[162] Causalität (causalitas): Wirkungsfähigkeit, ursächliche Beziehung, Verhältnis von Ursache und Wirkung, Causalzusammenhang. Der Begriff der Causalität (Causalbegriff) ist ein allgemeiner, formaler Begriff (eine Kategorie, (s. d.)), ein Grundbegriff des Denkens, der für alle Erfahrung notwendig gebraucht wird. Insofern er in der Gesetzmäßigkeit unseres Denkens begründet ist, gemäß der wir keine Einheit, keinen Zusammenhang, keine objective Ordnung in unseren Vorstellungen herstellen, finden können ohne Auffassung eines Geschehens als »Abhängige«, als Folge, Wirkung, Bedingtes, Verursachtes eines andern, insofern also solcherart erst Erfahrung (s. d.) möglich ist, ist die Kategorie der Causalität a priori (s. d.). Aber ohne eine Grundlage in der Erfahrung kommt sie niemals zur Anwendung, sie ist durch die Erfahrungstatsachen motiviert, hat also ein empirisches Fundament. Was im einzelnen Ursache oder Wirkung ist, kann nur auf Grundlage der Erfahrung bestimmt werden, aber der Grundsatz: Kein Vorgang ohne zureichenden Grund, ohne bestimmte Ursache (- das Causalgesetz -), ist nicht rein empirisch, sondern entspringt einem Postulat (s. d.) unseres Denkens, in letzter Linie des denkenden Ich, das zugleich wollendes Ich ist und in seinem inneren, unmittelbaren Erleben sich selbst als causierend, als wirkend und wirkungsfähig vorfindet, um dann, veranlaßt durch die äußere Erfahrung, das Causalverhältnis (analog seinem eigenen) auch in dieser zu setzen. Anfangs wird die Ursächlichkeit ganz nach Art der eigenen Willenswirksamkeit aufgefaßt (infolge Assimilation und Introjection, (s. d.)), später treten abstractere Relationen von quantitativer Bestimmtheit an die Stelle innerer Kräfte. Gedacht, gemeint wird die Causalität, obgleich sie vom Denken gesetzt wird, also subjectiven Ursprung hat, als objective Verknüpfung, transcendentes (s. d.) Wirken. Etwas als causierend auffassen heißt schon, es als ein dem eigenen Ich Analoges, Gleichwertiges, Selbständiges, von uns Unabhängiges deuten. – Zu unterscheiden sind physische und psychische (psychologische) Causalität (s. WUNDT).
Betreffs des Ursprungs des Causalbegriffs bestehen folgende Ansichten: Der Rationalismus leitet ihn aus der Vernunft ab, der Empirismus aus der Erfahrung und Induction, der Psychologismus eines HUME aus Gewohnheit und subjectivem Glauben, der Apriorismus betrachtet ihn als ursprünglich, unabhängig von aller Erfahrung gültig, der Kriticismus im weiteren Sinne erklärt ihn aus der denkenden Verarbeitung der Erfahrungstatsachen, nach einigen stammt er aus der inneren Erfahrung und wird auf die äußere Erfahrung übertragen, die biologische Erkenntnistheorie erklärt ihn nach ihrer Art. Was die [162] Geltung dieses Begriffs betrifft, so wird ihm vom Realismus objective, transcendente, vom Idealismus subjective, erkenntnisimmanente Bedeutung zugeschrieben.
Zunächst wird der Causalbegriff dogmatisch (s. d.) verwendet und bestimmt. Daß der Causalität der Dinge in letzter Linie etwas Geistiges zugrunde liegt, meinen EMPEDOKLES (s. Kraft), ANAXAGORAS (s. Geist), HERAKLIT (s. Logos). Nach ihm beruht alles Geschehen auf vernünftiger Notwendigkeit (panta de kath' heimarmenên, Stob. Ecl. I, 5, 178). Auch PYTHAGORAS betont die in allem herrschende Notwendigkeit. DEMOKRIT spricht zum erstenmal das Causalgesetz aus: nichts geschieht von ungefähr, sondern alles aus einem notwendigen Grunde (ouden chrêma matên gignetai, alla tanta ek logou te kai hyp' anankês, Stob. Ecl. I, 4, 160). PLATO unterscheidet zwei Arten von Ursachen: aitiai prôtai (die Ideen, (s. d.)), die vernünftig wirkenden Gründe, und aitiai deuterai oder xynaitiai (Mitursachen), die im Materiellen liegen, gezwungen, blind, vernunftlos wirken, aber von der Vernunft geleitet werden können (Tim. 46 C-E, 56 C, 69 A). Alles Gewordene hat eine Ursache: anankaion einai panta ta gignomena dia tina aitian gignesthai (Phileb. 26 E). ARISTOTELES versteht unter Ursache (Grund, aition, aitia) besonders das, wovon die Veränderung sich herleitet (hothen hê archê tês metabolês), ferner das »Weswegen« (hou heneka) der Veränderung (Met. V 2, 1013 a 29 squ.), auch das »Woraus« (ex hou); der Stoff (hylê), die Form (eidos), der Grund (logos) gehören zu den Ursachen (Met. V 2, 1013 a 24 squ.). Er faßt auch bewegende, Zweck- und formale Ursachen in eins zusammen und stellt sie dem Stoffprincipe gegenüber (Phys. II 6, 198 a 24 squ.). Es gibt absolute und bloß beziehentliche (zufällige, accidentielle) Ursachen (kath' hauto, kata symbebêkos, Met. XI 8, 1065 a 29). Erstere sind bestimmt (hôrismenon), letztere unbestimmt (aoriston), entziehen sich der Erkenntnis (Phys. II 5, 196 b 28; Met. XI, 8, 1065 a 7, VI 2, 1027 a squ.), liegen in der Materie (l.c. VI 2, 1027 a 13). Die Stoiker betonen den strengen Causalzusammenhang der Dinge, die heimarmenê, die davon herstammt, daß eine Kraft als Vernunft (logos) und Vorsehung (pronoia) im All waltet; aller Zufall ist nur scheinbar (Plut., De fato 11, 574; 7, 572). Die Urkraft (pneuma, (s. d.)) gestaltet den Stoff, indem sie ihn durchdringt als das allein Tätige, Wirkende (to men oun paschon einai tên apoion ousian tên hylên, to de poioun ton en autê logon ton theon, Diog. L. VII, 134). Die göttliche Weltkraft wirkt als Einheit der Vernunftkeime (logoi spermatikoi, Diog. L. VII, 148). Das Schicksal hält alles in fester Ordnung zusammen (Diog. L. VII, 149). »Causa autem, id est ratio, materiam format et quocunque vult versat, ex illa varia opera producit; esse ergo debet, unde aliquid fiat, deinde a quo fiat« (SENECA, Ep. 65, 2). CHRYSIPP unterscheidet (nach CICERO, De fato 41) einen Teil der Ursachen als »perfectae et principales« von den »causae adiuvantes et proximae«. EPIKUR erklärt, aus nichts werde nichts (ouden ginetai ek tou mê ontos), denn sonst könnte aus allem alles werden (pan gar ek pantos eginet' an, Diog. L. X, 38). Ohne irgend welches göttliches Eingreifen (leitourgountos tinos, Diog. L. X, 76) hat ein Vorgang einen andern notwendig zur Folge. Aber nur Körperliches ist wirksam, weil alles Wirksame körperlich ist (l.c. 67). Nur ursprünglich weichen die Atome (s. d.) von der strengen Causalordnung ab. LUCREZ betont gleichfalls, »nullam rem e nilo gigni«, »nam si de nilo fierent, ex omnibus rebus omne genus nasci posset« (De rer. nat. I, 150, 159 f.). Die Skeptiker hegen Bedenken gegen die Geltung des Causalbegriffs. »Ursache« ist ein Relationsbegriff, bezieht sich notwendig auf Wirkung; da aber das Relative nur im [163] Denken besteht (epinoeitai monon), so hat die Ursache keine Existenz (ouch hyparchei, Sext. Empir. adv. Math. IX, 207 f.). Ferner kann die Ursache weder gleichzeitig mit der Wirkung sein, da sonst kein Erzeugungsverhältnis bestände; noch kann sie ihr vorangehen, weil ohne die Wirkung nichts »Ursache« ist; noch nachfolgen, denn das ist unsinnig. Ursache und Wirkung setzen einander gegenseitig voraus, jede Causalerklärung führt zu einer Diallele (s. d.). Auch kann Gleichartiges weder auf Gleichartiges, noch auf Ungleichartiges wirken (l.c. IX, 241; Pyrrh. hyp. III, 3; Diog. L. IX, 98 f.). PLOTIN führt die Causalität auf das Wirken der logoi spermatikoi (noerai dynameis,), der vernünftigen Kräfte (»Begriffe« »Gründe«), in den Dingen zurück (Enn. III, 2). Alles Endliche hat seine Ursache, es gibt kein Ursachloses (Enn. III, 1). Die natürlichen (empirischen) Ursachen müssen zunächst aufgesucht werden (ib.).
