zeitschr. f. Völkerpsychol. VIII, 257). Auch G. H. SCHNEIDER. Jeder Entschluß ist bedingt durch den Charakter, Erfahrungen u.s.w. (Der menschl. Wille S. 327 f.). Die relative Freiheit beruht auf der »Fähigkeit, die einzelnen Triebe stets einem allgemeinen Zwecke unterordnen zu können« (l. c. S. 335). »In der zweckmäßigeren allseitigeren Bewußtseinsconcentration, bei welcher alle Umstände in Zweckmäßiger Weise berücksichtigt werden, und welche den Menschen befähigt, in jedem Momente zweckentsprechend handeln und sich den Umständen anpassen zu können, liegt die relative psychologische Freiheit des menschlichen Willens« (ib.). FOREL erklärt die Willensfreiheit durch »die plastische adäquate, d.h. jedem einzelnen Umstand entsprechende Anpassungsfähigkeit« (Üb. d. Zurechnungsfäh. d. norm. Mensch.4, S. 13). – E. DÜHRING meint: »In einem gewissen Sinn ist jedes Wesen, ja jedes Ding, soweit es ein Typus oder Schema von Zustandsabfolgen ist, auch als Grund der Beschaffenheit seiner selbst zu betrachten« (Wirklichkeitsphilos. S. 374). Im Menschen ist die »gedankliche Initiative« das Höchste (l. c. S. 375). Der Gedanke bleibt immer eine freie Macht allem gegenüber, was seiner Herrschaft im Organismus unterworfen[779] ist (l. c. S. 379 ff.). – Nach E. v. HARTMANN ist metaphysische Freiheit »innere Zufälligkeit, bei der die Entscheidung (arbitrium) aus dem Vermögen selbst, und zwar ohne den concursus irgend welcher äußeren contingentia, entspricht«. Sie ist aber nur im Absoluten zu finden (Kategor. S. 358 f.). Nur Gott ist absolut frei, der Mensch nur indirect, als Modus des Absoluten (Relig. d. Geist. S. 225 ff.). Empirisch ist Freiheit Unabhängigkeit von äußerem oder innerem Zwang, aber nicht Unmotiviertheit (Phänomenol. d. sittl. Bewußts. S. 402 ff.. vgl. S. 450 ff.). Im Wollen erhebt sich die Spontaneität zum Bewußtsein der Freiheit. Diese ist aber nur Wohlfreiheit zwischen den Begehrungen, Kraft der Selbstbehauptung (Mod. Psychol. S. 194). Als Wahlfreiheit, Autonomie faßt die Willensfreiheit auch HORWICZ auf (Psychol. Anal. II, 181 ff.).
Nach G. GLOGAU ist die sittliche Freiheit die Freiheit von den sinnlichen Trieben (Abr. II, 186 f.). Nach PAULSEN ist die Willensfreiheit die »Fähigkeit, durch eine Idee seines Lebens die einzelnen Lebensbetätigungen zu regulieren und zu bestimmen« (Syst. d. Eth. I5, 429 ff., 439). »Freiheit des Menschen ist Herrschaft des Geistes« (l. c. S. 442). Nach UNOLD bedeutet ethische Freiheit »Bestimmbarkeit durch ethische Motive« (Gr. S. 269), Geltendwerden der Persönlichkeit (l. c. S. 271). »Das menschliche, insbesondere das bewußt-sittliche Wollen ist weder grund- und ursachlos, noch absolut bestimmt, sondern facultativ bestimmt, und zwar von innen durch die Persönlichkeit selbst, und von außen durch willkürliche und unwillkürliche Einwirkung« (l. c. S. 267. vgl. S. 236 f.). LIPPS erklärt: »Das Wollen des