Portugal

[588] Portugal, Königreich auf der pyrenäischen Halbinsel, zwischen Spanien u. dem atlant. Ocean, 1725 QM. groß, dem größten Theile nach ein Hochland (Serra Estrelha, de Monchique, de Montezinho etc.) durch die Fortsetzung der span. Gebirge: der Sierra Morena, de Guadalupe, Guadarama, des cantabrischen Gebirges. Hauptflüsse sind Guadiana, Tajo, Douro, die beträchtlichsten Küstenflüsse Minho u. Mondego. Das Klima ist warm, aber durch Seewinde gemäßigt; der Frühling beginnt mit dem Februar, die Aernte mit dem Juni; im Octbr. tritt Regen ein, Schnee fällt nur im Gebirge. Getreide wird nicht hinlänglich gebaut, weil die künstliche Bewässerung überall fehlt, dagegen ist P. sehr reich an Wein und Südfrüchten, den hauptsächlichsten Gegenständen seiner Ausfuhr. In der Viehzucht hat die Zucht der Schafe und Maulesel Bedeutung. Der Bergbau ist nicht wichtig, obwohl die Gebirge metallreich zu sein scheinen; die Seesalzbereitung versorgt nicht bloß den einheimischen Bedarf. Die Industrie beschränkt sich fast ausschließlich auf das gewöhnliche bürgerliche Gewerbe; der Seehandel beschäftigt 386 Segelschiffe zu 37000 Tonnen, wird zu einem guten Theile von Ausländern betrieben. Die Zahl der Einw. betrug 1852 nahezu 31/2 Mill., von gleicher Abkunft, ähnlichem physischem und moralischem Charakter wie die Spanier. Staatsreligion ist die kathol. mit dem Patriarchate Lissabon, den Erzbisthümern Braga u. Evora u. 14 Suffraganbisthümern. Die Staatsverfassung ist die constitutionell-monarchische mit 2 Kammern; die Krone ist erblich im Hause Braganza u. das männliche Geschlecht geht nur bei gleicher Nähe des Grades dem weiblichen vor; König ist seit 1855 Dom Pedro V., geb. 16. Sept. 1837. Ehemals war P. in die Königreiche P. und Algarve mit 6 Provinzen eingetheilt, gegenwärtig in 8 Provinzen: Minho, Douro, Tras-os-Montes, Ober-Beira, Unter-Beira, Estremadura, Alentejo, Algarve, welche wieder in 17 Verwaltungsdistricte zerfallen. Von den Colonien werden zu Europa gerechnet und haben die gleichen politischen Rechte mit dem Stammlande: die Azoren, Madeira mit Porto Santo und den Nebeninseln. Die nichteurop. Colonien sind in 4 Generalgouvernements eingetheilt: 1) Capverdische Inseln mit Guinea, den Inseln San Thomé und Principe; 2) Angola; 3) Mozambique mit Monomotapa, Sofala, Melinde; 4) in Ostindien Goa mit Damao, Diu, Dilli auf Timor, Macao in China. Das stehende Heer beträgt 30000 Mann, die Kriegsflotte 46 Schiffe mit 428 Kanonen. Das Budget von 1854–1855 setzte die Einnahmen zu 12015712344 Reis (1 Mil Reis oder 1000 Reis = 1 Thlr. 18 Sgr. 9 Pfg. = 2 fl. 19 1/4 kr. C.-M.; 1 Conto Reis = 1000 Mil Reis) an, und die Ausgaben zu 12027458821 Reis; das Budget der Colonien berechnete die Einnahmen zu 732433366 Reis, die Ausgaben zu 830776565 Reis. Die innere Staatsschuld betrug 1853 die Summe von 36195661005, die äußere 43158281454 Reis; in Banknoten u. Papiergeld circuliren gegen 25 Mill. Thlr. Gewicht und Maß: der Quintal = 117,5 Zollpfund und zerfällt in 4 Arrobas, 32 Arratels; die Tonelada = 2 Pipas = 26 Almudas = 870,6 franz. Litr.; die Vara = 1,10 frz. Metr. – Die älteste Geschichte P.s ist dieselbe wie die Spaniens; die Römer unterwarfen das von ihnen Lusitania genannte Land mit Mühe nach der Vertreibung der Karthager von der pyrenäischen Halbinsel; zur Zeit der Völkerwanderung besetzten zuerst Alanen das Land, hierauf Sueven, die ein eigenes Reich gründeten, das 583 dem westgothischen einverleibt wurde. 