[438] Portugal, Königreich im W. der Pyrenäischen Halbinsel [Karten: Spanien und Portugal I u. II], ohne Tajo- und Sadobucht (418 qkm) 88.954 qkm, (1900) 5.016.267 E., mit den zum Mutterlande gerechneten Azoren der Madeiragruppe 92.157 qkm, 5.423.132 E., vorherrschend Hochland als Fortsetzung des span. Gebirgssystems, höchste Gebirgskette die Serra da Estrella, im Malhão da Serra 1991 m hoch, im S. die Serra de Monchique (bis 903 m hoch); Hauptflüsse: Guadiana, Tejo (s. Tajo), Douro (s. Duero) und Minho; Klima mild und gesund, Pflanzen- und Tierwelt ähnlich der spanischen. Bevölkerung im N. vorwiegend Galicier (Gallegos), im übrigen ein Mischvolk aus den alten Lusitaniern, Römern, Arabern, Deutschen, holländ., franz. und engl. Kolonisten sowie Juden, daneben auch Zigeuner und Neger; Landeskirche die römisch-katholische, unter Duldung der übrigen Glaubensbekenntnisse; 1 Patriarch (Lissabon), 2 Erzbischöfe (Braga und Evora), 14 Bischöfe. Ackerbau [s. auch Beilage: ⇒ Getreide] noch auf niedriger Kulturstufe, Ölbaumzucht (auf 2000 qkm), Weinbau, bes. in Alto Douro, Estremadura und Algarve; Forstwirtschaft (Nadelwald 2100 qkm, Kork- und andere immergrüne Eichenwälder 500 qkm) ausgebildet nur in den königl. Waldungen von Leiria. Viehzucht früher bedeutender, bes. Pferde- , Schaf-, Ziegen- und Schweinezucht; unbedeutend die Seidenraupenzucht; sehr wichtig die Fischerei. Bergbau noch wenig entwickelt, Kupferminen in Alemtejo und Beira, bedeutender die Seesalzgewinnung; auch Braun- und Eisenstein, Antimon, Braunkohlen und Marmor. Industrie in einigen Zweigen im Fortschritt begriffen, bes. in der Kork-, Woll- und Seidenindustrie, Leinweberei und Spitzenfabrikation, ferner in der Herstellung von Gold- und Silberwaren, Filigranarbeiten, Instrumenten, Waffen und Messern, Porzellan, Papier, Glas, Lederwaren, Segeltuch, Tauwerken; Schiffbau. Handel [s. Beilage: ⇒ Europa] früher Welthandel, jetzt in engl. Händen; Handelsmarine s. Beilage: ⇒ Handel und Handelsmarine; Schiffsverkehr: 1903 eingelaufen 10.932 Schiffe mit 14 Mill. Registertons; Eisenbahnen (zum größern Teil Privatbahnen) s. Beilage: ⇒ Eisenbahnen; Staatstelegraphenlinien (1903) 8554 km.
Verfassung und Verwaltung. Verfassung von 1826, revidiert 1852, 1859 und 1885: konstitutionelle, in männlicher und weiblicher Linie erbliche Monarchie im Hause Sachsen-Coburg und Gotha-Braganza; Volksvertretung [438] (Cortes) bestehend aus Pairskammer (52 erbliche Mitglieder, 13 Prälaten, 90 vom König auf Lebenszeit ernannte Mitglieder) und Abgeordnetenkammer (138 auf drei Jahre direkt gewählte Deputierte, davon 7 für die Kolonien); 7 verantwortliche Minister; neben ihnen ein auf Lebenszeit ernannter Staatsrat. Einteilung in (17, mit den Azoren und Madeira) 21 Distrikte unter je einem Zivilgouverneur. Finanzen seit lange verwahrlost, neuerdings in Besserung; s. Beilage: ⇒ Finanzen. Heerwesen. Es besteht allgemeine Wehrpflicht, aber Loskauf vom Dienst im aktiven Heer und der ersten Reserve gestattet. Die Dienstzeit (vom vollendeten 20. Lebensjahre an) beträgt 15 Jahre (3 Jahre bei der Fahne, 5 Jahre in der ersten, 7 in der zweiten Reserve), für die Marine 6 Jahre aktiv und 3 Jahre in der ersten Reserve. Im Frieden bestehen 3 Militärkreise mit 6 Territorialdivisionen und 2 Militärkommandanturen (Madeira und Azoren), an Truppenteilen zusammen 78 Infanterie-und 6 Jägerbataillone, 40 Eskadrons, 36 Feldbatterien, 2 reitende, 2 Gebirgsbatterien und 22 Batterien Festungsartillerie, 13 Geniekompanien. Die Friedensstärke soll für 1904/05: 30.000 Mann betragen. Bewaffnung: 8 mm-Kropatschek-Repetiergewehr M 86, 6,5 mm-Repetierkarabiner M 96 (System Mannlicher), 8 und 9 cm-Stahlkanonen (Krupp). [S. auch Beilage: ⇒ Heere und Flotten.] Unterrichtswesen. Volksschulwesen vernachlässigt; Universität in Coimbra, polytechnische Schule zu Lissabon und Oporto, Kriegsschule, Schiffahrtsschule zu Lissabon, mediz.-chirurg. Schulen zu Lissabon und Oporto, Akademien der schönen Künste zu Lissabon und Oporto; Akademie der Wissenschaften zu Lissabon. Wappen: Silberner Schild mit fünf kleinen blauen Schilden, in jedem derselben fünf silberne Münzen, darum eine rote Einfassung mit sieben goldenen Türmen mit blauen Türen [Abb. 1420]. Flagge zeigt Tafel: Flaggen; Landesfarben: Blau und Weiß. Orden s. Beilage: ⇒ Orden.