Die Scholastiker unterscheiden verschiedenartige Ursachen (s. causa), legen ihnen innere Kräfte, »verborgene Qualitäten«, »substantielle Formen« (s. d.), zugrunde und betonen, daß Gott der Urgrund, die Seinsursache sei. So auch die Motakallimûn und AVERROËS: »Intellectus divinus est causa rerum... et principium in omnibus et ubique causans est« (bei ALBERTUS MAGNUS, Sum. th. I, 60, 4). THOMAS betont (wie AUGUSTINUS), die Ursächlichkeit bestehe nicht im Überführen einer Qualität von einem Dinge zum andern, sondern in der Verwirklichung einer Möglichkeit (im Sinne des ARISTOTELES). »Agens naturale non est traducens propriam formam in alterum subiectum, sed reducens subiectum quod patitur de potentia in actum« (De pot. 3, 13). In gewisser Weise strebt jedes Wirksame »suam similitudinem in effectum inducere, secundum quod effectum capere potest« (Contr. gent. II, 45). Gott ist der letzte Grund der Dinge, nur durch ihn vermögen sie zu wirken. »Deus est causa rei non solum ad formam, sed etiam quantum ad materiam, quae est principium individuationis« (Sent. II, dist. III, 2, 3). »Deus non solum dat rebus virtutem, sed etiam nulla res potest propria virtute agere, nisi agat in virtute ipsius« (Contr. gent. III, 89).
ECKHART sieht in allem Geschehen einen Ausfluß göttlicher Wirksamkeit. NICOLAUS CUSANUS vereinigt den Begriff der Naturcausalität mit dem der göttlichen Wirksamkeit. AGRIPPA VON NETTESHEIM erklärt: »Nulla... est causa necessitatis effectuum, quam rerum omnium connexio cum prima causa et correspondentia ad illa divina exemplaria et ideas aeternas« (Occ. philos. I, 1). PARACELSUS erkennt nur innere Ursachen an. Dagegen fassen CARDANUS, TELESIUS, CAMPANELLA, GALILEI u. a. die Causalität der Natur als eine mechanische (s. d.) auf. So auch F. BACON und besonders HOBBES. Nach ihm »wirkt« ein Körper auf jenen Körper, in welchem er einen Zustand erzeugt oder vernichtet (De corp. IX, 1). Die vollständige Ursache ist ein Aggregat aller Zustände (Accidentien) des Tätigen (l.c. 3). Mit der vollständigen Ursache ist die Wirkung gegeben. Jede Wirkung setzt notwendig eine Ursache voraus (l.c. 5). DESCARTES rechnet das Causalgesetz (»ex nihilo nihil fit«) zu den »ewigen Wahrheiten« (s. d.), d.h. zu den denknotwendigen Sätzen, die immer gelten (Princ. phil. I, 49). Alles Geschehen hat eine Ursache seiner Existenz sowohl wie seiner Fortdauer (Resp. ad I. Obi.). Nicht die Zweck-, sondern die bewegenden Ursachen sind wissenschaftlich zu suchen. »Ita denique nullas unquam rationes circa res naturales, a fine, quem Deus aut natura in iis faciendis sibi proposuit, desumemus... Sed ipsum ut causam efficientem rerum omnium considerantes, videbimus, quidnam ex iis eius attributis, quorum[164] nos nonnullam notitiam voluit habere, circa illos eius effectus, qui sensibus nostris apparent, lumen naturale, quod nobis indidit, concludendum esse ostendat« (Princ. phil. I, 28). SPINOZA erblickt in Gott oder der »natura naturans« den Urgrund alles Geschehens, aber derselbe ist den Dingen immanent, wirkt in ihnen als Substanz (s. d.). Aus Gott »folgt« (sequitur) alles mit mathematisch-logischer Notwendigkeit, wie aus der Natur des Dreiecks folgt, daß es zwei rechte Winkel hat (Eth. I, prop. XVI). Gott ist »causa efficiens«, »causa per se«, »absolute causa prima« (Eth. I, prop. XVI). »Deus est omnium rerum causa immanens, non vero transiens« (l.c. prop. XVIII). Innerhalb des Alls ist jedes Geschehen streng causal – ohne finale Ursachen (s. Teleologie) – bedingt, ein Modus (s. d.) der »Substanz« durch den andern. »Ex data causa determinata necessario sequitur effectus, et contra si nulla detur determinata causa, impossibile est, ut effectus sequatur« (Eth. I, ax. III, prop. XXVIII). »Effectus cognitio a cognitione causae dependet et eandem involvit« (l.c. ax. IV). Nichts ist ohne Wirkung: »Nihil existit, ex cuius natura aliquis effectus non sequatur« (Eth. prop. XXXI). Sowohl für die Existenz als die Nichtexistenz eines Dinges (Geschehens) muß ein Grund, eine Ursache bestimmt werden. »Cuiuscunque rei assignari debet causa seu ratio, tam cur existit, quam cur non existit« (l.c. prop. XI, dem.). »Adäquate« Ursache (»causa adaequata«) ist jene, »cuius effectus potest clare et distincte per eandem percipi«, »inadäquate« (oder »partielle«) Ursache jene, »cuius effectus per ipsam solam intelligi nequit« (Eth. III, def. I). Geistiges kann nicht auf Körperliches wirken, es besteht hier nur ein Parallelismus (s. d.). Gott ist »causa sui« (s. d.), hat keinen Seinsgrund außer sich, besteht in und durch sich. Auch GEULINCX (s. Occasionalismus) und MALEBRANCHE erkennen in Gott die wahre Ursache alles Geschehens. Letzterer betont: »Il y a nul rapport de causalité d'un corps à un esprit. Que dis-je! il n'y en a aucun d'un esprit à un corps. Je dis plus, il n'y en a aucun d'un corps à un corps, ni d'esprit à un autre esprit« (Entret. sur la mét. IV, 11). »Dieu, qui agit en nous« (Rech. II, 6). »Il n'y a donc qu'un seul vrai Dieu et qu'une seule cause, qui soit véritablement cause, et l'on ne doit pas s'imaginer que ce qui précède un effet en soit la véritable cause« (Rech. VI, 2, 3). Das Einzelgeschehen ist nur Gelegenheit (»occasio«) für ein durch das Ganze bestimmtes anderes. LEIBNIZ führt das Causalprincip auf das Denkgesetz des »Satzes vom Grunde« (s. d.) zurück, welches dazu dient, Erfahrungstatsachen zu begreifen. Nach diesem Gesetze geschieht nichts ohne zureichenden Grund (»raison suffisante«); das ist keines Beweises bedürftig (Monad. 32, 36; Theod. I, § 44; 3. u. 5. Br. an Clarke). Aber die Causalität besteht nicht in einem »influxus« eines Dinges auf andere, alle Wirksamkeit ist immanent, bleibt innerhalb der Wesen, Monaden (s. d.). Aus der Einfachheit dieser folgt, daß die natürlichen Veränderungen der Monaden von einem inneren Princip kommen (Monad. 11). Jeder gegenwärtige Zustand einer Monade ist eine natürliche Folge ihres vorhergehenden Zustandes (l.c. 22). Keine wahrhafte, directe Wechselwirkung besteht zwischen den Dingen, sondern eine »prästabilierte Harmonie« (s. d.), aus der eine bestimmte Ordnung, eine bestimmte Abhängigkeit der Dinge voneinander sich ergibt, obgleich die Tätigkeit derselben in ihnen verbleibt. »L'action entre substances créés ne consistant que dans cette dépendance que les unes ont des autres en suite de la constitution originale, que Dieu leur a donnée...« (Gerh. IV, 492). »Les efforts sont chez eux et ne vont pas des unes dans les autres, ear ce ne sont que des tendances« (l.c. S. 493). Es[165] gibt auch eine rein psychische Causalität in den Seelen: »L'âme est excitée aux pensées suivantes par son objet interne, c'est-à-dire par les pensées précédentes« (Gerh. III, 464). Nach CHR. WOLF ist Causalität »ratio illa in causa contenta, cur causatum vel simpliciter existat vel tale existat« (Ont. § 884). CRUSIUS nennt Causalität »dasjenige Verhältnis zwischen A und B, da die Wirklichkeit B von der Wirklichkeit A abhanget, ohne daß B nur mit A zugleich ist oder darauf folget, und auch so, daß B kein Teil, determinierende oder inhärierende Eigenschaft von A sein darf« (Vernunftwahrh. § 32).
