Alizarin [2]

[135] Alizarin in der Druckerei und Färberei, das in teigförmigem Zustand in den Handel kommende Anthracenderivat, hatte zunächst das Pernodsche Krappextrakt in den seinen Lila-, namentlich aber Rot- und Rosamustern des baumwollenen Hemden-, Brillantin- und Millefleurgenres abzulösen, wozu der Krieg vom Jahre 1870/71 die hilfreiche Hand bot. – Die Rezepte für das vor allem wichtige Alizarindampfrot bestanden im wesentlichen aus dem anfänglich 10 prozentigen Alizarin, aus Verdickung, sogenannter essigsaurer Tonerde und essigsaurem Kalk, der einesteils zugefügt wurde und wird, um den restlichen Schwefelsäuregehalt der Tonerdebeize im Dampf zu neutralisieren, andernteils um die Entstehung eines kalkhaltigen und darum seifenechten Alizarinkalklacks zu ermöglichen. Bald wurden der roten Druckfarbe auch Fettsubstanzen und Zinnverbindungen einverleibt, um dem Lüster des alten Türkischrots näherzukommen. Das richtige Leben brachte jedoch erst das Türkischrotöl oder Präparieröl in das Alizarinrot und -rosa (1857), und nun begann auch ein größerer Bedarf von Alizarin sich einzuteilen, da jetzt der in Massen erzeugte Rosaartikel auf dem Dampfwege mit Alizarin, nicht mehr durch Färben in Krapp hergestellt wurde. Hiermit hatte sich auch das Bedürfnis besonderer Alizarinmarken für Rot und für Rosa (oder Lila) eingeteilt, dem von den Farbenfabriken noch in der weiteren Richtung entsprochen wurde, daß sie zugleich verschiedene Marken für Rot mit Gelb- und mit Blaustich austeilten. Da man bald bemerkte, daß das Alizarinrot und mehr noch das Rosa durch die Berührung der sauren Druckfarbe mit der Stahlrakel von aufgelöstem Eisen verunreinigt und in der Nuance verdorben wurde, so gab man der Rakel einen Schellackanstrich, der gerade so viel leistet wie der im Jahre 1883 vorgeschlagene Palladiumüberzug. Beiden Ueberzügen haftet der Fehler an, daß sie sich nicht auf die Schneide des Messers erstrecken können, wo sie beim jedesmaligen Schärfen der Rakel weggeputzt werden, wo aber gerade die Stahlklinge infolge ihrer Berührung mit dem Kupfer der Druckwalze von der sauren Farbe am leichtesten angegriffen wird. So klein die Fläche der Schneide auch ist, so macht sich doch die Reaktion auf dem Eisen bei längerem Arbeiten bemerkbar, sowohl an der Rakel als auch in der Farbe und zwar bei letzterer um so mehr, je heller das Rot oder Rosa gestellt ist. Der gänzliche oder teilweise Ersatz des gewöhnlichen Tonerdemordants durch Rhodanaluminium nach Storks Angabe (1878) hat in dieser Richtung weitere Abhilfe geschaffen. Die Wirkung dieser Rhodanbeize beruht darauf, daß die Ferro- und die Ferriverbindungen der Sulfocyanwasserstoffsäure gleicherweise in Wasser löslich sind und daß ihr Ferrisalz in der Kochhitze zum Ferrosalz reduziert wird, wodurch die Bildung und Befestigung eines unlöslichen Alizarineisenoxydlacks auf der Baumwolle ausgeschlossen ist.[135]

Stork hat folgende Vorschrift für Dunkelrot gegeben: 0,75 kg Alizarin (für Rot) 20 prozentig, 1/4 l Wasser, 350 g essigsaurer Kalk 10° Bé, 300 g Rhodanaluminium 19° Bé (erhalten mit 12 kg Aluminiumsulfat, 16,3 kg Rhodanbaryum und 20 l Wasser), 300 g oxalsaures Zinnoxyd (54 g SnCl4 mit Sodalösung ausgefällt, der erhaltene Niederschlag von Sn(OH)4 bei 50° C. in 30 g Oxalsäure aufgelöst), schließlich 960 g Verdickung, bestehend aus 0,7 l Wasser, 75 g Weizenstärke, 170 g Tragantschleim (1 : 16), 25 g Olivenöl und 3 g Essigsäure 6° Bé.