714 kam P. unter die Herrschaft der Araber, seit 770 dehnte aber das christliche Reich [588] in dem asturischen Gebirge seine Herrschaft über den Norden P.s aus; Ferdinand I. von Castilien eroberte das Land bis an den Tajo und von dem wichtigsten Platze Porto erhielt es den Namen Portucale. Alfons VI. übergab es seinem Schwiegersohn Heinrich von Burgund (Enkel Roberts v. Burgund, eines Enkels von Hugo Capet) als Lehen (1109), die vollständige Unabhängigkeit aber errang Heinrichs Sohn Alfons I., der nach dem großen Siege über die Mauren bei Ourique 1139 von seinem Heere als König ausgerufen wurde. Der Staat wuchs durch Eroberungen über die Mauren (1147 Lissabon) u. 1251 war die Ausdehnung P.s auf der Halbinsel selbst geschlossen, da es nun überall an castil. Gebiet stieß, sowie auch 1181 durch den Reichstag von Lamego (Cortes von Lamego) Thronfolge u. Verfassung festgestellt war. Mit Ferdinand I. erlosch 1383 das burgund. Haus im Mannsstamme, der Haß der Portugiesen gegen Castilien war aber so lebhaft, daß die Stände Johann, einen Bastard Königs Pedro I. zum Könige ausriefen, weil sonst P. rechtmäßig durch die Erbtochter Beatrix an Castilien gefallen wäre. Johann I. sicherte P.s Unabhängigkeit von Castilien durch den Sieg bei Albujarotta 1385, eroberte 1415 Ceuta in Afrika, sowie unter ihm die Entdeckungen der Portugiesen den Anfang nahmen (Madeira, Azoren), die Prinz Heinrich der Seefahrer leitete. Johann II. (1481–95) befestigte die Macht der Krone gegenüber dem Adel mit unerbittlicher Gewalt, beförderte die Entdeckungsreisen (1480 das Cap durch B. Diaz entdeckt); unter Emmanuel d. Gr. (1495–1521) wurden der Seeweg nach Ostindien aufgefunden (1498), Brasilien entdeckt (1501) und in allen ind. Meeren Stationen erobert (Goa, Colombo, Malacca, Ormus), unter Johann III. (1521–54) die Fahrten über China bis Japan ausgedehnt. Mit König Sebastian, der 1578 in einem gegen den Rath aller Verständigen unternommenen Krieg wider den Sultan von Marokko umkam, und seinem Oheim u. Nachfolger Heinrich erlosch 1580 die (unächte) burgund. Linie. Philipp II. von Spanien, Sohn einer Tochter Emmanuels, setzte seine Ansprüche auf die Thronfolge mit Waffengewalt durch u. empfing 1582 die Huldigung; die span. Herrschaft dauerte bis 1640, während welcher Zeit die meisten und wichtigsten Colonien in Ostindien an die Holländer verloren gingen, weil die eigenen Kräfte P.s zu deren Behauptung nicht hinreichten u. Spanien aus Indolenz u. Schwäche sich derselben wenig annahm. Ein allgemeiner Aufstand (1. Dezbr. 1640) erhob einen illegitimen Nachkommen der portugies. Könige, den Herzog Johann von Braganza, als Johann IV. auf den Thron u. das heruntergekommene Spanien mußte 1668 die Unabhängigkeit P.s anerkennen. Indessen blieb auch P. eine Macht 3. Rangs und verfiel derselben Erschlaffung wie Spanien, außerdem aber einer gänzlichen Abhängigkeit von England (1703 Vertrag mit England, nach dem engl. Gesandten Methuen genannt, durch den England die ausschließlich begünstigte Handelsmacht wurde), der es jedoch in dem Kriege von 1735 bis 1737 u. von 1760–62 seine Rettung gegen Spanien verdankte. Unter König Joseph I. (1750–77) reformirte Pombal (s.d.) im Sinne des 18. Jahrh. und zerrüttete den schwachen Staat vollständig; Josephs Nachfolgerin Maria (Gemahlin des 1786 gest. Pedro III) verfiel 1792 in Geisteskrankheit, worauf deren Sohn Johann die Leitung des Staats übernahm. Abhängig von England erklärte P. 1793 an Frankreich den Krieg, mußte aber, als Spanien auf Frankreichs Seite trat, 1801 den Frieden mit Abtretung Olivenzas erkaufen, den Verkehr mit England abbrechen, und als die Sperre als unmöglich nicht durchgeführt wurde, ließ Napoleon I. in Uebereinstimmung mit Spanien 1807 das Land durch Junot besetzen. Die königl. Familie flüchtete aber vorher auf engl. Schiffen nach Brasilien, im Norden erhob sich das Volk u. als Napoleon 1808 auch die Spanier zum Aufstande reizte, erhielt England Gelegenheit, gegen ihn den von Pitt zuletzt angerathenen Volkskrieg zu organisiren. Wellington landete in P., siegte bei Vimeiro, die Franzosen schifften sich [589] in Folge der Capitulation von Cintra ein und ein späterer Angriff Massenas scheiterte an den Linien von Torres Vedras. Das portugies. Heer, von Engländern eingeübt u. commandirt, nahm bis 1814 ruhmvollen Antheil an dem Kriege gegen Napoleon, auch die Regierung wurde unter dem Namen eines portugies. Regentschaftsrathes von engl. Agenten geführt u. dies sowie das engl. Commando der Armee dauerte auch nach dem Frieden fort, was die Portugiesen um so mehr reizte, weil die engl. Torys unter den härtesten Formen herrschten. Eine Militärverschwörung unter Freyre mißlang 