Eine psychologische Erklärung des Causalbegriffes beginnt bei LOCKE, der ihn auf die Wahrnehmung der Entstehung von Eigenschaften und Dingen durch die Tätigkeit anderer Dinge zurückführt (Ess. II, ch. 26, § 1). Der Causalbegriff ist ein Relationsbegriff, der aus der Vergleichung mehrerer Dinge miteinander entspringt, wobei dasjenige, dem Tätigkeit und Kraft (»power«) zugeschrieben wird, als Ursache gilt (l.c. § 2). BERKELEY betont, daß den Körpern (s. d.) als bloßen »Ideen« keine Wirksamkeit zukommt. Gott ist es, der die regelmäßige Verknüpfung der Ereignisse herstellt (Princ. XXX). Wir schreiben den Dingen dann Kraft und Tätigkeit zu, wenn wir bemerken, daß auf gewisse Vorstellungen beständig bestimmte andere Vorstellungen folgen und wir zugleich wissen, daß dies nicht von unserem Tun herrührt (l.c. XXXII). Die vermeintlichen »Ursachen« sind aber nur Zeichen für das Auftreten bestimmter Zustände, die wir erwarten müssen (l.c. LXV). Die einzige erkennbare Ursache ist der Geist (s. d.). CONDILLAC bemerkt: »Après les effets qu'on voit, on juge des causes qu'on ne voit pas. Le mouvement d'un corps est un effet: il y a donc une cause. Il est hors de doute que cette cause existe, quoiqu' aucun de mes sens ne me la fasse apercevoir, et je la nomme force« (Log. I, 5). Nach BONNET führt die Beobachtung (»observation«), daß die Natur sich stetig verändert, und daß jede Veränderung die unmittelbare Folge irgend welcher vorangegangenen ist, zum Causalbegriff (Ess. de Psych. C. 16).
Daß aus der Wahrnehmung des regelmäßigen Zusammenvorkommens von Zuständen nicht ohne weiteres auf einen Causalzusammenhang geschlossen werden kann, betont GLANVILLE. »All knowledge of causes is deductive, for we know none by simple intuition, but through the mediation of their effects. So that we cannot conclude any thing to be the cause of another but from its continual accompanying it, for the causality itself is insensible. But now to argue from a concomitancy to a causality is not infallibly conclusive, yea in this way lies notorious delusion« (Sceps. scient. 23, p. 142). HUME vollends erklärt, die Gültigkeit des Causalprincips sei weder aus der Vernunft noch aus der objectiven Erfahrung zu deducieren, sondern der Causalbegriff entstehe rein subjectiv-psychologisch, durch die subjective Notwendigkeit der Ideenassociation. Das Causalgesetz lautet: »Whatever begins to exist, must have a cause of existence« (Treat. I, p. 380). Die Causalität liegt nicht in den Sinnesimpressionen, sondern beruht auf geistiger Verknüpfung von Vorstellungen (l.c. III, sct. 14). Die regelmäßige, constante Verbindung von Vorstellungen erzeugt in uns die Erwartung einer bestimmten Vorstellung beim Auftreten der einen, ein Gefühl der Notwendigkeit, von einer zur andern überzugehen, einen subjectiven Glauben (belief), der aus dem post hoc ein propter hoc macht, eine Notwendigkeit in die Dinge hineinlegt, obgleich sie nur im Bewußtsein steckt (ib. und Inquir. IV, 1). So muß es sein, denn begrifflich, a priori, kann eine Wirkung aus der Ursache nicht gefunden werden (Inqu. IV, 1, 11); die Erfahrung wiederum[166] enthält keine »impressions«, von denen der Causalbegriff zu abstrahieren wäre; er hat keine anschauliche Grundlage. Das Dasein objectiver und noch weniger metaphysischer Ursachen und Kräfte ist also nicht plausibel und erkennbar zu machen, wiewohl wir den Causalbegriff empirisch nicht entbehren mögen; er ist hier actueller Natur, bezieht sich nicht auf Dinge, sondern auf Vorgänge, die miteinander associativ verknüpft werden (Inquir. IV, 1). Ähnlich lehren teilweise JAMES MILL (Anal. ch. 24) und TH. BROWN (On cause and effect p. 108 ff.).
Die schottische Schule betrachtet den Causalbegriff als ursprünglich, als ewige Wahrheit, als »selbst-evident« im Denken liegend. Nach FERGUSON ist bei jeder wahrgenommenen Veränderung »der Mensch von Natur geneigt, eine verändernde Kraft oder Ursache zu vermuten« (Gr. d. Moralphil. S. 4). MENDELSSOHN meint, »daß die öftere Folge zweier Erscheinungen aufeinander uns die gegründete Vermutung gäbe, daß sie miteinander in Verbindung stehen« (Morgenst. I, 2). Nach TETENS nehmen wir den Causalbegriff »zunächst aus dem Gefühl von unserem eigenen Bestreben und dessen Wirkungen« und übertragen ihn dann auf die Außendinge (Phil. Vers. I, 323 f.). Die Theorie HUMEs kritisiert er, mit Anerkennung des in dieser Berechtigten (l.c. I, 312 ff.). Doch sieht er im Causalbegriff weder ein Product der Association noch der Induction, sondern ein Denk- (Verstandes-) Erzeugnis, eine »notwendige Wirkungsart« des Denkens, die aus dem »Beziehen« entspringt (l.c. S. 317 ff.).
