Fettspaltung [1]

[263] Fettspaltung. Während früher Fettsäuren ausschließlich in den Stearinfabriken, um Kerzenmaterial zu gewinnen, erzeugt wurden, gibt es heute Betriebe, die Fettsäuren für den Verkauf an Seifenfabriken erzeugen.

Es kommen dabei hauptsächlich drei Verfahren zur Anwendung: die Fettspaltung im Autoklaven unter Zusatz eines fettspaltenden Oxyds, die Fettspaltung unter gewöhnlichem Druck nach Twitchell und das fermentative oder enzymatische Fettspaltungsverfahren nach Connstein, Hoyer und Wartenberg.

Die Autoklavenverseifung wurde ursprünglich nur in den Stearinfabriken benutzt. Hier wurde natürlich der größte Wert darauf gelegt, die Neutralfette möglichst vollständig in Fettsäure und Glyzerin zu zerlegen, selbst wenn die Farbe der Fettsäure etwas litt; da man aber in der Seifenindustrie großen Wert darauf legt, möglichst helle Seifen herzustellen, müssen die Fettspaltungsanlagen der Seifenfabriken in erster Linie darauf achten, möglichst helle Fettsäuren zu erzeugen, was dann möglich ist, wenn man die Erhitzung der Fette im Autoklaven nicht zu lange ausdehnt und bei mäßiger Temperatur arbeitet, also unter verhältnismäßig niedrigem Druck spaltet. Natürlich ergibt sich daraus der Nachteil eines geringeren Spaltungsgrades. Als Spaltungsmittel empfiehlt sich Zinkoxyd (Zinkweiß), das in großer Reinheit im Handel erhältlich ist, während die früher viel verwandte Magnesia in der erforderlichen eisenfreien Qualität zu angemessenem Preise schwer zu beschaffen ist. Auch Kalk ist nicht zu empfehlen, weil er viel Verunreinigungen enthält und der bei der Zersetzung mit Schwefelsäure sich bildende Gips ein lästiges Nebenprodukt ist [1]. Die ersten wirklich günstigen Resultate wurden hauptsächlich mit zwei Verfahren erzielt, dem Verfahren der »Société générale Beige de déglycerination« in Brüssel[263] und dem Verfahren von Kirchner & Winkler in Deutschland. Beide arbeiten mit Zinkweiß und Zusatz von Zinkgrau als Spaltungsmittel unter verhältnismäßig niedrigem Druck. Neuerdings hat die Badische Anilin- und Sodafabrik unter dem Namen »Decrolin« das Zinksalz der Sulfoxylsäure als Zusatz zur Autoklavenmasse empfohlen, um möglichst hellfarbige Fettsäuren zu erzielen [2]. – Eine sehr eingehende Untersuchung über den Spaltungsverlauf im Autoklaven ist von C. Stiepel veröffentlicht [3].

Twitchell [4] erzielt eine fast vollständige Verseifung der Fette und Oele durch Zusatz von 1–2,5% einer sulfoaromatischen Verbindung. Sie wird erhalten durch Einwirkung von konzentrierter Schwefelsäure auf eine Lösung von Oelsäure in einem aromatischen Kohlenwasserstoff. Bei Verwendung von Benzol wird ein Produkt erhalten, das von Twitchell als der Zusammensetzung C6H4(SO3H)(C18H35O23) entsprechend angesehen wird. Die Verseifung erfolgt, wenn im Dampfstrom erhitzt wird. Noch leichter tritt sie ein, wenn einige Prozente freier Fettsäuren im Ausgangsmaterial zugegen sind, da diese besonders geeignet sind, die Verseifung einzuleiten.

Der chemische Vorgang, der bei dem Twitchell-Verfahren Platz greift, ist noch nicht vollständig aufgestellt. Lewkowitsch [5] erklärt die Einwirkung des Reagens aus seiner Fähigkeit, die Glyzeride zu emulgieren. Er ist der Ansicht, daß während der Behandlung mit Dampf Schwefelsäure sozusagen in statu nascendi entsteht, die nun auf die Glyzeride unter Bildung von Sulfosäuren einwirkt. Letztere werden dann durch das Wasser leichter verseift als die Glyzeride selbst. Das Verfahren unterscheidet sich jedoch ganz wesentlich von der Schwefelsäureverseifung dadurch, daß keine Oelsäure in festes Material übergeführt wird. Daher haben die nach diesem Verfahren erhaltenen Fettsäuren dieselbe Zusammensetzung wie die nach dem Autoklavenverfahren hergestellten Säuren; sie werden aber leicht dunkelfarbig, wenn nicht Luftzutritt ausgeschlossen wird.

