[529] Philologen, griech.-dtsch. (wörtlich: Liebhaber des Redens, der gelehrten Rede, Sprache, Vernunft), nennt man zunächst die gelehrten Vertreter u. Lehrer der altclassischen Philologie u. versteht unter dieser die Kenntniß der griech. u. lat. Sprachen, die Erklärung u. Kritik der in diesen Sprachen abgefaßten alten Schriftwerke, alsdann die Kenner des classischen d.h. römisch-hellenischen Alterthums in seinem ganzen Umfange. In unserer Zeit wird die Philologie vorherrschend als Alterthumswissenschaft aufgefaßt, diese aber als »Inbegriff derjenigen historisch-philosophischen Kenntnisse, die, aus den Werken der Griechen u. Römer selbst geschöpft, nothwendig sind, um das Leben u. Wesen dieser beiden Nationen in allen möglichen Beziehungen, sowie durch alle Perioden ihrer Existenz bis zu dem gänzlichen Verschwinden von dem Schauplatze der Menschheit kennen zu lernen.« Insofern man durch diese Kenntnisse die von den alten Griechen und Römern auf uns gekommenen Werke mit treuer Vergegenwärtigung des alterthümlichen Lebens gründlich verstehen und ihrem Werthe gemäß schätzen lernt, will man als Frucht der Alterthumswissenschaft von dieser die Alterthumskunde unterschieden wissen. F. A. Wolf war der erste, der es versuchte, der Philologie gemäß der angegebenen Idee die Gestalt eines wissenschaftlichen Organismus zu geben; bis jetzt ist dies allerdings noch nicht genügend gelungen, doch wurden Fortschritte gemacht u. die Alterthumswissenschaft systematisch eingetheilt z.B. I. in Grundwissenschaften. Zu diesen gehören: a) die Grammatik (Grammatik im engern Sinne, Prosodie, Metrik, Mundarten, Wörterbuchkunde u.s.f.); b) Hermeneutik (niedere, höhere, Quellen, Hilfsmittel); c) Kritik (Arten, Elemente und Grundsätze, Zweige, Geschichte und Literatur derselben). II. Realwissenschaften, und zwar: a) die alte Geographie u. deren Geschichte b) Chronologie und c) politische [529] Geschichte, d) Antiquitäten, Alterthumswissenschaft im engern Sinne, e) Mythologie, f) Literaturgeschichte und endlich g) Archäologie oder Kunstgeschichte. Unter Verweisung auf die einzelnen Artikel, namentlich: Alterthum, griech. Alterthümer, Mythologie der Griechen und Römer, griech., röm. Literatur, Bau- u. Bildhauerkunst, Malerei u.s.f. bemerken wir hinsichtlich der Geschichte der Philologie: Dieselbe begann in Athen zur Zeit der Pisistratiden zunächst mit Sammlung u. Ordnung der homerischen Gesänge, mit Erklärung der alten Schriftsteller überhaupt, schritt zu sprachlichen Untersuchungen fort, dann zur Ausbildung der Grammatik als Grundlage der Philologie und feierte ihre Blütezeit in Alexandrien unter den Ptolemäern sowie in Pergamus unter den Attaliden. Wie Hellas nach dem Verluste seiner Selbstständigkeit und Schöpferkraft das weltherrschende Rom geistig beherrschte und welche wichtige Rolle die Grammatiker u. Rhetoren im röm. Reiche bis zum Untergange desselben spielten, ist bekannt genug. P. nannten sich zuerst die Alexandriner und unter diesen zuerst Eratosthenes, in Rom zu Augustus Zeit Atejus, Philologie nannte aber M. M. F. Capella (s.d.) die 7 freien Künste. Im Zusammenhange mit den allgemeinen Zuständen der versinkenden alten Welt, die im Verderbniß der hellenisch-röm. Sprache u. Literatur einen bleibenden Ausdruck fand, sank auch die Philologie. Daß das Christenthum dem Götter- und Sinnendienst der Heidenwelt, den die alten heidnischen Schriftsteller verherrlichet u. mitunter wohl selbst verspottet hatten, todesfeindlich gegenüberstehen mußte, sollte von selber einleuchten. Ebenso lächerlich als unhistorisch u. ungerecht reden sich aber manche Historiker und viele P. bis zur Stunde ein, die Kirche sei der classischen Philologie und allem Heidnischen lediglich deßhalb, weil es heidnischen Ursprunges gewesen, von jeher feindselig entgegengetreten, während die Zeugnisse haufenweise