Als eine Kategorie (s. d.) des Denkens, als apriorischer (s. d.), ursprünglicher, unabhängig von der Erfahrung gültiger, diese schon bedingender, in der Einheit des reinen Ich begründeter, den objectiven Zusammenhang der Vorstellungen herstellender, aber nur für die Dinge als Erscheinungen (s. d.) gültiger Begriff wird die Causalität von KANT bestimmt. Mit Hume stimmt er darin überein, daß wir »die Möglichkeit der Causalität, d. i. der Beziehung des Daseins eines Dinges auf das Dasein von irgend etwas anderem, was durch jenes notwendig gesetzt werde, durch Vernunft auf keine Weise einsehen« (Proleg. § 27). Aber er ist weit entfernt, den Causalbegriff »als bloß aus der Erfahrung entlehnt« und die causale Notwendigkeit »als angedichtet und für bloßen Schein zu halten, den uns eine lange Gewohnheit vorspiegelt« (ib.). Vielmehr ist der Ursprung des Causalbegriffs ein logischer, intellectualer, indem dieser Begriff erst Erfahrung ermöglicht, objective Notwendigkeit in ihr erzeugt, setzt. Er ist ein Einheitsbegriff, eine Form aller Erfahrung, ein »reiner Verstandesbegriff«, der nicht in der Wahrnehmung liegt (Krit. d. r. Vern. S. 181). Es ist eben »nur dadurch, daß wir die Folge der Erscheinungen, mithin alle Veränderung dem Gesetze der Causalität unterwerfen, selbst Erfahrung möglich« (ib.). So ergibt sich a priori das Gesetz: »Alles, was geschieht (anhebt zu sein), setzt etwas voraus, worauf es nach einer Regel folgt« (l.c. S. 180). Die Vorstellung der Aufeinanderfolge setzt schon die Nötigung, die Ordnung der Wahrnehmungen als eine bestimmte zu betrachten, voraus (l.c. S. 186). Das Schema der Zeitfolge ermöglicht die Anwendung des Causalbegriffs auf die Anschauung (l.c. S. 191). Dieser dient der Herstellung »einer synthetischen Vereinigung der Wahrnehmungen in einem Bewußtsein überhaupt«, bezieht sich aber nicht auf Dinge an sich (s. d.), die völlig unerkennbar sind (Proleg. § 29). Der Causalbegriff hat also wohl objective Gültigkeit, aber keine transcendente (s. d.) Realität. Als empirische Ursachen sind nicht Dinge, sondern Vorgänge anzusehen.[167] Nach BECK ist die Causalität »die ursprüngliche Synthesis der Zustände eines Beharrlichen und eine ursprüngliche Anerkennung, wodurch diese Synthese fixiert und objectiv wird« (Erl. Ausz. III, 159). SCHOPENHAUER bezeichnet die Causalität als »die einzige Kategorie, die sich nicht wegdenken läßt«. Sie ist a priori (s. d.), eine Grundfunction des reinen Verstandes, eine Bedingung aller Erfahrung, durch die erst das Bewußtsein von Außendingen (s. Object) entsteht. Der Causalbegriff ist eine der Gestaltungen des Satzes vom Grunde (s. d.). Die »Ursache« ist kein Ding, sondern immer eine Veränderung (W. a. W. u. V. II. Bd., C. 4). HELMHOLTZ betrachtet das Causalgesetz als a priori gegeben und transcendental (s. d.), es bedingt alle Erfahrung (Tats. in d. Wahrn. S. 42, Vortr. u. Red. II4, 243 f.). Auch nach O. SCHNEIDER ist die Causalität eine apriorische Kategorie des Denkens (Transcendentalpsych. S. 129). L. NOIRÉ sieht in ihr eine apriorische Form des Denkens (Einl. u. Begr. ein. mon. Erk. S. 25). Er unterscheidet Empfindungs- oder innere und Bewegungs- oder äußere Causalität (l.c. S. 27). Die »wahre Causalität« ist das Ich (l.c. S. 175). Nach WINDELBAND ist das Causalgesetz »der assertorische Ausdruck für unser Postulat der Erklärung« (Prälud. S. 217). A priori, aber transcendent gültig ist die Causalilität nach MAINLÄNDER. A priori und bloß erkenntnisimmanent, für mögliche Erfahrungen gültig ist der Causalbegriff nach A. LANGE, H. COHEN, P. NATORP, O. LIEBMANN (Anal.2, S. 190), H. LORM (Grundlos. Optim. S. 163 ff.), WITTE (We(s. d.) Seele S. 154 f.), E. KOENIG u. a. Betreffs M. DE BIRAN, RENOUVIER, MANSEL u. a. vgl. unten.
Bevor wir die an die KANTsche Auffassung der Causalität sich weniger streng anschließende, aber doch nicht (rein) empirische Bestimmung des Causalbegriffs verzeichnen, sei erst noch eine Reihe z. T. objectiv-metaphysischer Formulierungen erwähnt. S. MAIMON bemerkt: »Nicht das Dasein eines Objects ist Ursache zum Dasein eines andern Objects, sondern bloß das Dasein eines Objects Ursache von der Erkenntnis des Daseins eines andern Objects als Wirkung und umgekehrt« (Vers. üb. d. Tr. S. 223). Nach J. G. FICHTE stammt der Causalbegriff aus ursprünglichen Setzungen (s. d.) des Ich. Indem das Ich (s. d.) Realität im Nicht-Ich setzt, findet es sich durch dieses bestimmt und leidend, während das Nicht-Ich als tätig erscheint (Gr. d. g. Wiss. S. 64). SCHELLING sieht im Causalitätsverhältnis »die notwendige Bedingung, unter welcher allein das Ich das gegenwärtige Object als Object anerkennen kann« (Syst. d. tr. Ideal. S. 222). Ohne Wechselwirkung kein Causalverhältnis (l.c. S. 228). »Nach dem Gesetz der Ursache und Wirkung zu urteilen, ist uns... durch eine nicht bloß von unserem Wollen, sondern selbst von unserem Denken unabhängige und diesem vorausgehende Notwendigkeit auferlegt,« es ist ein »reales Princip« (Zur Gesch. d. neueren Phil. WW. I, 10, 78). Nach HEGEL ist jede Ursache (s. d.) eigentlich »causa sui« (s. d.), die sich in eine unendliche Reihe spaltet (Encykl. § 153). K. ROSENKRANZ erklärt: »Zur Causalität wird eine Substanz, wenn sie ein von ihrer Macht relativ selbständiges Dasein setzt, welches, als gesetztes..., fortan sein eigenes Schicksal zu haben vermag.« »Die Substanz wirkt nur sich selbst aus,« als Ursache setzt sie sich in der Wirkung; es entsteht ein »nexus rerum omnium cum omnibus« (Syst. d. Wiss. S. 82 ff.). HILLEBRAND betrachtet das Causalgesetz als ein real-objectives, dessen Notwendigkeit in der unveränderlichen Gegenseitigkeit der Substanzen liegt (Phil. d. Geist. I, 16 f.). TRENDELENBURG leitet die Causalität aus der »constructiven Bewegung« des Denkens ab; sie ist ein subjectiv-objectiv gültiger Begriff (Gesch.[168] d. Kateg. S. 366). Nach HERBART enthält der Causalbegriff »Widersprüche« (s. d.), die sich aus dem Denken der Veränderung und dem Grunde derselben ergeben; dieser kann weder eine äußere noch eine innere Ursache der Veränderung sein, noch kann dieselbe ursachlos sein, auf ein absolutes Werden zurückgeführt werden. Es kann nicht der Erfolg eines Wirkens auf ein anderes Ding übergehen (wie Leibniz). Vielmehr ist anzunehmen, daß die realen Wesen sich gegen die »Störungen« ein »Zusammen« mit anderen in ihrem Selbst erhalten. Dieses Sich-selbst-erhalten ist das wirkliche Geschehen, die immanente Causalität in den Dingen, die im »Zuschauer« den »objectiven Schein«, die »zufällige Ansicht« einer Wechselwirkung erzeugt (Met. II, 209 ff.). Es gibt metaphysisch nur Gelegenheitsursachen, keine äußerlich wirkenden Kräfte. Auch LOTZE betont, die Causalität sei keine Ablösung eines Zustandes und Übergehen desselben von Ding zu Ding; jede Ursache sei Gelegenheitsursache, Veranlassung. »Überall besteht das Wirken eines a auf ein b darin, daß nach einer allgemeinen Weltordnung ein Zustand des a für b die zwingende Veranlassung ist, auf welche dieses b aus seiner eigenen Natur einen neuen Zustand b hervorbringt, der im allgemeinen mit dem Zustand von a keine Ähnlichkeit zu haben braucht« (Grdz. d. Psychol. § 67). Die Causalität ist eine Beziehung, der in Wirklichkeit nur eine Abfolge innerer Zustände der Dinge entspricht (Grdz. d. Met. § 44). Sie ist stets Wechselwirkung, deren Begriff lautet: Wenn zwei Dinge a und b in eine bestimmte Beziehung c treten, so geht a in a, b in b, c in g über (l.c. 33). Ein »Übergang« von Zuständen kann aber deshalb nicht stattfinden, weil solche nicht einen Augenblick ohne Substrat in der Luft schweben können (l.c. § 35). Erklärlich ist die Wechselwirkung jedoch nur, wenn man die Dinge als »Teile«, »Modificationen«, »Emanationen« eines Einheit herstellenden Urwesens (M) ansieht, so daß alle Causalität auf Gott zurückführt. »Wenn nun in dem Einzelwesen a ein Zustand a entsteht, so ist dies a sofort auch ein Zustand des M. Denn da a nichts anderes ist als ein Teil von M, so ist jener Zustand des a zugleich einer des M.« »So wie nun a in unserer Beobachtung sich als Zustand oder Prädicat eines Einzelwesens a darstellt so können b und g als Zustände anderer Einzelwesen b und c erscheinen, und dies gibt für uns den Anschein, als wirkte a unmittelbar auf ein von ihm unabhängiges b, während in der Tat nur M auf sich selbst wirkt, d.h. gewisse Vorzustände des M innerhalb der Wesenseinheit des M die Folgezustände hervorbringen, die um der Natur des M willen ihre consequente Folge sind« (l.c. § 38; Mikrok. I, 162, II, 158, 308, III, 232; Met. 103 ff., 359 ff.; Log. 192, 518 ff.). E. v. HARTMANN sieht in der Causalität eine Kategorie (s. d.), das Product einer »unbewußten Intellectualfunction«, durch die der Erfahrungsstoff geordnet, vereinheitlicht wird. Aber die »Causalität in der subjectiv idealen Sphäre« ist »repräsentative Nachbildung objectiv realer Causalbeziehungen fürs Bewußtsein« (Kategor. S. 377). Der objectiven liegt wieder die Causalität des Absoluten in der »metaphysischen Sphäre« zugrunde (l.c. S. 363). Alle Causalität ist »Transformation einer Intensität aus einer Erscheinungsform in eine andere«, d.h. sie ist »allotrop« (l.c. S. 408). Die »transcendente« Causalität umfaßt die »intraindividuelle«, »interindividuelle«, »allotrope« und »isotrope« Causalität. »Transeunt« ist die Causalität, die von einer Substanz zur andern übergeht; solche ist aber unmöglich (l.c. S. 417). Daher können die Individuen keine Substanzen sein (l.c. S. 419). Alle interindividuelle Causalität ist eine intraindividuelle in Bezug auf das Universum (ib.). »Alle Wechselwirkungen der Individuen untereinander sind gesta absoluti[169] per individua« (l.c. S. 421; vgl. Phil. d. Unbew.3, S. 790). Alle psychische Causalität ist unbewußt (s. d.).
