[353] Nordische Mythologie, die, od. der germanisch-skandinavische Götterglaube, läuft auf einen Polytheismus hinaus, für dessen Kenntniß die beiden Eddaʼs die keineswegs hinlänglichen Hauptquellen bilden und in welchem [353] sich ähnlich wie in allen ausgebildeteren sog. Naturreligionen der Charakter des Volkes und Landes widerspiegelt. Im engen Zusammenhange mit der Religion der Germanen überhaupt stehend, finden sich in der n.n M. vielfache Anklänge an die Weltanschauung und Göttersagen der Parsen und alten Aegypter, nicht minder der Hellenen u. heidnischen Slaven, die sich schon aus den frühesten Erinnerungen der Menschheit sowie aus der allgemeinen Aehnlichkeit der sog. Naturreligionen unter sich einigermaßen erklären lassen. Eigenthümlich ist der n.n M., daß ihre Götter, die Asen, höher stehen, vor allem in Hinsicht auf Sittlichkeit, als die der meisten andern Mythologien, die Götter des Homer am wenigsten ausgenommen; ferner zieht sich ein ernster, schauerlicher Grundton durch die ganze n. M., wilder unablässiger Kampf ist ihr Element u. Untergang im Weltbrand das Loos der Götter und Menschen. Nur in der jüngern Edda kommt ein Ort vor, wo nach dem Weltbrand die Guten in ewiger Seligkeit fortleben. Die Erde wird vorgestellt als runde Scheibe, ob ihr der Himmel, unter ihr die Hölle, sie selbst umflossen vom Meer, dessen Symbol die erdumgürtende Midgardschlange ist. Der oberste der Asen ist der allmächtige u. allwissende Odin (Wuotan, Wodan), die die ganze Natur durchdringende Gottheit, dessen Auge die Sonne, dessen Mantel das Firmament, dessen Hut das Gewölke ist u. der die Welt nicht nur schafft, erhält und regiert, sondern auch die Runenschrift u. alle Wissenschaft lehrt. Mit ihm führen in Walhalla die gefallenen Krieger ein freudenvolles Leben. Wolf u. Rabe sind ihm heilig. Seine Gemahlin Frigga, die Personification der Erde, ist Mitwisserin aller Rathschläge Odins und Vorsteherin des Ehelebens. Ueber die Asen und Asinen s. Asen u. Asgard sowie die dort angeführten einzelnen Artikel; zu unterscheiden sind. von den 12 eigentlichen Asen die später zum Range derselben erhobenen Helden. Als erste Schöpfung Odins erscheinen in der Edda die im Osten der Welt wohnenden Riesen, die Kraft ohne Verstand repräsentirend, den Giganten u. Titanen der Hellenen entsprechend, aber nimmer ruhend im Kampfe. Den Gegensatz zu den Riesen bilden die den Asen dienstbaren Zwerge, Personificationen des still in der Erde wirkenden Naturgeistes, durch deren Thätigkeit die Erde für die Menschen erst bewohnbar wird. Aehnlich wie dies in einer altpers. Tradition vorkommt, schuf Odin den Menschen aus Bäumen (Esche und Erle). Populärer als selbst Odin erscheint Thor (Donar), ursprünglich der Gott des Feuers, weßhalb ihm das Feuer heilig war, vielleicht schon vor der Einwanderung der Germanen in Skandinavien verehrt, mit seinem gewaltigen Hammer die Naturordnung beständig gegen die Riesen schützend, Hauptgott der kriegerischen Normannen, Spender von Regen, Gewitter u. Sonnenschein, zugleich Schützer der Volksversammlungen, vermählt mit Siph, Göttin der Aernte u. Verwandtschaften (Sippe). Daß es in Schweden u. anderwärts bemalte Götterbilder aus Stein gab, ebenso aus Kupfer u. Gold, ist sicher, nicht minder, daß Thor im Tempel zu Upsala als der Mächtigste zwischen Odin und Frigga stand (vgl. Uhland: der Mythus von Thor nach nordischen Quellen, Stuttgart 1836). Schließlich seien erwähnt 1) die Nornen, Zeitgöttinen, 3 von Riesen stammende Jungfrauen, unter der Esche Ygdrasil hausend, Schicksal und Lebensalter der Menschen bestimmend; 2) die Valkyren, die Auswählerinen derer, die im Kampfe fallen sollen, Personificationen von Odins Walten über Krieg, Tod und Leben. Sie führen die Gefallenen ein in Walhalla, wo sie allabendlich an Odins Hoftafel aufwarten; 3) die Nixen, Wassergeister, welche in der n.-germanischen M. gleich den Zwergen eine große Rolle spielen und noch heute in tausend Volkssagen fortleben, in Seen und Flüssen hausend, von der Zukunft singend. Vgl. Deutsche Mythologie, Edda, Mythologie; die neuesten Schriften von Finn Magnusen, Munch, Keyser, Petersen.
Brockhaus-1809: Die Mythologie
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