Menschen hat in der Natur des Menschen seinen Grund oder seine Ursache« (Eth. Grundfr. S. 243). »Freiheit ist... Verursachtsein durch die Persönlichkeit, ihr Wesen und ihre Betätigungsweisen« (l. c. S. 245). Bei jeder einzelnen Handlung ist unser ganzes vergangenes Leben irgendwie mitbeteiligt (l. c. S. 253). »Ich bin der bestimmende Grund meines Wollens« (l. c. S. 257). Das Wollen ist inneres Abzielen meiner selbst auf irgend einen Erfolg (l. c. S. 257). Willensfreiheit ist also »Freiheit meiner selbst« (ib.). Freiheit des Willens ist auch »die Freiheit der Motive, vermöge dieser ihrer Kraft den Willensentscheid zu bestimmen« (l. c. S. 278. vgl. Grundtats. d. Seelenleb. S. 702). R. STEINER nennt eine Handlung frei, »deren Grund in dem ideellen Teil meines individuellen Wesens liegt«. »Frei ist der Mensch, der in jedem Augenblick seines Lebens sich selbst zu folgen in der Lage ist« (Philos. d. Freiheit S. 153). Nach TH. ZIEGLER ist der Inhalt des Freiheitsgefühls »nur der, daß alle meine Handlungen von mir ausgehen, daß ich die causa derselben bin« (Das Gefühl2, S. 293 ff.). Eine Illusion ist der Glaube, wir hätten anders handeln können (l. c. S. 295). Wir handeln stets auf Grund der stärksten Motive (l. c. S. 300). Nach A. SPIR ist Freiheit »Selbstbestimmung« (Denk. u. Wirkl. II, 163). Nach E. LAAS ist jede Handlung determiniert. Aber der Mensch ist durch seine Einsicht selbst ein Agens, ein selbstbestimmender Factor. »Das Individuum ist es letzlich ganz allein, aus dessen Art und Gefühl den Motiven der dynamische Wert zufließt, aus dem die Handlung als notwendiges Ergebnis resultiert« (Die Causal. d. Ich, Vierteljahrsschr. f. wissensch. Philos. IV, 1880, S. 349 ff.). Nach RIEHL ist das Freiheitsgefühl die »unvollständige, völlig einseitige Auffassung des Willensvorganges«, dessen Ursachen uns nicht zum Bewußtsein kommen (Philos. Krit. II 2, 217). »Unser Handeln scheint ganz aus uns selbst zu entspringen, weil unser Selbstbewußtsein zugleich mit unserem Handeln entspringt« (l. c. S. 223). Verschiedenes[780] kann man nicht zugleich wollen (l. c. S. 221 ff, 239 f.). »In Wahrheit... ist die Verbindung von Beweggrund und Handlung so beständig und regelmäßig wie du Verbindung einer äußern Ursache mit einer Wirkung. Ein Motiv wirkt so gesetzlich wie ein Stoß« (l. c. S. 230). Aber es wirkt nicht unwiderstehlich, es kann durch Gegenmotive aufgehoben werden (l. c. S. 232). Freiheit ist »Unabhängigkeit des Willens von der Nötigung durch unmittelbare sinnliche Antriebe und, positiv, die Abhängigkeit desselben von abstracten selbstbewußten Antrieben« (l. c. S. 259). Ein Wesen, das unter der Idee der Freiheit handelt, wird frei, macht sich frei. »Der Wille geht nicht von der Freiheit aus, er führt zur Freiheit hin, er befindet sich zu ihr, mathematisch geredet, in asymptotischer Annäherung« (Zur Einf. in d. Philos. S. 194). SCHUPPE erklärt, alle