Die schon länger bekannte Tatsache, daß gewisse Fermente Fette zu zerlegen imstande sind, haben Connstein, Hoyer und Wartenberg [6] technisch zu verwerten gesucht. Sie benutzen dazu das im Rizinussamen enthaltene Ferment. Nach einem von Connstein auf dem V. Internationalen Kongreß für angewandte Chemie gehaltenen Vortrage wird wie folgt verfahren [7]: Der frische Rizinussamen wird in einer Mühle (Farbmühle) oder zwischen Steinwalzen gemahlen und dann mit dem zu spaltenden Fette, das natürlich geschmolzen sein muß, innig verrührt. Von den Samenschalen kann man ihn eventuell durch Dekantieren oder Sieben befreien; doch ist dies nicht erforderlich. Zu je 100 kg Fett gebraucht man 10 kg gemahlene Samen. Zu dem Fett-Samengemenge fügt man 40–100% angesäuerten Wassers. Zum Ansäuern verwendet man mit Vorteil die Essigsäure (200–600 kg Eisessig auf 100 kg Wasser). Fett, Samen und angesäuertes Wasser werden gründlich durcheinander gerührt und bei gewöhnlicher Zimmertemperatur sich selbst überlassen. Alsbald beginnt die Tätigkeit des Ferments, und schon nach ca. 2 Stunden sind 20–40% des Fettes gespalten. Sorgt man dafür, daß der Ansatz in regelmäßigen Zwischenräumen, alle Stunde 5 Minuten lang, gerührt wird (mittels einer Krücke, eines mechanischen Rührwerks oder auch durch Einblasen von Luft), so kann man nach 24stündigem Stehen eine Spaltung von mindestens 85–90% feststellen. Hiermit werden sich die meisten Seifenfabrikanten zufrieden geben; nur selten wird jemand durch noch längeres Stehenlassen des Ansatzes eine Steigerung der Spaltung auf 90–98% zu erreichen suchen.

Nach vollendeter Spaltung beginnt der zweite Akt des Prozesses: die Trennung des Ansatzes in Glyzerinwasser, Fettsäure und Samenteile. Zu diesem Zweck wird die Anwendung von Wärme und verdünnter Schwefelsäure empfohlen. Der ganze Ansatz wird durch direkten oder indirekten Dampf (eventuell auch mit direktem Feuer) auf ca. 80° C. erwärmt und in die erwärmte Masse etwas verdünnte Schwefelsäure (auf je 100 kg Fett etwa 2 kg 25prozentige Schwefelsäure) eingetragen. Hierbei bemerkt man, daß sich die in der Masse schwebenden Samenteile alsbald zu Boden senken, so daß man nach kurzer Zeit in dem Ansatz drei scharf geschiedene Schichten bemerken kann: 1. am Boden des Gefäßes eine Schicht sauren Glyzerinwassers; 2. darüber schwebend eine Emulsionsschicht, bestehend aus Samenteilen, Glyzerinwasser und Fettsäure; 3. darüber stehend klare Fettsäure. Die Mengenverhältnisse gestalten sich etwa wie folgt: Es seien z.B. 100 kg Fett, 60 kg saures Wasser und 7 kg frischer Samen (nach Absiebung von 3 kg Schalen) in Anwendung gekommen, so beträgt die Menge 1. des am Boden befindlichen sauren Glyzerinwassers ca. 50 kg, 2. der darüber schwebenden Emulsionsschicht ca. 22 kg, 3. der klaren Fettsäure ca. 95 kg. Zu erwarten waren ca. 63 kg Glyzerinwasser und 100 kg Fettsäure (in Berücksichtigung der aus dem Rizinussamen flammenden Oelsäure). Es können somit ohne weiteres in sofort verwendbarer Form gewonnen werden ca. 80% des zu erwartenden Glyzerinwassers und ca. 95% der zu erwartenden Fettsäure. Die fehlenden ca. 20% Glyzerinwasser und 5% Fettsäure befinden sich in der Emulsionsschicht. Um diese zu gewinnen, hat man die Emulsionsschicht in einem besonderen Gefäß mit warmem Wasser versetzt und umgerührt. Das Wasser löst das noch in der Schicht befindliche Glyzerin und kann am Boden des Gefäßes abgelassen werden. Zur Gewinnung der 5% Fettsäure hat man die ganze Schicht mit Natronlauge verseift und die Seife ausgesalzen, in der Erwartung, daß die gesamten Samenteile und Unreinigkeiten in die Unterlauge gehen würden; dies ist aber nicht der Fall. Es bleibt vielmehr beim Aussalzen ein großer Teil der Samenhülsen in der Seife. Man benutzt deshalb zur fermentativen Fettspaltung jetzt nicht mehr die zerkleinerten Rizinussamen, sondern einen Rizinussamenextrakt [8].