Vor dem Bedrucken der zuvor weißgebleichten Baumwolle mit Alizarinrot oder -rosa wird sie mit Türkischrotöl geklotzt oder präpariert, wobei auf 1 Teil Oel 15–24 Teile Wasser, je nach Umfang des Musters und Stärke der Nuance, genommen werden und das verdünnte Oel nach Zusatz von wenig Natronlauge und Salmiakgeist als eine klare, durchsichtige Flüssigkeit erhalten wird. Nach dem Drucken und Trocknen wird die Ware feucht und warm verhängt oder seit 1878 durch Mather-Platts Vordämpfer genommen (s. Anilinschwarz), dann gekreidet oder direkt gewaschen und ein- bis zweimal bei 60–70° C. mit 3–5 g Marseillerseife per Liter Wasser (mit oder ohne Zinnsoda) geseift, gewaschen und getrocknet. Die angegebenen Grenzen hängen vom Müller, sowie von verschiedenen Verhältnissen der Fabrikation ab und müssen vom Praktiker von Fall zu Fall bemessen und berücksichtigt werden.

Da das Rhodanaluminium nicht gerade billig zu stehen kommt, so wird es gerne neben essigsaurer und salpetersaurer Tonerde verschrieben, wie in den nachfolgenden Rezepten, mit denen der alte und umständliche Krapprosaartikel durch das einfache Verfahren des Alizarindampfrots und -rosa ersetzt und übertroffen worden ist:


Alizarin [2]

Mit wenigen Ausnahmen reichen diese drei Vorschriften aus, um durch entsprechendes Mischen und Kupieren die meisten Rosatöne und -abstufungen herzustellen, die in einer Fabrik verlangt werden. Die Verdickung in obiger Tabelle besteht aus 11 kg Weizenstärke, 5 l Tragantschleim (1 : 15), 35 l Wasser, 41/2 l Essigsäure 7° Bé und 1 l Olivenöl. – Chlorkalk und Olivenöl, die vor dem Eintragen in die kalte Verdickung zu einer Emulsion miteinander verrührt werden, flammen aus der Zeit, als man das Türkischrotöl noch nicht kannte. Diese Emulsion ist ein offenbarer Vorversuch für das Türkischrotöl gewesen, hat als solcher gute Dienste geleistet und ist deshalb späterhin auch für die mit Türkischrotöl präparierte Ware beibehalten worden. Für Hellrosa bleibt sie weg, wie auch die Verdickung in diesem Falle ohne Oel gekocht wird, damit der geringe Gehalt an Alizarin gleichmäßig in der Druckfarbe sich verteilt, um nicht nach dem Dämpfen das Erscheinen seiner roter Sprenkel im Hellrosaboden befürchten zu müssen. Aus demselben Grunde werden auch die einzelnen Bestandteile des Hellrosa in andrer Reihenfolge als bei Dunkelrot und Mittelrosa zusammen gegeben. Es wird nämlich das Alizarinrot in 1 l Verdickung eingerührt, dann folgt die Safraninlösung und der Zinnoxydniederschlag, worauf portionenweise die restlichen 6 l Verdickung und die Mordants zugefügt werden. Ueberdies ist nach einer Reihe von Versuchen das Verhältnis zwischen den Mordants und dem Alizarin für Hellrosa so geilem worden, daß nicht etwa ein zu großer Ueberschuß der ersteren die Entstehung von roten Sprenkeln im Dämpfkasten veranlassen könnte. – Für die essigsaure Tonerde 10° Bé werden auf 1 Teil Alaun und 1 Teil Bleizucker 21/2 Teile Wasser genommen, für die salpetersaure Tonerde 15° Bé: auf 1 Teil Alaun und 1 Teil salpetersaures Blei 33/4 Teile Wasser und 1/40 Teil kristallisierte Soda. Die Safraninlösung (60 g Safranin, 1/2 l Essigsäure 7° Bé, 1/2 l Wasser) dient zunächst als Blendung für den Drucker, aber eine Spur davon teilt sich dem Hellrosa dauernd mit und trägt zur Belebung seiner Nuance bei.