Willensvorgänge seien determiniert. aber die Motive sind dem Willensact gegenüber nichts Fremdes, sondern es sind Bestimmungen des Ich (Erk. Log. S. 249 ff.). »Die psychischen Vorgänge coincidieren in dem einen unteilbaren Einheitspunkt des Ich, welches sich in ihnen findet, als handelnd oder leidend, bestimmt oder bestimmend. frei ist der Willensentschluß, wenn er aus den Überzeugungen oder Gesinnungen ebendesselben Ich hervorgeht« (Log. S. 76). Freiheit ist das »aus innerstem Motive, aus eigenstem Gefühl und eigensten Gedanken Sich-selbst-entschließen« (Grdz. d. Eth. S. 91). Nach REHMKE ist Willensfreiheit »nicht von anderem als von der Seele selbst unmittelbar bedingte ursächliche Bestimmtheit der Seele« (Allg. Psychol. S. 431 f.). Nach B. CARNERI liegt die Notwendigkeit die Handelns im Menschen selbst (Sittl. u. Darwin. S. 124 ff., 127). Der freie Wille ist der »Wille des Guten«. »Seelenstärke und moralische Freiheit sind eins« (l. c. S. 218). Nach GIZYCKI bedeutet das Freiheitsbewußtsein, »daß wir einen Willen haben und unser Handeln oder Unterlassen von unserem Willen abhängt« (Moralphilos. S. 202). Geistige Freiheit ist, »die Macht der abstracten Motive gegenüber den auf das Nahe gehenden Trieben und Leidenschaften« (l. c. S. 203). Der Wille folgt dem stärksten Motiv (l. c. S. 228). Nach SIMMEL bedeutet die Freiheit, daß sich der »Charakter des Ich ungehindert im Wollen ausprägen kann« (Einl. in d. Moralwiss. II, 137). Im Realisieren des für uns wertvollen Wollen sind wir frei (l. c. t3. 164). »Insofern das Ich als ein Mikrokosmos gilt, losgelöst von Beziehungen zu anderem, mit dem zusammen es etwa erst ein Ganzes bildete, so ist seine Bestimmung Selbstbestimmung, also einerseits Freiheit, anderseits aber ist sie Notwendigkeit, da es nicht von sich los kann und gerade, weil es nichts außer sich hat, von dem es abhängt, nur so sein kann, wie es ist« (l. c. S. 205). Frei ist der, »den man mit Erfolg verantwortlich machen kann« (l. c. S. 207). F. W. FÖRSTER versteht unter sittlicher Freiheit die »relative Unabhängigkeit des Menschen von der Sinnenwelt, seine Abhängigkeit von seiner Gedankenwelt, insbesondere von den Vorstellungen, welche der Ausdruck der Anpassung an das sociale Leben sind« (Willensfreih. u. sittl. Verantwortlichk. S. 39). »Die seelische Freiheit ist... aufzufassen als die Wirksamkeit der Kraftvorräte, die auf Grund von socialen Einwirkungen und individuellen Erfahrungen in der Seele in Form von Erinnerungsbildern und Vorstellungen aufgespeichert sind« (l. c. S. 40). Die Quelle unserer sittlichen Freiheit liegt »in unserer Verknüpfung mit einem höheren Wollen, welches in uns wirkt, weil wir Glieder einer überindividuellen psychischen Gemeinschaft sind und in dieser Eigenschaft unser Wollen beurteilen, es verwerfen oder billigen – ohne jede Rücksicht auf unsere persönlichen Interessen« (l. c. S. 49).