Aus der Anwendung der Gesetzmäßigkeit des Denkens auf den Inhalt der Erfahrung, aus der begründenden Natur des Denkens, das in alle seine Inhalte Einheit und Zusammenhang bringen muß, um seile Identität zu bewahren, leiten verschiedene Philosophen den Causalbegriff ab, der bald mehr realistisch, bald mehr idealistisch aufgefaßt wird. Nach L. STRÜMPELL hat der Satz vom Grunde auch für diejenigen Prämissen Gültigkeit, in welche die Tatsachen der Wahrnehmung eingefügt sind (Der Causalitätsbegr. S. 22). Aus dem Satze vom Grunde folgt, »daß, wo Prämissen gegeben sind, sich logisch notwendig die Conclusion, und zwar nur die eine ergibt, für welche der zureichende Grund in den Prämissen liegt. Diese Folgerung wandelt sich da, wo die Prämissen eine Erfahrungstatsache einschließen und in der Conclusion wieder zu der Vorstellung einer Erfahrungstatsache zurückführen, in den Satz um, daß in jenen Prämissen die Ursachen, in der Conclusion die notwendige Wirkung der Ursachen erkannt sei« (l.c. S. 24). Das Causalitätsgesetz heißt, »daß alles, was geschieht, sich also als Wahrnehmungstatsache darstellt, auch denknotwendig ist« (ib.). »Die Causalität bedeutet... dasjenige Verhältnis zwischen den logischen Wahrheiten und einer an sich unbekannten unsinnlichen Wirklichkeit, nach welchen beide in dem Gebiet der Tatsachen zusammenstimmend sich verknüpfen« (l.c. S. 25). »Der wahre Sinn des Causalitätsgesetzes ist daher nicht der gewöhnliche Gedanke, daß jede Wirkung ihre Ursachen habe, sondern daß jede Tatsache ein Glied im intellectuellen Baue der Welt ist und sich als solche begreifen läßt« (l.c. S. 26). Nach B. ERDMANN sagt das Causalgesetz aus, »daß wir Vorgänge nur als wirklich annehmen, sofern wir zureichende Ursachen ihrer Wirklichkeit voraussetzen« (Log. I, 298). Nach SIGWART entspringt aus der Natur des Denkens »die Forderung, daß, was wir als seiend denken, aus einem Realgrund seines Seins und So-Seins als notwendig begriffen werde« (Log. II2, 134). Ein »Musterfall« aller Causalität sind die uns am meisten interessierenden »Wechselbeziehungen zwischen uns und der Außenwelt« (l.c. S. 142 f.). Das metaphysische Element (den Gedanken) des »Wirkens eines Dinges auf andere kömnen wir nicht entbehren« (l.c. S. 179). Nach LIPPS ist die Causalität ein Specialfall des Satzes vom Grunde (Gr. d. Seelenleb. S. 443). »Jede Veränderung im Inhalte einer Vorstellungsnötigung setzt eine Veränderung in den Bedingungen der Vorstellungsnötigung voraus« (l.c. S. 443). Das Causalgesetz ist nicht der Erfahrung entnommen, sondern ist »ein Gesetz unseres Denkens, ein Gesetz, das in der Natur des menschlichen Geistes liegt« (Eth. Gr. S. 259); es beruht auf einem »Vertrauen in die Gesetzmäßigkeit alles Geschehens in der Welt« (l.c. S. 263). Nach HÖFFDING ist das Causalprincip ein Ideal, das durch unser Erkennen nie vollständig verwirklicht werden kann (Psychol.2, S. 292). MÜNSTERBERG betont: »Regelmäßigkeiten haben... Erklärungswert nur, wenn sie als Bürgschaften oder wenigstens als Anzeichen reiner Notwendigkeiten anerkannt werden« (Princip. d. Psychol. S. 80). Die Forderung des Causalzusammenhanges ist (wie der Satz vom Grunde überhaupt) nur eine Anwendung des Identitätsprincipes. »Aller Causalzusammenhang ruht auf der Identität der Objecte, aller logische Zusammenhang auf der Identität der Subjectacte« (l.c. S. 82). Nach H. SPENCER entspringt der Begriff der Verursachung dem Denken (Psych. II, § 398) auf Grundlage von Erfahrungen der ganzen Gattung (s. A priori).[170] Nach RIEHL ist die Causalität »die Anwendung des Satzes vom Grunde auf die zeitlichen Veränderungen der Erscheinungen oder kurz: das Princip des Grundes in der Zeit« (Phil. Kr. II, 1, 240). Causalität besagt, »daß jeder Vorgang zu bestimmten früheren im Verhältnis der Folge stehe, drückt mithin den Gedanken der Continuität des Geschehens aus« (l.c. II, 2, 46). Psychologisch ist sie der »Ausdruck des Gefühls der Abhängigkeit einer Erscheinung von einer andern und des Triebes, die wahrgenommene Veränderung meines Zustandes anschaulich zu ergänzen« (l.c. S. 65). Ihrem Inhalte nach stammt die Vorstellung des Verursachens aus dem Bewußtsein der eigenen Willenstätigkeit (Phil. Kritic. II, 1, 209). »Wir suchen Ursachen in der Natur, weil wir selbst Ursachen in ihr sind, wenn wir auch nicht wissen wie« (Zur Einf. in d. Philos. S. 101). Zu betonen ist: »Ursächliche Abfolge unterscheidet sich von zeitlicher Folge, auch wenn diese eine vollkommen regelmäßige ist, durch die Constanz der Größe, die das Vorangehende mit dem Folgenden einheitlich verbindet, und da diese Verbindung der Form alles Begreifens, dem Satze des logischen Grundes, d. i. der Identität des Grundes in der Folge entspricht, macht sie zugleich die Notwendigkeit im ursächlichen Verhältnis begreiflich« (Zur Einf. in d. Philos. S. 144). VOLKELT verbindet mit dem Ausdruck »Causalität« den Sinn, »daß eine Erscheinung für eine andere bestimmend, maßgebend ist«. Causalität bezeichnet ein Abhängigkeitsverhältnis, zu ihr gehört das »Durch« (Erf. u. Denk. S. 89), das zu den Erscheinungen »hinzugedacht« wird. Aber der Sinn des Causalitätsgedankens ist der, »daß das causale Verhalten von den betreffenden Erscheinungen selber geleistet werde, sie selber angehe« (l.c. S. 95). »Das Bewußtsein postuliert die Causalität, es bestimmt, daß im Transsubjectiven Causalität herrsche, ohne doch je mit dem Transsubjectiven in Berührung kommen zu können« (ib.). Causalität bedeutet »unabänderliche Regelmäßigkeit in der Verbindung zweier Factoren oder Factorencomplexe« (l.c. S. 226). Nach G. SPICKER beruht alles Denken auf einem sinnlichen Substrate, geht aber über dieses hinaus (Kant, Hume u. Berkeley, S. 165). Die Causalität ist a priori, insofern die Denknotwendigkeit schon aller »Gewohnheit« u. dgl. zugrunde liegt (l.c. S. 178 f.). Durch den Causalbegriff wird die Erfahrung überschritten, er führt zum Ding an sich (l.c. S. 42). Nach G. THIELE »meint« die Kategorie der Causalität etwas außer dem Denken, sie bezieht sich auf etwas außer ihr, sei es was immer (Philo(s. d.) Selbstbew. S. 74 f., 183, 411).