Das Alizarindampflila ist gegenüber dem Alizarindampfrot und -rosa für den Baumwolldruck von untergeordneter Bedeutung, weil die Lilafarbe überhaupt etwas außer Kurs gekommen ist. Das Alizarin für Rosa ist zugleich das für Lila; es gibt mit gewöhnlichem holzsaurem Eisen ein rauhes, unansehnliches Lila. Lebhafter und rötlicher wird die Nuance, wenn man einen Teil des holzsauren Eisens zuvor mit Arsenik abkocht, wie beim alten Krapp- oder Garanzinlila (4 l holzsaures Eisen 10° Bé, je 1/4 l Wasser und Essigsäure 6° Bé mit 250 g weißem Arsenik abgekocht und auf 2 l Flüssigkeit eingedämpft). Die arsenige Säure löst sich in der Eisenbrühe auf und regelt die Oxydation des [136] Ferrosalzes auf der Baumwolle, damit sie eine bestimmte Grenze nicht überschreitet [1].

Ein solches Alizarinlila, das auf nicht geölten Stoff gedruckt wird, hat beispielsweise folgende Zusammensetzung [2]: 1,24 kg Alizarin I (für Rosa) 20 prozentig, 770 g essigsaurer Kalk 15° Bé, 340 g holzsaures Eisen 10° Bé, 112 g arsenikhaltige Eisenbrühe 15° Bé und 16 kg Verdickung (2,5 kg weiße Stärke, 12 l Wasser, 4 l Tragantschleim 1 : 15, 1 l Essigsäure 6° Bé und 0,5 l Olivenöl). Nach dem Drucken und Trocknen kommt die Ware für 2–3 Tage in die feuchtwarme Oxydationshänge (s. Hänge), wird wie das Rot gedämpft, gewaschen, zweimal ohne jeden Zusatz geseift, gewaschen und getrocknet. Sie zeigt dann einen angenehmen Lilaton, der um so mehr rötlich nuanciert ist, je mehr abgekochtes Eisen im Verhältnis zur gewöhnlichen Eisenbrühe, also je mehr arsenige Säure in der Druckfarbe enthalten ist. Bei entsprechender Vermehrung der abgekochten und bei gleichzeitiger Verminderung der nicht abgekochten Eisenbrühe resultiert sogar ein rötliches Mode.

Mehr Anklang als das einfarbige Drucklila fand der anfangs der achtziger Jahre eingeführte Alizarinklotzlilaartikel mit Ueberdruck von Dunkel- und Hellila und Aetzweiß (vgl. Aetzfarben).

Die nicht geölte Baumwollware wird zuerst mit Lila auf dem Rouleau geklotzt, dann überdruckt. Die drei Lila können folgende Zusammensetzung haben:


Alizarin [2]

Das gleichzeitig mitgedruckte Aetzweiß besteht aus 13 l Gummiwasser (720 g per Liter), 1,1 kg Oxalsäure, 0,3 l Wasser und aus 20 g Marineblau als Blendung. Nach dem Oxydieren wird die Ware in Mitläufern gedämpft, unter Zusatz von Kreide und arsensaurem Natron bei 60° C. gekuhmistet oder abgezogen, gewaschen, geseift und im Dampf gechlort (s. Dampfchloren).

Noch duftiger ist das Seitenstück dieses Lilaartikels, das Alizarin-Klotzrosa, mit roten, weißen und rosafarbigen Effekten auf dem zarten Rosagrund. Für dieses Genre werden die Stücke zuerst mit Türkischrotöl präpariert (s. oben), dann auf dem Rouleau mit Alizarinrosa geklotzt und dreifarbig mit obigem Dunkelrot, mit Hellrosa und Aetzweiß überdruckt.

Das Klotzrosa setzt sich aus folgenden Bestandteilen zusammen: In 7 l Tragantschleim (1 : 15) werden 75 g Alizarin für Rosa 20 prozentig und 30 g Alizarin für Rot 20 prozentig sorgsam eingerührt, dann der Reihe nach 50 g obiger Safraninlösung, 7 l Wasser, 60 g essigsaure Tonerde 10° Bé, 60 g salpetersaure Tonerde 15° Bé, 60 g Rhodanaluminium 11° Bé und 70 g essigsaurer Kalk 15° Bé zugefügt. – Das Aetzweiß ist etwas stärker als bei Lila gehalten und besteht aus 11,4 l Gummiwasser, 1,1 kg Oxalsäure, 0,3 l Wasser und 20 g Marineblau. Die, wie beim Lila, wegen des Absteckens der Aetzfarbe in Läufern gedämpfte Ware wird (ebenfalls wegen des Absteckens) breit durch Kreide und Kuhmist genommen, gewaschen und geseift. Die Wirkung des Aetzweiß auf Lila- oder Rosagrund ist leicht verständlich: es bilden sich die entsprechenden Oxalsäuresalze der Tonerde oder des Eisens, die in Wasser löslich sind und im Aussiedbad der Klotzfarbe die Basis für die Lackbildung entziehen (s. Aetzfarben).