Einen psychologischen Determinismus lehrt auch F. ERHARDT. Freiheit[781] ist Bestimmung unserer Handlungen durch einen Complex von Factoren, die unser Ich constituieren (Met. I, 494 f.). Nach O. KÜLPE ist das Ich an den Handlungen meist stärker beteiligt als die äußeren Umstände (Einl. in d. Psychol.2, S. 172). In unserer Organisation liegt die Möglichkeit für verschiedene Handlungen (l. c. S. 171. vgl. Gr. d. Psychol. S. 464 f.). Ähnlich lehrt OSTWALD (Vorles. üb. Naturphilos.2, S. 430). Nach ZIEHEN sind wir insofern frei, als auch unsere Vorstellungen modificierend Handlungen bestimmen (Leitfad. d. phys. Psychol.5, S. 248). Den psychologischen Determinismus lehren auch BRENTANO, HÖFLER (Psychol. S. 568 ff.), EHRENFELS (E. Motiv), MEINONG. Nach JODL ist Freiheit »die Fähigkeit des Menschen, nicht eindeutig durch einen äußern Antrieb zum Wollen und Handeln bestimmt zu werden, sondern durch die ganze Reihe der psychischen Antecedentien« (Lehrb. d. Psychol. S. 731). Nach KREIBIG ist der Wille durch die Wertgefühle, welche mit den Motiven verknüpft sind, durchgängig determiniert (Werttheorie, S. 83. vgl. IHERING, Zweck im Recht I, 10 ff.). W. JERUSALEM erklärt: »Der Mensch ist frei heißt... so viel als: der Mensch ist fähig, seine Willensentscheidungen auf Grund seiner erworbenen Erfahrungen und Kenntnisse zu treffen« (Lehrb. d. Psychol.2, S. 194 f.. vgl. Einl. in d. Philos.2). R. GOLDSCHEID bemerkt: »Der Mensch ist bestimmt sowohl durch seine angeborene Anlage, auf die oder in der die Naturgesetze wirken, wie auch von den Ideen, in die er hineingeboren wird, resp. von den erworbenen Ideen« (Zur Eth. d. Gesamtwill. I, 137). L. MÜFFELMANN vertritt einen psychologischen Determinismus, nach welchem Freiheit bedeutet »Determinierung der einzelnen Willensinhalte durch das Ich, durch den Charakter, durch das, was ich meine innerste Persönlichkeit nenne« (Das Probl. d. Willensfreih. in d. neuesten deutsch. Philos. 1902, S. 84. enthält viel Literatur). Ähnlich M. OFFNER: »Wir definieren... Freiheit des Willens als jenen Zustand, in dem der Mensch so und nicht anders will, als es in seiner Natur, seiner wahren, unveränderten und unbehinderten Persönlichkeit liegt, wenn er also so will, wie er will, wenn er nicht nur unter keinerlei von außen her zwingenden Einflüssen steht, sondern auch in keinem abnormen, seine Individualität verändernden Zustand sich befindet« (Die Willensfreih. 1903, S. 4. vgl. S. 3). Freiheit des Handelns ist »Verursachtsein unseres Handelns lediglich durch unser Wollen, durch unsere wollende Persönlichkeit, Freiheit des Wollens aber Verursachtsein unseres Wollens nur durch unsere unveränderte und ganze Persönlichkeit« (l. c. S. 8 f.. vgl. über Determinismus und Indeterminismus: S. 9 ff,).
Nach O. LIEBMANN ist Freiheit das Bestimmtsein der Handlungen durch den Ich, durch den eigenen Willen, durch »selbstgewählte Maximen« (Üb. d. individ. Beweis f. d. Freih. d. Willens 1866, S. 118 ff.). Nach WINDELBAND ist Freiheit »Herrschaft des Gewissens«, vernunftgemäßes Handeln (Prälud. S. 239), also nicht Unmotiviertheit (l. c. S. 222 ff.). Freiheit ist »das Ideal eines den höchsten Zwecken mit vollem Bewußtsein sich unterwerfenden Denkens und Wollene« (l. c. S. 245). Daß der Wille ohne zureichenden Grund handle, ist eine Täuschung (Die Lehren vom Zufall, S. 9). Jede Handlung ist »die notwendig erfolgende