WUNDT unterscheidet vom »substantiellen« Causalbegriff, dessen Ursprung ein anthropomorpher ist, den »actuellen«, der Vorgänge (nicht Dinge) miteinander verknüpft; er enthält nichts Metaphysisches (Syst. d. Phil.2, S. 290 f., Log. I2, S. 595 ff.). Die naturwissenschaftliche Bedeutung des Causalprincips besteht darin, daß der gesamte Zusammenhang der Erscheinungen als einziges System von Gründen und Folgen betrachtet werden will. Die speciellen Naturgesetze sind schon Anwendungen des Causalprincips, das nicht zu entbehren, nicht zu »eliminieren« ist (Syst. d. Phil.2, S. 288 ff.; Log. II2, 1, S. 28, 30 f., 343 ff.; Phil. Stud. XIII, 98 f., 104, 404; Einleit. in d. Philos. S. 299). Betreffs des Ursprungs des Causalbegriffs ist gegen HUME zu sagen, daß die Association, auf die er sich berufe, zu viel erkläre, »weil sie über die Regeln, nach denen wir aus einer größeren Zahl associativ verbundener Erscheinungen diejenigen auswählen, denen wir eine Causalverbindung zuschreiben, keine Rechenschaft gibt«. Die Annahme der Apriorität des Causalbegriffs wiederum macht die Frage nach den Kriterien, die zur Anwendung dieses Begriffs veranlassen, nicht entbehrlich. Nach WUNDT liegt die Quelle der Notwendigkeit des Causalgesetzes im Logischen,[171] im Satz vom Grunde. Aus ihm geht das Causalprincip hervor, indem es »lediglich die Anwendung des letzteren auf den gesamten Inhalt der Erfahrung darstellt«. Es ist »Erfahrungsgesetz«, insofern es »für alle Erfahrung gilt, weil unser Denken nur Erfahrungen sammeln und ordnen kann, indem es sie nach dem Satz vom Grunde verbindet«. Apriorisch ist das Causalprincip, insofern es auf der Gesetzmäßigkeit des Denkens beruht, empirisch, insofern es Anschauungen voraussetzt, auf die es anwendbar ist. Es hat den Charakter eines Postulates, dem sich die Erfahrung überall fügt, wobei sie die Form der Anwendung des Causalprincips bestimmt. So setzt ihr die Erfahrung Schranken. Erst aus den besonderen Bedingungen der Raumanschauung und des Substanzbegriffs geht das Princip der Äquivalenz von Ursache und Wirkung hervor. Im Psychischen hat dieses keine Anwendung, hier herrscht vielmehr ein Princip des Wachstums geistiger Energie (s. d.) (Log. I2, S. 556, 606 ff., 611 ff., II2, 2, S. 141; Phil. Stud. X, 108, XII, 388, 393; Gr. d. Psych.5, S. 395 f.; Syst. d. Phil.2, S. 304). Vermittelst der psychischen Causalität wird der Zusammenhang der Bewußtseinsvorgänge hergestellt. Diese Causalität ist unmittelbar-anschaulicher Art, während die physische Causalität begrifflich-abgeleitet ist. Beide Causalitäten sind aber in Wahrheit nur eine, die sich von verschiedenen Standpunkten aus verschieden darstellt und die in der logischen Causalität des Denkens in unmittelbarster Reinheit gegeben ist (Syst. d. Phil.2, 291, 593 f., 301; Log. I2, 625 ff., II2, 2, 291; Phil. Stud. X, 107, 109, 111). Die psychische Causalität ist rein actueller Art, setzt keine Substanz (s. d.) voraus.
Auf die Erfahrung und auf Induction wird das Causalgesetz mehrfach zurückgeführt, wobei aber oft das Bedürfnis oder der Trieb nach Zusammenhang der Erfahrungen oder irgend eine allgemeine Voraussetzung immerhin als ein relativ Apriorisches anerkannt werden muß. J. ST. MILL führt das Causalgesetz auf Induction (s. d.) zurück, die aber selbst die Gleichförmigkeit des Naturverlaufes voraussetzt – was allerdings auch wieder Resultat allgemeinster Induction sei. Im einzelnen erklärt sich das Causalgesetz aus der Beobachtung einer »Unveränderlichkeit der Succession zwischen einer Tatsache in der Natur und einer andern, die ihr vorhergegangen ist« (Log. I, 386). Ein »ursprünglicher Fetischismus« ist es, »daß wir unsere Willensacte als Typus aller Causalität auffassen« (l.c. S. 415). Wir verlegen unser Anstrengungsgefühl beim Überwinden eines Hindernisses in die Außendinge (Exam. p. 378). Nach C. GOERING ist das Causalgesetz das Ergebnis der Induction (Syst. d. Krit. Phil. II, 211). Es besagt, daß jede Wirkung ihre Ursache hat. Seinen Inhalt bildet »die durch Erfahrung hinlänglich bestätigte Voraussetzung, daß jede in die Erscheinung tretende Veränderung oder, concreter gefaßt, jedes entstehende Object wie jeder Zustand nicht ein Letztes, Ursprüngliches, daher einfach als tatsächlich Anzuerkennendes, sondern eine Wirkung mehrerer Factoren oder Elemente sei« (l.c. S. 209). Nach CZOLBE findet in jedem wahrnehmbaren Causalzusammenhang »zunächst ein bloßes Nacheinander der Ursachen und der Wirkung« statt (Gr. u. Urspr. d. m. Erk. S. 64). Bestandteil des Causalverhältnisses selbst ist die Notwendigkeit der Verknüpfung; ihr Wesen liegt darin, »daß gewisse Verhältnisse nur in einer Weise ausführbar sind oder stattfinden« (l.c. S. 67). Das gilt aber nur von der mechanischen Causalität, alle anderen Vorgänge beurteilen wir, infolge eines logischen Bedürfnisses, nach Analogie jener (l.c. S. 67 f.). Nach P. RÉE stammt der Causalbegriff aus der Erfahrung.[172] »Causalverhältnisse sind regelmäßige Folgeverhältnisse« (Philos. S. 144). Die Causalität ist eine »Denkgewohnheit« (l.c. S. 155 ff., 168 f.).