Gleichzeitig mit diesen beiden Artikeln griff man auch wieder auf das alte, im Farbbottich gefärbte Eisenlila zurück.

Hierfür druckt man auf unpräparierte Baumwolle einen verdickten Eisenmordant ohne Alizarin auf (1,9 kg Stärke, 7 l Wasser, 7 l Tragantschleim 1 : 15, 1 l Essigsäure 7° Bé, 2 l gewöhnliche Eisenbrühe 13° Bé und 400 g mit Arsenik abgekochtes holzsaures Eisen 15° Bé). Dann wird in der Rösche (s. Hänge) oxydiert und mit arsensaurem Kali oder Natron auf der Rollenkufe gekuhmistet (300 l Wasser 75° C., 250 l Kuhmist, 300 kg Kreide, 5 kg arsensaures Kali und 5 kg kristallisierte Soda). Nach dem Waschen wird bei 80° C. im Strang gefärbt, wobei man z.B. auf ein Stück von 55 m eines gedeckten Gründelmusters 60 g Alizarin 20 prozentig von der roten Marke und ebensoviel von der Rosamarke rechnet und dem Farbbad einen Zusatz von 80 g Leim, 6 g Tannin und 12 g essigsaurem Kalk 15° Bé gibt. Das Tannin ist der Farbflotte mit Rücksicht auf das nachfolgende Amtieren des gefärbten Alizarinlilas zugefügt. Genau so wie früher das Garazinlila (s. Krappräparate) mit wasserlöslichem Anilinviolett aufgefärbt oder geschönt wurde, so wird auch dieses gefärbte Alizarinlila mit ca. 15 g Violett B oder BB per Stück je nach Muster und verlangtem Ton amtiert. Man amtiert in einer Stunde bei 90° C., wäscht, seist kochend, wäscht wieder und gibt ein schwaches Dampfchlor, um das Weiß des Musters zu reinigen.

Viel früher ist das Rotfärben mit Alizarin in den Baumwolldruckereien eingeführt worden und hat eine ungleich größere Bedeutung gewonnen als das Lilafärben mit Alizarin. Schon 1873 kam R. Forster [3] in Augsburg auf den Gedanken, mit dem Alizarin für Rot zugleich Fettsäure ins Farbbad zu bringen, indem er den Farbstoff, in Seife gelöst, der Flotte zusetzte und hier die Seife[137] mit Schwefelsäure zerlegte. Das sich abscheidende Gemenge von Alizarin und Fettsäure, das den Tonerdemordant leicht und schön anfärbte, lieferte, auch im großen angewendet, ganz gute Resultate. Als jedoch zwei Jahre später das Türkischrotöl in die Druckereien kam, erwies sich das Färben mit sulfonierter Fettsäure als sicherer und vorteilhafter wie das Färben mit freier Fettsäure. Das Türkischrotöl wird beim Rougefärben in die schwachsaure Flotte gegeben und verhilft zu einem reinen Weiß neben lebhaftem Rot. Das Verfahren ist folgendes:

Der verdickte rote Mordant wird auf ungeölte Baumwolle gedruckt, da eine vorausgehende Präparation nicht bloß unnötig ist, sondern direkt schädlich wirkt, sofern sie die unmittelbare Verbindung der Tonerde mit der Faser verhindert. Das Druckrot enthält, auf das ganze Volumen der Farbe berechnet, eine höchstens 31/2° Bé Harke essigsaure Tonerde. Es werden 12 l essigsaure Tonerde 10° Bé (s. oben bei Alizarindampfrot), 19 l Wasser, 1 l salpetersaures Zink 45° Bé, 5 kg Weizenstärke, 1 kg hellgebrannte Stärke und 1/2 l Olivenöl zusammen verkocht und nach dem Kaltrühren mit 1/2 kg Zinnsalz ausgeschärft. Nach dem Drucken und Trocknen des roten Müllers kommt die Ware in die feuchte Warmhänge oder in den Aging-room und wird dann im Rollenständer mit Wasserglas gekuhmistet (3000 l Wasser 65° R., 150 l Kuhmist, 10 l Wasserglas 33° Bé und 20 kg Kreide). Dann wird gewaschen und ins Farbbad gegangen. Die Menge des erforderlichen Alizarins richtet sich nach dem genau festgestellten Verbrauch des Musters von roter Druckfarbe. Ein akkurater Farbsatz ist nicht bloß aus ökonomischen Gründen zu empfehlen, sondern auch weil ein etwaiger Ueberschuß von Alizarin beim Färben die nachherige Reinigung der weißen Partien des Musters ungemein erschwert. Ein Farbsatz für ein mittelstarkes rotes Tüchelmuster, welches das Weiß fast rein aus dem Farbbade herauskommen läßt, verlangt z.B. für ein Stück von 55 m: 120 g Alizarin 20 prozentig für Rot, 50 g dito für Rosa, 90 g Türkischrotöl, 70 g Leim und 20 g Tannin. Man geht in 5/4 Stunden auf 80–90° C. und bleibt 1/4 Stunde bei dieser Temperatur, dann wird gewaschen, getrocknet und geölt, wofür 3,3 l Türkischrotöl in 40 l Kondensationswasser und 0,4 kg Salmiakgeist gelöst und mit der Lösung von 0,45 kg Zinnsoda in 4 l Wasser versetzt werden. Nach dem Oelen wird getrocknet, eine Stunde ohne Druck gedämpft und zweimal bei 70° C. geseift mit 5 g Marseillerseife und 0,4 g Zinnsoda per Liter des Seifenbades, dann gewaschen, getrocknet und appretiert.

Wie mit rotbödiger, gemusterter Ware wird auch mit glattroten Stücken verfahren. Sie erhalten auf dem Jigger sechs Touren durch eine kalte 4° Bé starke essigsaure Tonerde, werden dann in der Warmhänge getrocknet, mit 5 l Wasserglas (sonst wie oben angegeben) gekuhmistet, gewaschen und gefärbt. Eine Webe glattroten Barchents à 80 m verlangt 1,4 kg Alizarin für Rot 20 prozentig, 900 g Türkischrotöl, 300 g Leim und 30 g Tannin. Die weitere Behandlung entspricht genau dem Verfahren, das soeben für rote Tüchel- oder Kleidermuster angegeben worden ist. Die so fabrizierten, uniroten Stücke führen die Bezeichnung Rougerot oder Neurot, zum Unterschied vom alten Türkisch- oder Adrianopelrot, das mit Tournantöl, nicht wie jenes mit Sulfoleïnsäure oder jetzt mit Sulforizinlösung hergestellt ist.

Bei dem Emulsionsverfahren des alten Türkischrots nimmt man an, daß die Fettsäuren des Tournantöls unter dem Einfluß von Alkali, Luft, Licht und Wärme in der kalten wie in der heißen Hänge allmählich in Oxyfettsäuren auf der Baumwolle übergehen und als solche mit der Tonerde und dem Alizarin sich verbinden. Ist dies richtig, so nähert sich ein neueres Verfahren mit gelöstem Präparieröl einigermaßen dieser alten Türkischrotfärberei, sofern bei ihm das vor dem Beizen präparierte Baumwollgarn oder -gewebe, bevor es den Mordant erhält, auf die Wiese gelegt [4] oder aber gedämpft wird, wobei aus den sulfonierten Fettsäuren des Präparieröls ebenfalls Oxyfettsäuren auf der Faser entstehen sollen.

Da die Angaben für dieses Neurotverfahren in den Einzelheiten differieren, soll nur der Weg im allgemeinen gezeigt werden. Die gut ausgekochte und getrocknete Baumwolle wird mit einer Türkischrotöllösung (1 : 7–1 : 5) grundiert, die zuvor mit Ammoniak neutralisiert worden ist. Nach dem Trocknen wird das präparierte Baumwollgarn oder -gewebe 11/2 bis 2 Stunden lang bei schwachem Druck gedämpft, dann mit lauwarmer, 5° Bé starker, basisch schwefelsaurer oder auch essigsaurer Tonerde mordanziert, warm verhängt, bei 40–50°C. gekreidet mit 30 g Schlemmkreide und 2 g phosphorsaurem Natron per Liter Wasser, hernach gewaschen und in gelbstichigem Alizarin unter Zusatz von Türkischrotöl, Tannin, Leim und etwas Kreide ausgefärbt, wieder gewaschen, getrocknet, nochmals geölt (1 : 20) und gedämpft. Schließlich wird unter Zusatz von Zinnsoda geseift und in geschlossenem Kessel aviviert.

Originell und bis zum Jahre 1884 geheim gehalten, nachdem es in der Elberfelder Druckfabrik schon lange Zeit im großen mit Erfolg ausgeführt worden war, hat das Schlieper-Baumsche Verfahren der Glattrotfärberei auf Baumwolle mit alkalischem Mordant und alkalischer Alizarinflotte gleichwohl wenig oder gar keine Nachahmung in andern Fabriken gefunden, weil es nur für ganz großen Betrieb sich eignet. Schlieper & Baum haben ihr Verfahren im »Bulletin de Mulhouse« veröffentlicht, ob vollständig, bleibt dahingestellt.

Das gebleichte Baumwollgewebe wird zuerst mit Tonerdenatron gebeizt (5 kg teigförmiges Tonerdehydrat, gelöst in 8 l Natronlauge 35° Bé, verdünnt mit 88 l Wasser und neutralisiert mit[138] 1 l Salzsäure 19° Bé). Die hiermit imprägnierten Stücke gehen über die heißen Trommeln eines Trockenzylinders, kommen dann für 12 Stunden in die Warmhänge, werden hernach in kaltem Wasser gewaschen, zweimal durch ein lauwarmes Kreidebad genommen und nach der ersten und zweiten Kreidepassage 24 Stunden auf dem Haufen liegen gelassen, damit das Natriumbi- oder -trialuminat Zeit hat, auf dem Stoff sich in Calciumaluminat zu verwandeln. Die auf diese Weise mordanzierte Ware wird gewaschen und breit in einem großen Rollenständer durch die 90° C. heiße Alizarinflotte gezogen, in der sie 3–4 Minuten verweilt. Diese Flotte enthält im Liter Flüssigkeit 0,75 g gelbstichiges Alizarin 20 prozentig und 6 g Kalkwasser, kann also keine klare Alizarinlösung vorstellen. Aviviert werden so gefärbte Stücke, indem man sie mit einer sauren Seifenflüssigkeit klotzt und (nach dem Trocknen auf heißen Trommeln) eine Stunde lang bei niederem Druck dämpft. Die saure Seife stellt man aus Rizinusöl und Natronlauge her, von der genau die Hälfte durch Salzsäure in der Seife neutralisiert wird, bevor man das Ganze mit Wasser zu einer milchigen Klotzflüssigkeit anrührt. Dem Dämpfen folgt ein gewöhnliches Seifebad, worauf die Ware gewaschen und getrocknet wird [6].

Seit 1886 verwendet auch Baldensperger [7] eine alkalische Flotte, um Baumwollgewebe, das zuvor in gewöhnlicher Weise mit Aluminiumacetat mordanziert worden ist, breit in Alizarin rot färben zu können.

Die Stücke erhalten zuerst auf dem Jigger (s.d.) eine Passage durch kaltes Wasser mit einem bestimmten Zusatz von gelöstem Kalksalz. Dann wird auf 50° C. erwärmt und die nötige Menge von gelöstem Alizarin in 3–4 Portionen zugefügt. Die klare Alizarinlösung besteht aus 40 l Wasser, 10 kg Alizarin für Rot 20 prozentig und 1 kg Ammoniak. Der Inhalt des Jiggers wird in 1/2 Stunde zum Kochen gebracht und 1/4 Stunde im Kochen erhalten. Während dieser Zeit machen die Stücke zehn Touren auf dem Jigger, färben sich gleichmäßig rot an und ziehen fast allen Farbstoff aus der schwach ammoniakalischen Flotte. Die sonstige Behandlung der Ware vor und nach dem Färben entspricht der üblichen Rougefärberei.

Die Löslichkeit des Alizarins in Alkalien, speziell in Ammoniak, verwerten Erban & Specht, D.R.P. Nr. 54057, in andrer Weise als Baldensperger.