vorliegen, daß die Päpste von den frühesten Zeiten bis auf Pius IX. das Studium des classischen Alterthums als ein wichtiges Bildungsmittel ehrten, empfahlen und auf jegliche Weise unterstützten. In den Schriften der Kirchenväter liegen genug Beweise für die classische Bildung derselben; Julian der Abtrünnige würde den Christen die classischen Studien sicher nicht so streng verboten haben, wenn sie dieselben verabscheut hätten. Von dem übersprudelnden Glaubenseifer leicht entzündlicher orientalischer Volksmassen u. sogar von den kaum getauften Barbaren der Völkerwanderung Achtung vor den Kunstwerken des Alterthums und ästhetische Würdigung seiner Schriftsteller zu verlangen, geht jedenfalls über den gesunden Menschenverstand hinaus. Daß die Mönche des Mittelalters die Theologie als Haupt- u. Lebenssache behandelten, ist ihnen schon deßhalb nicht zu verübeln, weil nur durch die Kirchenlehre u. Kirche barbarische Völker zur Gesittung zu gelangen vermochten. Abgesehen davon, daß wir den Klöstern die tiefsten Grundlagen unserer Kultur verdanken u. daß die altröm. Juristen dem Mittelalter nichts weniger als fremd waren, so spielten Platon und Aristoteles bekanntlich Hauptrollen bei den Scholastikern, unter denen ein Scotus Erigena, Thomas von Aquin, Albertus Magnus und mancher andere wohl mehr werth sein dürfte als dieser oder jener altclassische Schriftsteller; kannten alle Dom- und Klosterschüler manchen röm. Classiker; verdankt man der Sorgfalt und dem Schreiberfleiß der Mönche die Erhaltung vieler Schriftwerke des Alterthums. Aber nicht in der Unkenntniß oder Ableugnung dieser Thatsachen liegt der Grund, daß man im Mittelalter lauter Finsterniß und Barbarei sehen will und frischweg behauptet, die Geschichte beweise, »daß so lange das Alterthum unbeachtet u. ungekannt blieb, auch durchaus keine Spur von einer höhern Geistescultur oder Humanität im höheren Sinne, selbst bei den Gebildetsten, zu finden war« (Hoffmann: Die Alterthumswissenschaft, I. S. 26), sondern er liegt im Wahne, innerhalb der Kirche sei in Folge ihrer Grundsätze keine freie Geistesentwicklung vorhanden, dieselbe kenne nur Christen aber keine Men- [530] schen, was zur Folgerung führt, in Christo sei das Ideal reiner Menschlichkeit keineswegs aufgegangen d.h. er sei keineswegs Gottmensch gewesen. Hatten Dante und Petrarka die Alten auch zumeist als Bildner des Geschmackes geliebt, so rechnete Boccaccio bereits die Frivolität mancher derselben unter die Vorzüge und eiferte ihnen darin nach. Kaum hatten nach dem Falle Konstantinopels flüchtige Griechen sich im Abendlande und namentlich in Italien festgesetzt u. kaum hatte die Erfindung der Buchdruckerkunst es ermöglicht, das Studium der Alten zum Gemeingut zu machen, so begann man dasselbe nicht nur als Bildungsmittel sondern noch weit mehr als Rüstkammer der Opposition gegen die Kirche u. den Christenglauben auszubeuten. So rumorte in Italien, wo die Handschriften zuerst gesammelt und gedruckt wurden (Florenz, Venedig), die Schwärmerei für die platonische Philosophie; so spielten in der deutschen Reformationsgeschichte viele der sehr bezeichnend Humanisten genannten P. eine Hauptrolle. Seit dem 16. Jahrh. wurde die Philologie in den Hauptländern Europas der vornehmste Unterrichtsgegenstand der höheren Schulen und ist dies im Ganzen bis jetzt geblieben. Im deutschen Reich (Luther, Camerarius, Jesuitenschulen) verknöcherte übrigens in Folge der theologisch-politischen Zustände das Studium der Alten bis in die Mitte des 18. Jahrh. hinein. Spanien und Portugal nahmen nur einige Zeit an der Abfassung von Grammatiken und Wörterbüchern lebhaften Antheil, dagegen befleißigte man sich in Italien eines ciceronianischen Styles und wetteiferte mit den Franzosen in der Kritik sowie im Aufhäufen antiquarischen u. archäologischen Stoffes. Sank hier