Zur ursprünglichen Erwartung, daß Analoges sich analog verhält, bringt SCHUBERT-SOLDERN den Causalbegriff in Beziehung (Gr. e. Erk. S. 242 ff.). Nach LAAS gründet sich die Causalität auf das »Bedürfnis, die Zukunft vorauszusehen, zu berechnen und zu beherrschen« (Ideal. u. posit. Erk. S. 261). Die objective Motivierung des Causalprincips betont E. DÜHRING. »Nicht weil wir etwa in unserer Verstandesverfassung einen Ursächlichkeitsbegriff wie einen Maschinenteil eingerichtet erhalten hätten, fragen wir nach den Ursachen, sondern dies geschieht, weil die gegenständlichen Vorgänge in speciellen Richtungen von der Art sind, daß sie selber nötigen, dem Zusammenhang zwischen ihren Teilen nachzuforschen« (Wirklichkeitsphilos. S. 48 f.; vgl. Log. S. 194). F. ERHARDT erklärt ähnlich: »Wir bilden... bei unserer causalen Erklärung der Veränderungen die obijectiven Verhältnisse des Seienden selbst in unserem Geiste nur nach und tragen nicht vermöge einer subjectiven Denknotwendigkeit eine Verknüpfung in die Dinge hinein, die wir rein erfahrungsmäßig nicht aus ihnen herauszulesen vermöchten.« Die Causalität muß den Dingen selbst zukommen. Das Bewußtsein des Wirkens stammt aus der innern Erfahrung (Metaph. I, S. 443 ff., 513 f., 574 ff., 600). PAULSEN bemerkt: »Auf Grund der Wahrnehmung, daß allemal, wenn wir einer Reihe von Vorgängen mit Aufmerksamkeit folgten, auf gleiche Vorgänge unter gleichen Umständen gleiche Vorgänge eintraten, ist in uns zunächst eine allgemeine Disposition zur Erwartung dieses Verhaltens entstanden, und diese Erwartung ist dann durch die zur wissenschaftlichen Forschung entwickelte Erfahrung im Causalgesetz als ihre allgemeinste Voraussetzung über den Naturlauf formuliert worden« (Imman. Kant S. 190). »Freilich ist es dann nicht ein a priori notwendiges Gesetz, sondern, wie alle Naturgesetze, ein bloß präsumtiv allgemeingültiger Satz« (l.c. S. 191). Nach DILTHEY sind causalität und Substanz »nicht eindeutig bestimmte Begriffe, sondern der Ausdruck unauflöslicher Tatsachen des Bewußtseins« (Einleit. in d. Geisteswiss. I, 512). Nach SCHUPPE ist jede causale Verknüpfung nur eine zum Bewußtsein kommende Verbundenheit von Daten und gehört somit zur wirklichen Welt objectiver Bewußtseinsinhalte (Log. S. 59). Der »Anspruch«, daß sich die Daten der Erfahrung in eine Gesetzlichkeit einordnen lassen, darf nicht auf Transcendentes angewandt werden (l.c. S. 60). Die causale Notwendigkeit liegt aber nicht im Denken, sondern kommt dem Sein (s. d.) selbst zu, dessen »feste Ordnung« zu seiner Denkbarkeit gehört (l.c. S. 65). Während die Tatsachen des inneren, geistigen Lebens »zugleich mit ihrem inneren Zusammenhang« bewußt werden, werden die Verbindungen der Außendinge durch das Ausschlußverfahren (s. d.) und durch Induction bestimmt (l.c. S. 63). R. WAHLE meint, der Satz der Causalität besage nichts als: »Bliebe sich alles immer gleich, so bliebe sich alles immer gleich. Ist sich nicht alles gleich geblieben, so muß etwas Neues im Spiele gewesen sein« (Das Ganze d. Philos. S. 99). Die Objecte als solche sind incausal, es wirken nur die unbekannten »Urfactoren« (s. d.). Wir haben nur einen negativen Begriff der Ursachlichkeit (Kurze Erkl. d. Eth. Spinozas S. 187 f.). H. CORNELIUS findet als formale Grundlage des Causalgesetzes das Bedürfnis des Denkens nach Begreiflichkeit der Erfahrungen. Für jede unerwartete Änderung wird eine »Ursache« gefordert. Diese Forderung oder das allgemeine Causalgesetz ist nichts anderes als »die für die Einheit unserer Erfahrung unentbehrliche[173] Forderung der Einordnung aller Erscheinungen unter constante empirische Zusammenhänge«. Dadurch wird das Neue, Befremdende zu einem Bekannten, Vertrauten (Einl. in d. Philos. S. 294). Unter der »Erkenntnis der Ursache« ist nur die Art und Weise zu verstehen, »wie unser Denken die begriffliche Ordnung der Erscheinungen, welche durch die unerwarteten Erfahrungen gestört war, gemäß dem Princip der Ökonomie des Denkens wiederherstellt« (l.c. S. 296); »das Causalgesetz muß für alle Erfahrungen in der objectiven Welt notwendig gelten, weil es nichts anderes ist als die Folge derjenigen Begriffsbildung, ohne welche die objective Welt für unser Denken nicht bestünde« (l.c. S. 298). »Die Tatsache, daß wir alle Änderungen in unserer Umgebung auf die 'Wirkungen' bestimmter 'Ursachen' zurückzuführen bestrebt sind, ist nur ein besonderer Fall jenes allgemeinen Gesetzes, welches uns dazu treibt, das Neue und Fremdartige der Erscheinungen jederzeit unter das von unserem eigenen Dasein her bekannte Schema einzufügen. An unseren eigenen Willenshandlungen offenbart sich uns der Zusammenhang eines Wirkenden und der von ihm ausgehenden Wirkung: je geläufiger und selbstverständlicher uns dieser Zusammenhang ist, um so begieriger streben wir alle Erscheinungen in derselben Weise zu begreifen. Erst einer späteren Stufe des wissenschaftlichen Denkens ist es vorbehalten, die letzten Reste dieser anthropomorphen Auffassung der Natur zu beseitigen« (l.c. S. 22 f.).
Damit sind wir bei der Ansicht, daß der Causalbegriff (wenigstens seinem Inhalte nach, dem »Wirken«) aus der inneren Erfahrung der eigenen Willensaction stammt, angelangt. Schon HUME macht darauf aufmerksam, ohne ihr Gewicht beizulegen. BONNET lehrt, daß die aus der inneren Erfahrung verständliche Causalität auf die Außendinge übertragen wird. TETENS erklärt, wir nähmen den Causalbegriff »zunächst aus dem Gefühl von unserem eigenen Bestreben und dessen Wirkungen«, und »diesen aus unserem Selbstgefühl genommenen Begriff tragen wir auf die äußeren Gegenstände über« (Phil. Vers. I, 323 f.). M. DE BIRAN leitet den Causalbegriff aus der unmittelbaren Erfassung der eigenen Willenswirksamkeit ab (Oeuvr. inéd. I, 258 ff.). RENOUVIER führt die Causalität objectiv auf Harmonie (s. d.) zurück und betrachtet den Causalbegriff als eine Kategorie, die besonders sich gründet auf »l'anticipation innée qui est inséparable en nous d'une appétition suivie d'une volition« (Nouv. Monadol. p. 22). Es muß eine »cause première« geben (l.c. S. 149). – Nach JACOBI würden wir »ohne die Grunderfahrung einer tätigen Kraft, deren wir uns in einemfort bewußt sind«, »nicht die geringste Vorstellung von Ursache und Wirkung haben« (WW. II, 201). Nach ESCHENMAYER stammt die Kategorie der Causalität aus dem Grundgesetz des Selbstbewußtseins. Das Ich ist als »Substrat des Handelns mit der Folgereihe aller Wirkungen« Ursache (Psychol. 1817, S. 299 ff.). Ähnlich lehrt FROHSCHAMMER (Monad. u. Weltphant. S. 65). Nach BENEKE wird das »Ineinander« seelischer Vorgänge, auf Veranlassung des Zugleich und Nacheinander der Wahrnehmungen, von uns der Außenwelt erst untergelegt (Log. I, 307). Ähnlich SCHLEIERMACHER, H. RITTER (Syst. d. Log. II, 209), WAITZ (Lehrb. d. Psychol. S. 563 ff., 573), SCHOPENHAUER, L. NOIRÉ (Monist. Gedanke S. 333; Doppelnat. d. Causal. S.30), A. RIEHL (Phil. Krit. II, 1, 209), MANSEL, ROMANES (»All causation is volitional«), LADD (Psychol. S. 215, 472 f.), SULLY (Handb. d. Psychol. S. 294 f.), H. CORNELIUS (Einl. in d. Philos. S. 22), SIGWART (Log. II2, 143 ff., 571), WUNDT (Phil. Stud. X, 109 f.), ERHARDT (Wechselwirk. S. 162), DILTHEY (Einl. in d. Geisteswiss. I, S. XVIII), J. WOLFF (Das Bewußts. u. s. Object[174] S. 593 f.), J. DUBOC, der die Causalität aus der Auffassung der eigenen Lebenstätigkeit ableitet (Die Lust. S. 44 f.). Nach HAMERLING ist unser Willensimpuls »eine unmittelbar gewisse Ursache« (Atom. d. Will. II, 34). Die einzige wahrhaft schöpferische Causalität ist die des Willens (l.c. S. 42). Es gibt nur Ursachen des Geschehens, nicht des Seins (l.c. S. 44). »Alle Wirkung von Monaden aufeinander beruht... darauf, daß eine Monade der andern ihren Zustand mitteilt«, auf einer »Verschmelzung« (l.c. S. 8, 14) Causalität ist »der Zusammenhang von allem mit allem« (l.c. S. 4.7). Nach L. BUSSE ist die psychische Causalität »das Vorbild aller Causalität« (Geist u. Körp. S. 191). STRICKER erklärt, »daß wir den Typus zu unserer Ursachenvorstellung in unserem Willen finden; daß die in der Außenwelt gesuchten Ursachen nur daraus hervorgehen, daß unsere eigenen Muskeln nicht immer unserem Willen, sondern einer äußeren Anregung (zwingend) folgen; daß wir demgemäß auch in der Außenwelt einen Willen suchen« (Stud. üb. Assoc. S. 26 f.). Auch JODL sieht im Ich das Musterbild aller Causalität. A. KÜHTMANN bemerkt: »In unserem eigenen Wollen ist uns das Urbild der Kraft und damit eine immanente Causalität gegeben. Das Selbstbewußtsein ist das Bewußtsein eines Wirkens, und eine Veränderungen bewirkende Willenshandlung ist das Prototyp des Causalverhältnisses« (Maine de Biran S. 15, 176, 181). Nach GROOS hat das Causalbedürfnis eine »motorische und eine theoretische Form«. Die ursprünglichste Vorstellung vom Causalzusammenhang ist der Willenshandlung entnommen (Spiele d. Mensch. S. 497). GROOS spricht von der »Freude am Ursache-sein« als einem Factor im spielerischen und ästhetischen Wirken (ib.). Nach JERUSALEM sind unsere Willensimpulse »die einzige Ursache, die wir direct erleben«, sie sind »das Organ für die Erkenntnis causaler Zusammenhänge« (Urteilsfunct. S. 220 ff.). Im Urteile (s. d.) übertragen wir, vermöge einer »fundamentalen Apperception« (s. d.), die eigene Ursächlichkeit auf die Dinge (l.c. S. 253 f., Lehrb. d. Psychol.3, S. 141 ff.). Der Causalbegriff ist eine »objectiv mitbedingte« Form unserer Auffassung der Welt (Urteilsfunct. S. 254). SIMMEL meint, daß wir uns in den Kategorien der Causalität und Kraft nach den Gefühlserfolgen unserer Innerlichkeit orientieren; »die Gefühle der physisch-psychischen Spannung, des Impulses, der Willenshandlung projicieren wir in die Dinge hinein« (Philo(s. d.) Geld. S. 507). Es gibt keine in sich zusammenhängende Causalität des Psychischen, denn dieses »bildet eben nur einen sehr variablen Ausschnitt aus denn Gesamtsystem des Menschen, und deshalb ist der einzelne psychische Act nicht aus den vorangehenden psychischen Acten allein zu verstehen, da diese erst im Zusammentreffen mit anderen, außerpsychischen Vorgängen die zureichende Ursache jedes bildeten« (Einl. in d. Moralwiss. II, 297). Nach KREIBIG gibt es eine geschlossene psychische Causalität (Die Aufmerks. S. 51).