Nach ihrem Verfahren wird die lose, gesponnene, gewebte, gestrickte oder gewirkte Baumwolle zuerst mit einer ammoniakalischen Alizarinlösung getränkt und getrocknet. Beim Trocknen verdunstet das Ammoniak und läßt ungelöstes Alizarin auf und in der Faser zurück. Dann erhält die mit Alizarin gleichsam gedüngte Baumwolle ein aus essigsaurer Tonerde und essigsaurem Kalk zusammengesetztes Beizbad, um sofort in den Dampf karten gegeben zu werden, wo sich der Alizarintonerdekalklack bei zweistündigem Dämpfen unter einem Druck von 11/2 bis 2 Atmosphären auf der Faser bildet und befestigt. Nach dem Dämpfen wird geseift und aviviert wie gewöhnlich. Es versteht sich, daß das Verfahren auch für den Alizarin-, Chrom- oder Eisenlack, sowie für die entsprechenden Lacke andrer alizarinähnlicher Farbstoffe gilt. Bis jetzt aber waren nur hellfarbige Rosagarne zu sehen, die, nach diesem Verfahren mit Alizarin und Tonerdemordant hergestellt, eine hübsche Nuance und gleichmäßige Färbung ohne Alizarinrotspritzerchen zeigen. Ob auch Garne oder Gewebe in sattem Neurot auf diesem Wege erhalten werden können, ist bezweifelt worden und bis jetzt wenigstens durch gelungen ausgeführte Probefärbungen im großen nicht bewiesen worden.

Bedruckt oder klotzt man präparierte oder unpräparierte Baumwolle mit einem Gemenge von essigsaurer Tonerde und holzsaurem Eisen, verfährt und färbt man dann wie beim Alizarinrotfärben, so erhält man mehr oder weniger rote Schokolade-, Korinth- oder Bordeauxnuancen, je nachdem die Tonerde- oder die Eisenbeize in dem gemischten Mordant vorschlägt.

Trotz der Echtheit dieser Alizarinfärbungen und trotz der Beliebtheit der Bordeauxtöne auf dem Stoffmarkt verlangt man sie doch selten in dieser Ausarbeitung, da es ihnen an der nötigen Wärme fehlt, um mit anderweitig hergestellten Bordeauxfarben erfolgreich konkurrieren zu können. Dasselbe gilt von dem Bordeauxrot auf Baumwolle, das mit Chromoxydbeize erhalten wird. Eher findet das Chromoxyd in der Alizarinfärberei und -druckerei Verwendung, wenn zarte, echte Modetone zu liefern sind, die man auf schwachem Chromoxydgrund mit Alizarin allein oder mit Alizarin und andern Farbstoffen zusammen färbt. Nicht unwichtig ist der Alizarinchromoxydlack als Bestandteil eines Dampf- und Chromcachous, um dieser Farbe einen roten Stich zu geben. Meist wird übrigens für diesen Zweck dem Cachou altes, auf Tonerdebeize gestelltes Alizarindampfrot beigemengt, was nur möglich ist, weil dieses Rot die vortreffliche Eigenschaft besitzt, im heißen Chrombad unverändert zu bleiben. Diese Eigenschaft alles Alizarinrots kommt zugleich dem gesamten Chromartikel zu gut und hat diesen erst zu einem vollwertigen Genre der Baumwolldruckerei abgerundet Bevor das Alizarindampfrot in die Druckereien eingeführt worden war, mußte die Musterkarte der Chromware auf die dankbaren Ausarbeitungen mit roten Partien oder Braundeckern verzichten; erst das im Chrombad unveränderliche neue Rot ermöglichte in dieser Richtung die Komplettierung der Musterung des jederzeit gangbaren Chromartikels.