Resultante aus den gegebenen Bedingungen und aus der Natur der entscheidenden Seele« (ib.). Die Freiheit liegt in der causalen Activität des Bewußtseins (l. c. S. 11). Sie ist »nur die Freiheit der Überlegung, die Fähigkeit, die auf den Willen wirkenden Motive zu erkennen und durch das Bewußtsein zwischen ihnen eine Entscheidung zu treffen, die von der Eigentümlichkeit[782] des jedesmal entscheidenden Bewußtseins abhängen muß und eben darum eine in causaler Notwendigkeit bedingte Wirkung ist« (ib.). Nach ADICKES ist das Wollen »eine Resultante aus dem Wesen des Handelnden und den äußeren Umständen, in denen er sich befindet« (Eth. Principienfragen, Zeitschr. f. Philos. II, 116 ff., 185). – Nach H. COHEN bildet die Willensfreiheit keinen Gegensatz zur Gesetzlichkeit. Freiheit ist »die Energie des Willens«, »Erhaltung des Subjects in der Erhaltung seiner Handlungen« (Log. S. 259). Nach NATORP ist die Willensfreiheit zunächst »die Freiheit des Bewußtseins, die Erhebung des geistigen Blicks, des Gesichtspunktes des praktischen Urteils über den vermeinten Zwang des Naturgesetzes, das doch nie unbedingt zu zwingen vermag, denn es selbst ist nicht unbedingt. es läßt tatsächlich das Urteil des Willens frei. Das Gesetz der Idee dagegen ist eben dann für ihn richtend, im Doppelsinn des Richtunggebenden und des richterlich Entscheidenden« (Socialpäd.2, S. 47). Der Wille ist nicht durch die ihm augenblicklich vorliegenden empirischen Daten voraus gebunden, er selbst entscheidet (l. c. S. 48). Schon im bloßen Urteilen liegt eine Freiheit. Das praktische Urteil stellt sich dem Object gesetzgebend gegenüber (l. c. S. 70). Die Wahl wird durch die eigenen Gesetze des Willens entschieden (vgl. Grundlin. ein. Theor. d. Willensbild., Arch. f. syst. Philos. I, 86 ff.. Ist das Sittengesetz ein Naturges.?, Arch. f. syst. Philos. II, 235 f.).
Da es kein grundloses, unmotiviertes Handeln gibt, muß nach WUNDT der psychologische Determinismus verfochten werden. Durch das Freiheitsbewußtsein selbst wird schon jeder Fatalismus unmöglich gemacht, denn es sagt aus, daß wir ohne Zwang handeln können. In der Wahlfähigkeit selbst liegt schon die (relative) Freiheit. Im Wollen liegt schon das Gefühl der Selbsttätigkeit, die besonders im Denken nach immanenten Gesetzen sich bekundet. Die Affecte der Willenshandlungen sind stets durch bestimmte innere Ursachen bedingt, aber nicht restlos in diesen enthalten, sondern das Gesetz des Wachstums geistiger Energie (s. d.) kommt hier zur Geltung. Frei sein heißt »mit dem Bewußtsein der Bedeutung handeln, welche die Motive und Zwecke für den Charakter des Wollenden besitzen« (Eth.2, S. 462 ff.. Vorles.2, S. 462 ff.. Grdz. d. phys. Psychol. II4, S. 575 ff.. Essays 11, S. 304). Actuelle Motive und Charakter (Persönlichkeit) sind die Factoren der Willenshandlung (Eth.2, S. 478). Ethisch frei handelt, wer »nur der innern Causalität folgt, die teils durch seine ursprünglichen Anlagen, teils durch die Entwicklung seines Charakters bestimmt ist« (l. c. S. 477). Die besondere Gestaltung, welche geistige Erzeugnisse annehmen werden, ist nie im voraus zu bestimmen, wegen des Wachstums geistiger Energie (l. c. S. 465). »Im einzelnen Fall können die innern Bestimmungsgründe des Handelns von dem äußern Zuschauer sowohl wie von dem Handelnden selbst nie vollständig erfaßt werden, denn sie verlieren sich in der