Biologisch begründet wird das Causalprincip von KROMAN, nämlich aus dem Selbsterhaltungstriebe, der den Menschen nötigt, die Welt, mit der er zu kämpfen hat, zu begreifen (Unsere Naturerk. 1883). L. STEIN bemerkt: »Zeit, Zahl, Raum, Causalität... sind nichts anderes als das Alphabet, welches sich der Mensch im Kampfe ums Dasein als Schutzmaßregeln gebildet hat, um erfolgreich im Buche der Natur lesen zu können« (An d. Wende d. Jahrh. S. 6). NIETZSCHE erblickt den Ursprung des Causalbegriffs wie den aller Kategorien (s. d.) in der Nützlichkeit der causalen Auffassung für das Leben (WW. XV, 268). Diese Auffassung ist durchaus anthropomorph, metaphorisch,[175] ein »Grundirrtum« primitiver Vernunft und Sprache (WW. VIII, 2, 5, S. 80). Wir meinen uns selbst als Täter, als Ursache von Vorgängen zu finden (l.c. S. 93). Die einzige Causalität, die uns unmittelbar bewußt wird, ist die zwischen Wollen und Tun gesetzte, »diese übertragen wir auf alle Dinge und denken uns das Verhältnis von zwei immer beisammen befindlichen Veränderungen« analog. »Die Absicht oder das Wollen ergibt die Nomina, das Tun die Verba« (WW. X, S. 192 f.). »Einen Reiz als Tätigkeit zu empfinden, etwas Passives activ zu empfinden, ist die erste Causalitätsempfindung. Der innere Zusammenhang von Sinnes-Reiz und -Tätigkeit, übertragen auf alle Dinge, ist Causalität. An unseren Sinnespunctionen denken wir uns die Welt, das heißt: wir setzen überall eine Causalität voraus, weil wir selbst solche Veränderungen fortwährend erleben« (WW. X, S. 193). Aber das ist keine wirkliche Erfahrung von einer Ursächlichkeit. »Wir haben ein Gefühl von Kraft, Anspannung, Widerstand, ein Muskelgefühl, das schon der Beginn der Handlung ist, als Ursache mißverstanden...« (WW. XV, 298). Alle »geistige Ursächlichkeit« ist eine Fiction (WW. XV, Anh. III, 7, S. 513). Nicht wir sind tätig, sondern es wirkt in uns (WW. VIII, 2, S. 94 f.). Der Begriff der Ursache hat etwas »Fetischistisches« an sich. Man soll Ursache und Wirkung nicht verdinglichen, sondern als reine Begriffe, d.h. als »conventionelle Fictionen« zum Zwecke der Verständigung gebrauchen. Unabhängig von uns gibt es keine selbständigen Ursachen, keinen Zwang, kein Gesetz, wir dichten dies alles nur in die Welt hinein (WW. VII, 1, 21). Es gibt keine Zweiheit von Ursache und Wirkung, das sind von uns isolierte, fixierte Teile des Weltgeschehens; an sich besteht ein continuierlicher Fluß des Geschehens (WW. V, 109).
In Consequenz des Gedankens, daß der Causalbegriff einen mythischen, metaphysischen Ursprung habe, fordert man auch die »Eliminierung« dieses Begriffs bezw. dessen Reducierung auf den Begriff bloßer functioneller »Abhängigkeit« eines Vorgangs von einem anderen; diese Abhängigkeit wird im Sinne eines mathematisch-logischen Functionsverhältnisses genommen, soll nichts Hypothetisches, Überempirisches enthalten, sondern nur reine Erfahrungen ordnen, aufeinander beziehen. Schon CLAUDE BERNARD fordert: »L'obscure notion de cause doit être reportée à l'origine des choses: elle n'a de sens que celui de cause première ou de cause finale; elle doit faire place, dans la science, à la notion de rapport ou de condition« (Leçons sur les phénom. de la vie II, p. 396 f.). Ähnlich auch COMTE; dann R. MAYER, KIRCHHOFF, H. HERTZ, ferner R. AVENARIUS und seine Schüler, besonders J. PETZOLDT, der an Stelle des Causalprincips das »Gesetz der Eindeutigkeit« setzt. Endlich E. MACH, nach welchem die Begriffe Ursache und Wille »einen starken Zug von Fetischismus« haben (Populärwiss. Vorles. S. 269; Princ. d. Wärmelehre2, S. 433). Sie stammen von »animistischen Vorstellungen« ab, sind anthropomorph. Der Begriff der Ursächlichkeit muß durch den »Functionsbegriff« ersetzt werden, durch den Begriff der »Abhängigkeit der Erscheinungen voneinander, genauer: Abhängigkeit der Merkmale der Erscheinungen voneinander«, und zwar im rein logischen Sinne (Populärwiss. Vorles. S. 269). Eine eigene psychische Causalität besteht nicht (Anal. d. Empfind.4, S. 132). Nach OSTWALD ist die Causalität ein praktisches Ergebnis unserer Bemühungen, unsere Erfahrungen zu beherrschen und zu ordnen (Vorles. üb. Naturphil.2, S. 296). Ursache für ein physisches Geschehen ist immer eine Energie (ib.). P. VOLKMANN will die[176] Causalität durch »reale Notwendigkeit« ersetzen (Erk. Gr. d. Naturw. S. 155). Nach CLIFFORD hat das Wort »Ursache« »keinen berechtigten Platz auf dem Gebiete der Wissenschaft und der Philosophie« (Üb. d. Nat. d. Dinge an sich S. 34 f.). R. GOLDSCHEID faßt die Causalität als »durchgängige wechselseitige Abhängigkeit aller Empfindungen« auf. Es gibt nur eine Causalität, die psychophysische, keine rein psychische (Eth. d. Gesamtwill. I, 20). Gegen die Reduction der Causalität auf bloße Functionalität erklärt sich STUMPF (Leib u. Seele S. 34). Vgl. Gesetz, Ursache, Wirken, Wechselwirkung, Grund.
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