Kolonialbesitz (außer den zum Mutterlande gerechneten Azoren und der Madeiragruppe) in Afrika und Asien zusammen 2.090.000 qkm, 7.270.000 E. [s. die Beilage: ⇒ Kolonien, sowie die zu den betr. Erdteilen gehörigen Beilagen].
Geschichte. P., ursprünglich von den Lusitaniern bewohnt, wurde von den Römern (prov. Lusitania), später von Germanen, seit dem 8. Jahrh. von den Arabern erobert, bis Alfons I. von Burgund diese 1139 bei Ourique schlug, worauf er zum König von P. ausgerufen wurde. Sein Nachfolger, Sancho I. (1185-1211), setzte die Eroberung fort; Alfons II. (bis 1223) und Sancho II. (bis 1245) gerieten in Streit mit dem Klerus. Alfons III. (gest. 1279) gab dem Lande die jetzigen Grenzen; Dionysus (bis 1325) förderte Ackerbau und Handel. Ihm folgten Alfons IV. (gest. 1357), Pedro I. (gest. 1367) und Ferdinand I. (gest. 1383); mit letzterm erlosch der Mannsstamm der burgund. Linie, worauf mit Pedros unehelichem Sohne Johann I. (gest. 1433) die unechte burgund. Linie folgte. Die unter ihm durch Heinrich den Seefahrer begonennen Entdeckungsfahrten wurden unter Eduard (gest. 1438) und Alfons V. (gest. 1481) fortgesetzt; unter Johann II. (1481-95) wurde das Kap der Guten Hoffnung entdeckt, unter Emanuel I. (1495-1521) die portug. Macht in Ostindien begründet und Lissabon die erste Handelsstadt Europas. Die klerikale Politik seiner Nachfolger Johanns III. (1521-57) und Sebastians (gefallen 1578 gegen die Mauren) bewirkten den Verfall P.s.; mit dem Kardinal Heinrich erlosch 1580 die Dynastie, worauf Philipp II. von Spanien das Land eroberte, das erst 1640 mit der Anerkennung Johanns IV., einem Abkömmling des alten Königshauses, wieder selbständig wurde. Unterdessen war die Macht P. s in Indien an Holland übergegangen. Den Verfall des Landes, der unter Alfons VI. (1656-67), Pedro II. (1667-1706) und Johann V. (gest. 1750) vollständig wurde, konnten unter Joseph I. (gest. 1777) die Reformen Pombals nicht abwenden, sie wurden unter Maria I. (gest. 1816) wieder aufgehoben. 1807 floh die königl. Familie vor der franz. Okkupation nach Brasilien, das sich unter Johann VI. (1816-26) 1822 unabhängig machte. Dessen Sohn Pedro gab als Regent die Carta de lei vom 29. April 1826, verzichtete zugunsten seiner Tochter Maria da Gloria auf den Thron in P., den diese aber erst nach Besiegung des Usurpators Dom Miguel, des Bruders ihres Vaters, 1833 einnehmen konnte. Unter Maria (1826-53) war das Land durch anhaltende Parteikämpfe und Intriguen beunruhigt. Ihr folgten ihre Söhne Pedro V. (1855-61) und Ludwig I. (1861-89); unter letzterm wurden in Verwaltung und Gesetzgebung wesentliche Reformen vorgenommen. Unter seinem Sohne Karl verschlechterten sich die finanziellen Verhältnisse außerordentlich, so daß P. 1892 seinen Zinsendienst auf 1/3 reduzieren mußte. Von dieser Krise hat sich das Land noch nicht erholt. Durch ein königl. Dekret wurde 1901 die Macht der geistl. Kongregationen beschränkt.
Vgl. »Diccionario abreviado de chorographia etc. d. P.« (3 Bde., 1867); Tavares de Medeiros, »Staatsrecht« (1892); Adam (franz., 1896); »Le P. au point de vue agricole« (1900); de Vasconcellos, »As colonias portuguezos« (2. Aufl. 1903); Calderaio (Stuttg. 1903); über Geschichte Herculano (portug., 4 Bde., 1846-55), Schäfer (5 Bde., 1836-54), R. da Silva (17. und 18. Jahrh., portug., 5 Bde., 1860-71), Coelho (portug. 1874 fg.), Pepper (franz., 1879), Zimmermann (Kolonialpolitik, 1896).
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