Vergleichen wir die verschiedenen Fettspaltungsverfahren auf ihren Wert [9], so bestehen die Nachteile des Autoklavenverfahrens vor allem in den hohen Anschaffungskosten der Apparatur. Ferner gestaltet sich der Betrieb dadurch kostspielig, daß die Verbleiung der Bottiche, in denen die Zinkseife mit Schwefelsäure zersetzt wird, einer starken Abnutzung unterworfen ist und häufige Reparaturen bezw. Erneuerung erfordert. Als besondere Vorzüge des Autoklavenverfahrens[264] sind hervorzuheben die Sicherheit der Spaltung, die Höhe der Ausbeute an Glyzerin und Fettsäure und die helle Farbe der letzteren. Das Glyzerinwasser ist sehr rein und ergibt meistens durch einfaches Eindampfen ohne besondere Reinigung ein vorzügliches Rohglyzerin, das selten mehr als 0,1–0,2% Asche enthält. Bei einer Spaltung auf 90–93% freie Fettsäure lassen sich in 24 Stunden zwei Operationen vornehmen, bei einer Spaltung auf 82–85% freie Fettsäure drei Operationen.

Hauptvorteil des Twitchell-Verfahrens ist die Billigkeit der Apparatur, die im wesentlichen aus einer Anzahl von Reservoiren und dem großen hölzernen Spaltbottich besteht. Da das Verfahren ferner bei gewöhnlichem Druck arbeitet, so brauchen Fabriken, die sich desselben bedienen, auch nur einen Niederdruckdampfkessel. Der wesentlichste Nachteil des Verfahrens ist die lange Spaltdauer, da die Spaltung mit Vorreinigung ca. 48 Stunden währt. Die beim Twitchell-Verfahren erhaltenen Fettsäuren sind etwas dunkler als die nach andern Verfahren gewonnenen Fettsäuren. Das erhaltene Rohglyzerin zeigt häufig einen etwas höheren Aschengehalt als den konventionellen von 0,5%, da die Glyzerinwasser sehr schwer von Kalk zu reinigen sind.

Der große Vorteil der fermentativen Spaltung liegt darin, daß sie bei gewöhnlicher Temperatur vorgenommen wird, und daß deshalb eine Dunkelfärbung der Fettsäure durch hohe Erhitzung vollständig ausgeschlossen ist. Ein besonderer Nachteil des Verfahrens ist die bei der Trennung der Emulsion auftretende Mittelschicht. Wenn man auch durch Zentrifugieren den größten Teil der Fettsäure abschleudern kann, so bleiben doch einige Prozent darin zurück, die nur durch Verseifung gewonnen werden können. Aus diesem Grunde kommt das Verfahren für die Betriebe, die Fettsäure zum Verkauf herstellen und nicht selbst verseifen, nicht in Betracht. Ein weiterer Uebelstand ist, daß aus dem Ferment in das Glyzerinwasser Eiweißstoffe kommen, die sich nur schwer beseitigen lassen.