1820, aber die span. Revolution hatte unmittelbar eine portugies. im Gefolge; eine constitutionelle Verfassung wurde dem aus Brasilien zurückkehrenden König (er war es seit 1818) Johann VI. aufgedrungen (1821), dieselbe fiel jedoch 1823, als die span. Regierung durch die französ. Intervention gestürzt war; 1821 hatte sich aber Brasilien unabhängig gemacht u. mit ihm verlor P. die reichste Hilfsquelle. Johann VI. st. 1826, sein ältester Sohn Dom Pedro konnte als Kaiser von Brasilien nicht zugleich den portug. Thron einnehmen; er verzichtete auf denselben zu Gunsten seiner Tochter Donna Maria, verlobte diese mit seinem Bruder Dom Miguel u. bestimmte denselben zugleich zum Regenten während der Minderjährigkeit Donna Marias, nachdem er am 26. April 1826 P. eine constitutionelle Verfassung gegeben hatte. Dom Miguel, der wegen Auflehnung gegen seinen Vater seit 1824 in der Verbannung lebte, gelobte und beschwor, was Dom Pedro vorlegte, landete am 22. Febr. 1828 zu Lissabon, warf im Mai die Verfassung über den Haufen und ließ sich selbst am 25. Juni durch die Cortes von Lamego als König ausrufen. Die constitutionelle Gegenrevolution zu Oporto mißlang, durch eine Art von Schreckensherrschaft hielt sich Dom Miguel auf dem Thron; die Zerrüttung ging um so tiefer, als die Azoren Donna Maria huldigten und der Sammelplatz der geflüchteten Liberalen wurden, Dom Miguels Regierung aber nicht einmal die Verhältnisse gegen das Ausland gehörig zu berücksichtigen verstand, wofür England sie zurechtwies, Frankreich aber demüthigte. Als Dom Pedro, der die brasilianische Krone niedergelegt hatte, 1831 nach Europa kam, in England die Wighs an die Regierung gelangten, Frankreich ohnehin seit der Julirevolution 1830 sich der constitutionellen Sache günstiger erwies, vereinigten sich die liberalen Parteien, in welche die Portugiesen gespalten waren, um Dom Pedro, der in Frankreich u. England ein Corps warb u. am 8. Juli 1832 Oporto besetzte. Fast ein Jahr lagerte Dom Miguel vor Oporto; alle Kämpfe brachten keine Entscheidung, bis Pedros Flotte unter Napier (s.d.) am 5. Juli 1833 die miguelistische bei Cap Vincent wegnahm, worauf Algarbien und Lissabon durch ein Corps unter Villaflor eingenommen wurden. Das Heer Dom Miguels hielt sich dessenungeachtet in der festen Stellung bei Santarem und erst die Intervention des span. Generals Rodil zwang ihn am 26. Mai 1834 zu der Capitulation von Evora, in Folge deren er P. verließ. Dom Pedro stellte die Charte von 1826 wieder her, wurde von den Cortes als Regent für seine Tochter anerkannt, hob die Klöster auf, zog die geistlichen Güter ein, schickte den päpstlichen Nuntius fort u. erregte dadurch allgemeine Mißstimmung. Er st. aber schon am 24. Sept. 1834, nachdem er seine Tochter für majorenn hatte erklären lassen. Ihr 1. Gemahl, der Herzog August von Leuchtenberg, st. 28. März 1835, worauf sie sich 1836 mit dem Herzog Ferdinand von Sachsen-Koburg-Cohary vermählte. Sie war übrigens wenig im Stande die Ruhe in P. u. das Ansehen der Krone aufrecht zu erhalten; bis zu ihrem am 15. Novbr. 1853 erfolgten Tode erlebte sie folgende Hauptaufstände: Sept. 1836; Januar 1842; Febr. 1844; Mai 1847; April 1851, welche angeblich für die Charte von 1820 oder für die von 1826, oder wie der letzte gegen die Allgewalt eines Ministeriums gerichtet waren, in der That aber von Militärchefs und Parteihäuptlingen herrührten, von dem demoralisirten Militär od. von dem Pöbel zu Lissabon oder Oporto aufgeführt wurden, [590] damit die eine oder andere Partei den Staat zu ihrem Vortheile ausbeuten könnte; das Landvolk verhielt sich im Ganzen ruhig und erwartete von Dom Miguel die Erlösung aus dem heillosen Treiben. Nach dem Tode der Königin führte während der Unmündigkeit Pedros V. sein Vater König Ferdinand die Regierung bis 16. Sept. 1855, welche Zeit ruhig verfloß. – Vergl. Schäfers Geschichte von P., 5 Bde., Hamburg und Gotha 1836–54; von Minutoli, »P. u. seine Colonien«, 1855.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 588-591.
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