auch im Ganzen das philologische Studium, so zählten doch Italien und Frankreich bis heute einzelne große P., Frankreich namentlich wurde seit etwa 70 Jahren von Deutschland aus angeregt, wie denn auch seine besten P. selber vielfach Deutsche waren und sind (die Elsäßer Brunck, Oberlin, Matter, dann Benedict, Hase u.a.). In Großbritannien wurde das Studium der Alten frühzeitig Staatsangelegenheit, seine Staatsmänner, Gelehrten u. manche Dichter zeichneten sich bis heute durch gediegene classische Bildung aus; neben der grammatisch-kritischen Richtung ging die Sammlung und Ordnung von Stoff für die Realwissenschaften nebenher; in neuester Zeit empfing auch Großbritannien seine Anregung von uns aus, doch die besten Köpfe widmen sich dort jetzt der orientalischen und biblischen Philologie. Zum Hauptherd philologischer Gelahrtheit, zugleich aber auch der abgeschmacktesten Kleinigkeitskrämerei, Conjunctiv- u. Variantenjagd wurden im 17. Jahrh. die Niederlande, deren geisttödtende Methode noch gegenwärtig in gar mancher deutschen Schulstube angetroffen wird, während die niederländ. P. in neuerer Zeit ebenfalls von Deutschland zu Besserem angeregt wurden. Bei uns bezeichnen den mit dem Aufschwung der Literatur Hand in Hand gehenden Aufschwung der Philologie die Namen Heyne (Benützung der Realwissenschaften für die Erklärung u. ästhetische Würdigung der Autoren), G. Hermann (grammatisch-kritische Richtung), F. A. Wolf (historisch-diplomatische Kritik, Versuch, die Philologie zu einem wissenschaftlichen Ganzen zu gestalten), Creuzer und Böckh, denen sich eine lange Reihe ausgezeichneter P. anschließt. Ueber die einzelnen P. s. die besondern Artikel u. vgl. die Artikel über die Literatur der einzelnen Länder. Gegen die altclassische Philologie erhob sich seit dem Ende des 18. Jahrh. eine zweifache Opposition, nämlich eine realistische und überkirchliche; erstere wollte wenig od. nichts mehr vom Studium der alten Sprachen überhaupt wissen, sondern lauter Realien und neuere Sprachen an die Stelle derselben setzen; sie vergaß, daß ohne Kenntniß des Griechischen u. Lateinischen von gründlicher Bildung keine Rede sein kann; die zweite wurde namentlich in Frankreich durch die kirchen- und glaubensfeindliche Behandlungsweise der alten Schriftsteller in die Schranken gerufen und wollte die alten Classiker durch Kirchenväter ersetzt wissen; sie vergaß, daß die alten Classiker dem Christenthum im Ganzen wohl [531] weit ungefährlicher sind als viele modernen Schriftsteller, daß in formeller Beziehung nur äußerst wenige patristische Werke mit den ächtclassischen einen Vergleich aushalten, endlich daß letztere in den Händen von P., welche die christliche Weltanschauung kennen u. dieselbe als ein Kriterium der Alten gebrauchen, dem Christenglauben u. der Sittlichkeit im schlimmsten Falle weit mehr nützen als schaden, weßhalb sich die Kirche auch niemals gegen das Studium der Alten ausgesprochen hat. Die biblische Philologie läßt sich ähnlich eintheilen wie die classische: biblische Geographie, Chronologie, hebräische und christliche Antiquitäten, Archäologie u.s.w. (vgl. Biblische Alterthumskunde, Geographie, Hug u.a.); aber 1) behandelt sie nur das Buch der Bücher, die Bibel, beschränkt sich 2) auf das Hebräervolk u. befaßt sich 3) vorherrschend mit der griech. u. den semitischen Sprachen (Hebräisch, Aramäisch, Syrisch, Arabisch, auch Sanskrit).
Buchempfehlung
Die vorliegende Übersetzung gibt den wesentlichen Inhalt zweier chinesischer Sammelwerke aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert wieder, die Aufzeichnungen über die Sitten der beiden Vettern Dai De und Dai Schen. In diesen Sammlungen ist der Niederschlag der konfuzianischen Lehre in den Jahrhunderten nach des Meisters Tod enthalten.
278 Seiten, 13.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro