[775] Diopter (Durchsehen, Absehen) sind Zielvorrichtungen, insbesondere an geodätischen Instrumenten, jedoch auf solche Instrumente beschrankt, die eine geringe Zielgenauigkeit beanspruchen, wie z.B. Winkelklopf (-Kreuz), Neigungs-(Höhen-)Messer, Senkelrahmen, Bussolen, Diopterlineal, Heliotrop. Sie dienen auch neben dem Fernrohr als Sucher zur genäherten Einteilung oder für sehr nahe Ziele.
Eine Linie, also auch eine Abseh- oder Ziellinie, wird bestimmt durch zwei in feste Verbindung miteinander gebrachte Punkte; eine Ebene, also auch eine Abseh- oder Zielebene, durch einen Punkt und eine Linie oder durch zwei (in einer Ebene liegende) Linien. Hierauf beruht die Konstruktion des Diopters aus den beiden Teilen Okular und Objektiv. Diese können gebildet werden durch einfache Anordnungen, ähnlich der Zielvorrichtung am Gewehre (Kimme und Korn) oder durch Sehloch oder Sehspalt und Zielfaden und Fadenkreuz oder Zielspalt. Letztere Anordnungen sind für geodätische Instrumente der obengenannten Art die geeignetsten und gebräuchlichsten. Die nebenstehende Figur gibt eine Uebersicht über einige Anordnungen von Okular und Objektiv. Die erste zeigt ein Diopter zur Herstellung von Ziellinien (z.B. an Neigungsmesser und Heliotrop), die übrigen geben Diopter an zur Herstellung von Absehebenen, wie es nach dem Prinzip verschiedener Instrumente (z.B. Winkeltrommel oder Bussolen) erforderlich wird; die letzte Anordnung endlich ist ein Doppeldiopter, wodurch eine Hin- und Herzielung ermöglicht wird, wie es zuweilen, z.B. an Winkeltrommeln, Diopterlinealen, Astrolabien u.s.w. vorgesehen ist. Dasselbe kann auch erreicht werden durch Anwendung von Seh- und Zielspalt. Durch Anordnung einer Reihe von Sehlöchern oder eines Sehspaltes (vgl. die Figur) als Okular wird in der Zielebene ein entsprechend größerer Gesichtswinkel gewonnen, wie es für geneigte Ziellinien notwendig ist. Wird zu demselben Zweck auf der um eine (horizontale) Achse drehbar eingerichteten Okularplatte ein kleines zweites Diopter mit derselben Absehebene wie das Hauptdiopter angebracht, so hat man ein sogenanntes Bergdiopter.
Bei den für die Herstellung lotrechter Absehebenen eingerichteten Dioptern ist zu prüfen, ob Okular- und Objektivspalt, -sehlochreihe, -faden, in derselben Ebene liegen; dies geschieht am einfachsten dadurch, daß ein Lotfaden angezielt und geprüft wird, ob derselbe bei Zielungen durch alle Sehlöcher der Reihe bezw. alle Teile der Sehspalte scharf eingeteilt erscheint. Die Prüfung von Doppeldioptern erfolgt bei feststehendem Instrument durch Abstecken einer Reihe von Fluchtstäben nach jeder Zielrichtung hin und Prüfung, ob die beiden Richtungen angehörenden Stäbe in einer Absehebene (Linie) liegen. Beseitigung der eventuell gefundenen Abweichung durch Richtigstellung des Fadens. (Unrichtig geschnittene Spalten können nicht verbessert werden.) Zur Erhöhung der Genauigkeit sollen Objektiv und Okular wenn möglich in einer inwendig geschwärzten Röhre angebracht werden. Die Sehlöcher sollen eine Oeffnung von etwa 3/41 mm, die Spalten von 1/23/4 mm haben [1], Dadurch wird ein genügendes Gesichtsfeld und eine genügende Genauigkeit erzielt. Die Fäden sollen in deutlicher Sehweite gut sichtbar, aber nicht zu stark sein (Seidenfaden, Pferdehaar, schwarzer Strich auf seiner Glasplatte, seiner geschwärzter Draht oder Lamelle). Die Genauigkeit der Zielung wird beeinträchtigt durch zu geringen Abstand des Okulars und Objektivs; derselbe soll nach Möglichkeit nicht kleiner als die günstigste Sehweite (normal 25 cm) sein. Da dies für kleine Instrumente (Winkeltrommel, Neigungsmesser u.s.w.) meistens zu groß ist, kann nicht das Maximum der mit Dioptern möglichen Zielgenauigkeit (10"20") erreicht werden [1], sondern es muß bei einer geringeren Genauigkeit (im Mittel etwa 1'2') sein Bewenden haben. Der Genauigkeit der Diopter ist von vornherein eine Grenze gefleckt durch die Akkommodationsfähigkeit des Auges, das nicht verschieden entfernte Gegenstände (Zielfaden und Zielpunkt) gleichzeitig gleich scharf erkennen kann. In diesem Umstand ist wesentlich die allgemeine Verbreitung des Fernrohrs als Zielinstrument selbst bei kleineren Meßinstrumenten und die Konstruktion des sogenannten Fernrohrdiopters (s.d.) begründet.
Diopterlineal ist ein Lineal oder Arm, dessen Enden ein Diopter tragen. Die Vorrichtung dient zum Ziehen von Richtungen auf dem Meßtisch (s.d.) wie die Kippregel (s.d.), oder als Zeiger, Alhidade (s.d.) an Winkelmessern, z.B. dem Astrolabium (s.d.). In diesem Fall sollen Absehlinie (-ebene) Indexlinie der Alhidade (früher linea fiduciae genannt) und Drehachse in einer Ebene liegen.
Literatur: [1] Stampfer, Ueber die Genauigkeit des Visierens, Jahrbücher des k. k. polytechn. Instituts in Wien, Bd. 18, Jahrg. 1834.
Reinhertz.