Im Anschluß an die bisher aufgeführten Fettspaltungsverfahren, bei denen Glyzerin und Fettsäuren resultieren, sei noch ein Verfahren erwähnt, dessen Endergebnis Glyzerin und Seife ist, das Krebitz-Verfahren [10].

Bereits 1873 hat Tardoni in England ein Patent angemeldet, Kalkseife durch Behandlung mit kohlensaurem Natron in Natronseife umzusetzen; das Verfahren scheint aber im großen niemals zur Ausführung gelangt zu sein. Neuerdings ist die Idee von Krebitz wieder aufgenommen und mit Erfolg durchgeführt worden. Er verfährt in folgender Weise: Die Fette werden eingeschmolzen, auf 100° C. erwärmt und mit Kalk verseift. Auf 100 kg Fett sind ca. 14 kg Kalk erforderlich, etwas mehr oder weniger, je nach Beschaffenheit des letzteren. Der mit Wasser gelöschte Kalk wird in das auf 100° C. erwärmte Fett nach und nach eingerührt. Nachdem dies erfolgt ist, hört man mit Erwärmen auf, deckt den Kessel fest mit Decken zu und läßt ihn über Nacht ruhig stehen. Es tritt Selbsterhitzung ein, und am andern Morgen liegt die fertige Kalkseife im Kessel. Diese wird ausgestoßen, gemahlen und gesiebt und dann auf einen Filterbottich gebracht, wo sie zur Gewinnung des Glyzerins zweimal mit heißem Wasser ausgewaschen wird. Das so erhaltene Glyzerin hat eine Stärke von 5–6° Bé. Die entwässerte Kalkseife wird in den Verseifungskessel zurückgebracht. Hier werden auf 100 kg des in Arbeit genommenen Fettes 21 kg Soda, die zuvor in Wasser auf ca. 30° Bé. gelöst war, zugegeben. Die Umsetzung vollzieht sich mit Hilfe von Dampf oder auf freiem Feuer. Der Kalk verbindet sich mit der Kohlensäure der Soda zu unlöslichem kohlensauren Kalk, der zu Boden geht, während die Fettsäure mit dem Natron Seife bildet. Letztere wird wie jede andre mit Salz verschlissen respektive getrennt. Der Kalk muß gut ausgewaschen werden, um möglichst alle Seife gewinnen zu können. Die Seifen fallen schön hell aus; sie enthalten Spuren von Kalk.

Ein Vorzug des Krebitz-Verfahrens besteht darin, daß die ganze Arbeit in eisernen Kesseln ausgeführt werden kann. Die Darstellung der Kalkseife und das Auswaschen des Glyzerins bieten bei genauer Einhaltung der Vorschriften von Krebitz keine Schwierigkeiten; dagegen ist die Umsetzung der Kalkseife mit kohlensaurem Natron mit Schwierigkeiten verbunden, da der bei der Umsetzung entstehende Kalkschlamm hartnäckig Seife zurückhält und nur bei sorgfältigster Arbeit ausgewaschen werden kann. Lästig sind ferner die großen Rückstände von kohlensaurem Kalk. Das erhaltene Glyzerinwasser ist ziemlich rein und gibt eingedampft ein gutes Rohglyzerin.


Literatur: [1] Ubbelohde und Goldschmidt, Handbuch der Chemie und Technologie der Oele und Fette, Bd. 3, S. 7, Leipzig 1910. – [2] Seifensieder-Ztg. 1909, S. 1498. – [3] »Der Seifenfabrikant« 1902, S. 234. – [4] D.R.P. Nr. 114449. – [5] Chem. Technologie und Analyse der Oele u.s.w., Braunschweig 1905, Bd. 2, S. 642. – [6] Berichte der Deutschen Chem. Gesellschaft 1902, S. 3989. – [7] »Der Seifenfabrikant« 1903, S. 600; Ubbelohde und Goldschmidt, a.a.O., S. 44. – [8] »Der Seifenfabrikant« 1905, S. 649. – [9] Ubbelohde und Goldschmidt, a.a.O., S. 76. – [10] D.R.P. Nr. 155108; »Der Seifenfabrikant« 1904, S. 301 u. 801; 1905, S. 101; Ubbelohde und Goldschmidt, a.a.O., S. 57.

Deite.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 263-265.
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