Totalität der Ursachen des Geschehens« (Grdz. d. phys. Psychol. II4, 577). Daher ist der Mensch praktisch frei und verantwortlich (ib.). »Was den menschlichen Willen vor den äußeren Motiven determiniert, ist der Charakter«(l. c. S. 576). Daß die freie, persönliche Tat, die aus der ganzen Vergangenheit des (überindividuellen, ererbten) Charakters entspringt, schlechthin aus der Totalität der Ursachen des Geschehens sich herleitet, gewissermaßen »ein Geschenk der Gottheit« ist, bedingt die Vereinigung der psychologischen Freiheit mit einem metaphysischen Determinismus, nach welchem für die universale Weltbetrachtung, »die freie Tat des Einzelnen einem allgemeinen Weltgrunde sich unterordnet«[783] (l. c. S. 576 ff.. Vorles.2, S. 470 ff.. Essays, S. 303 f.. Log. I2, 554 f.). In Gott sind Freiheit und Notwendigkeit vereinigt (Log. I2, 555). Ähnliche Ansichten über die Willensfreiheit bei ELSENHANS (Zeitschr. f. Philos. 112. Bd., 1898, S. 294), H. ACHTER (Von d. menschl. Freiheit, 1895), P. MICHAELIS (Die Willensfreih., 1896) u. a. Teilweise auch FOUILLÉE (s. unten) (L'évolut. des id.-forc. p. LXXXVI ff.), G. VILLA: »Der Mensch ist intellectuell und moralich frei, aus dem Grunde, weil niemand seinen Handlungen eine Grenze setzen und einen genauen Weg wird vorschreiben können, und weil niemand, da sie alle von Motiven hervorgerufen sind, wird verbieten können, daß immer neue Motive entstehen, welche seine künftigen Handlungen lenken« (Einl. in d. Psychol. S. 441 f.. von älteren italienischen Philosophen lehren einen psychologischen Determinismus ROMAGNOSI, ARDIGÒ u. a.). – R. WAHLE erklärt: »Der Charakter ist... die Willensart des Menschen selbst, die Richtung des Willens für seine Wahlentscheidung. Dann ist also nicht ein objectiv außenstehender Factor maßgebend für den Willen, sondern der Wille selbst ist es eben, welcher aus sich heraus determiniert, was für ihn Wert hat« (Das Ganze d. Philos. S. 439). – Die Bestimmtheit des Willens durch die Motive und den Charakter des Handelnden betont auch SIGWART (Klein. Schrift. II, 157, 160. vgl. über die Selbständigkeit des Willens: Log. II2, 750 ff., 760. s. Notwendigkeit).
Einen strengeren, naturalistischen (mechanischen) Determinismus vertreten verschiedene Denker. So MOLESCHOTT (Kreisl. d. Leb. S. 39), C. VOGT (Bild. aus d. Tierleben, S. 12), L. BÜCHNER (Kraft u. Stoff, S. 276 f.), J. C. FISCHER (Die Freih. d. menschl. Willens u. d. Einh. d. Naturgesetze, 1871), A. MAYER, (Monist. Erkenntnislehre, S. 52), E. HÄCKEL (Welträtsel, S. 19, 151), auch QUÉTELET (s. Statistik), BUCKLE (Gesch. d. Civilisat. S. 25) u. a. Nach RÉE ist die Willensfreiheit Illusion, das Wollen ist streng gesetzlich bestimmt (Die Illus. d. Willensfreih. 1885). Aber es besteht doch eine Fähigkeit, Triebe niederzukämpfen (Philos. S. 330). Auch NIETZSCHE ist Determinist. Der Glaube an Willensfreiheit ist ein Irrtum, alles Handeln ist Ergebnis gegenwärtiger und vergangener Einflüsse (Menschl. II, 1897, S. 36, 63 ff.). Unser Freiheitsgefühl beruht darauf, daß in uns ein stärkerer Reiz den schwächeren unterdrückt (WW. XII, 1, 44). »Freiheit« ist nur »Überlegenheits-Affect in Hinsicht auf den, der gehorchen muß« (WW. VII, 1, 19). Streng deterministisch ist die Lehre von N. KURT (Willensfreiheit? Eine krit. Untersuch. f. Gebildete aller Kreise 1890, S. 32, 39, dargestellt bei Müffelmann, l. c. S. 90 f.).