Das künstliche Alizarin hat wie in der Baumwollfärberei so auch in der Wollfärberei den Krapp fast ganz verdrängt. Nur in Frankreich findet letzterer noch Verwendung in größerem Maßstabe für die roten Uniformtuche, weil die französische Regierung den Krappbau im Süden des Landes nicht ganz zugrunde gehen lassen will. Das Färbe verfahren unterscheidet sich kaum von der alten Krappfärberei der Wolle.[139]

Die Wolle muß in allen Fällen vor dem Ansieden oder Beizen gut entfettet und gewaschen werden. Hernach wird sie für Rot mit 6% Alaun und 4% Weinstein (Prozentgewicht vom Trockengewicht der Wolle) oder auch mit 6–10% Aluminiumsulfat und 5–8% Weinstein in verzinntem Kupferkessel oder in der Holzkufe 11/2–2 Stunden lang bei Siedehitze angesotten. Dann wäscht man die gebeizte Wolle und färbt sie in derselben Zeit und bei gleicher Temperatur auf frischem Bad mit 10% Alizarin (20 prozentig) und 4–5% essigsaurem Kalk, da sich gezeigt hat, daß das Alizarinrot auf Wolle gleichwie auf der Baumwolle eines gewissen Kalkgehalts der Flotte oder Druckfarbe bedarf, um den Ansprüchen auf Echtheit voll zu genügen, ferner 1% Seife und 0,5% Tannin. Die Nuance des gefärbten Rots hängt von der verwendeten Alizarinmarke ab; wird sie ganz besonders gelbstichig verlangt, so setzt man außerdem dem Alaunbad etwas Zinnsalz zu. – Für Bordeauxrot wird die Wolle unter sonst gleichen Bedingungen mit 3–4% Kaliumbichromat und 2,5–3% Weinstein angesotten, gewaschen und mit 10% Alizarin (20 prozentig) ausgefärbt, wofür man das Wasser der Farbflotte, wenn es stark kalkhaltig ist, mit Essigsäure korrigiert [8]. – Das pulverförmige Alizarin S, das Natriumsalz der Alizarinmonosulfosäure, ist gleich den meisten seiner Farblacke in Wasser löslich. Es färbt deshalb schwere Wollstoffe leichter durch als das nichtsulfonierte Alizarin und ist aus demselben Grunde auch für das Einbadverfahren vorgeschlagen worden. Mit dieser Löslichkeit hängt auf der andern Seite die geringere Echtheit der Ausfärbungen gegenüber dem gewöhnlichen Alizarin zusammen. Das Ansieden der Wolle für Rot erfolgt mit 6% Alaun und 4% Weinstein in kochend heißem Bade. Gefärbt wird bei gleicher Temperatur auf frischem, schwach essigsaurem Bade mit 4% pulverförmigem Alizarin S. – Um mit diesem Sulfoprodukt Wolle bordeauxrot zu färben, wird sie mit 3% Kaliumbichromat und 2,5% Weinstein kochend heiß vorgebeizt, dann mit 4% Alizarin S, wie soeben für Rot angegeben worden ist, ausgefärbt. Es existieren auch Rezepte für den Druck von sulfoniertem und nichtsulfoniertem Alizarin auf Wollgeweben. Es werden z.B. vorgeschrieben: 30 g Alizarin S in Pulverform, 40 g Aluminiumsulfat, 20 g Oxalsäure, 250 g Wasser und 660 g Verdickung, die aus weißer und lichtgebrannter Stärke zusammengesetzt ist. Die Ware wird 2 Stunden lang mit Druck gedämpft, dann gewaschen und leicht geseift. – Für Baumwolle hat selbstverständlich das sulfonierte Alizarin keine Bedeutung, weder in der Färberei noch in der Druckerei.


Literatur: [1] Kielmeyer, in Dingl. polyt. Journ. 1873, Bd. 203, S. 439. – [2] Dingl. polyt. Journ. 1879, Bd. 234, S. 126. – [3] Ebend., Bd. 219, S. 539. – [4] Stork und de Connink, Bull. Soc. ind., Rouen 1887, p. 47. – [5] Herzfeld, Die Praxis der Färberei, Berlin 1892; Möhlau, Organische Farbstoffe, Dresden 1890; Hummel-Knecht, Färberei und Bleicherei, deutsche Bearbeitung, 2. Aufl., Berlin 1891. – [6] Bull. Soc. ind., Mulh. 1884, p. 61. – [7] Bull. Soc. ind., Rouen 1891, p. 399. – [8] Hummel, Journ. Soc. Dyers & Colourists 1885, p. 11; Sansone, ebend. 1885, p. 203; Dépierre, Traité de la teinture et de l'impression, Paris 1891; G.H. Hurst, Coal tar colours, London 1892.

(Kielmeyer) R. Möhlau.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 135-140.
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