Einen psychologischen Determinismus verschiedener Färbung vertreten folgende ausländische Denker. So HÖFFDING (Psychol.2, S. 471. s. Motiv). Die Persönlichkeit des Handelnden bestimmt den Grad der Freiheit (l. c. S. 213 f.). – Determinist ist J. ST. MILL (Log. II, 439 ff.), welcher den »battle between contrary impulse« der »contending powers« berücksichtigt (Examin. p. 584). Determinist ist auch A. BAIN (Emot. and Will, p. 493 ff.). Es besteht eine »uniformity of sequence between motive and action« (Ment. and Mor. Sc. sct. IV, ch. 11, p. 396 ff.). die Regel gilt, »that the same motive, in the same circumstances, will be followed by the same action« (ib.). Nach LEWES ist der Organismus selbst eine Bedingung der Tätigkeit (Probl. III, p. 103), einer Mannigfaltigkeit von Erregungen (l. c. p. 108). H. SPENCER bestimmt als frei das aus der Gesamtheit psychischer Factoren resultierende Wollen (Psychol. § 219). Vgl. J. WARD, Encycl. Brit. XX, 72 f., ferner die unter »Psychologie« aufgezählten englischen Psychologen. Nach EMERSON ist der Mensch frei, in[784] sofern er denkt, sittlich ist. der Mensch ist selbst ein Teil des Schicksals, das sein Tun bestimmt (Lebensführ. C. 1, S. 10, 19 ff.). – Nach A. FOUILLÉE bedingt das »moi tout entier« meine Handlung, die ganze Persönlichkeit wirkt (Psychol. d. id.-forc. II, 277 ff.). Freiheit ist »le maximum possible d'indépendance pour la volonté, se déterminant sous l'idée même de cette indépendance, en vue d'une fin dont elle a également l'idée« (l. c. p. 290). Die Wahlfähigkeit (»pouvoir de choisir«) ist »le pouvoir d'être déterminé par un jugement et un sentiment de préférence« (l. c. p. 299). Nach G. RENARD ist der Wille frei, »wenn der Entschließung eine regelrechte Überlegung vorausging, wenn der Geist bei vollkommener Kenntnis der Sache die Motive hat abwägen können, wenn keine äußere Gewalt für diese oder jene Seite den Ausschlag gegeben hat, wenn kein Irresein die Auffassung der Dinge getrübt hat« (Ist der Mensch frei? S. 159). Nach RIBOT bestimmen Motiv und Charakter das Handeln (Der Wille, S. 28). Nach PAULHAN besteht die psychologische Freiheit darin, »à agir selon nos désirs, a réaliser notre volonté, à ne pas être contrarié par les circonstances dans l'exercice de notre activité« (Physiol. de l'esprit, p. 106). – Vgl. J. EDWARDS, Freedom of the Will, 1754. FEDER, Log. u. Met. S. 326 ff.. K. PH. FISCHER, Die Freih. d. menschl. Willens, 1833. CHALYBAEUS, Wissenschaftslehre, S. 304 ff.. J. H. SCHOLTEN, Der freie Wille, 1874. C. GÖRING, Üb. d. menschl. Freih. u. Zurechnungsfäh. 1876. A. LABRIOLA, Della libertà morale, 1873. SCHAARSCHMIDT, Zur Widerleg. d. Determin., Philos. Monatshefte XX, 1884, 193 ff.. LEHMANN, Das Probl. d. Willensfreih., 1887. E. NAVILLE, Le libre arbitre, 1890. SPITTA, Die Willensbestimmungen u. ihr Verh. zu den impuls. Handl., 1892. WIENER, Die Freih. d. Willens, 1892. TRÄGER, Wille, Determinismus, Strafe, 1895. BERGER, Das Probl. d. Willensfreih., 1896. BAUMANN, Über Willens- u. Charakterbildung, 1897. FR. WAGNER, Freih u. Gesetzmäß. in d. menschl. Willensact., 1898. TÜRCKHEIM, Zur Psychol. d. Willens, 1900. CALDEMEYER, Vers. ein. theoret. u. prakt. Erklär. d. Willensfreih., 1903. G. L. FONSEGRIVE, Essai sur le libre arbitre, sa théorie et son histoire, 1887. O. PFISTER, Die Willensfreiheit, 1904. Weitere Litteratur bei MÜFFELMANN, Das Probl. d. Willensfreih. in d. neuest. deutsch. Philos., 1002. – Vgl. Motiv, Determinismus, Freiheit, Wille, Wahl, Zurechnung.
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