Pferdeställe

[95] Pferdeställe sollen Luxuspferde für Reiten und Fahren und Arbeitspferde bergen. Soweit sie der Pferdezucht dienen, s. Gestütsanlagen.[95]

Luxuspferde werden zwischen Standabgrenzungen gestellt, Arbeitspferde stehen in Gruppen von zwei bis vier Pferden (je ein Gespann zusammen).

Die Abmessungen der Stände einschließlich Krippe sind folgende: Edle Rassepferde, Beschäler u.s.w. in Kastenständen 3,3–3,5 m lang, 1,8–2,3 m breit; Kutsch- und Reitpferde zwischen Flankenbäumen 3,0–3,3 m lang, 1,6–2,0 m breit; Arbeitspferde ohne Standabgrenzungen 2,5–3,0 m lang, 1,3–1,5 m breit; Laufställe (Box) für tragende Stuten und Mutterstuten 10–15 qm, also etwa 3,3–4,1 m lang, 3,0–3,7 m breit. Füllen, frei im Stall umhergehend, erhalten einzeln je 10 qm, in Mehrzahl für das Stück 4–5 qm. Die Stallgasse hinter den Pferden wird in Kutsch- und Reitpferdeställen reicher Ausstattung bei einreihiger Aufstellung 2,2 m, zweireihig 3,8 m, bei gewöhnlicher Ausstattung einreihig 2,0, zweireihig 3,3 m, in Arbeitspferdeställen einreihig 1,8, zweireihig 2,8 m breit. Die Stallhöhe mache man nicht unter 3,0 m und nicht über 5,0 m. Ein gebräuchliches Mittelmaß für Kutschpferdeställe ist 3,8 m.

Die Aufstellung der Pferde ist in Kavallerie- und großen Marställen meist nach der Länge zweireihig mit mittlerer Stallgasse (Fig. 1), in landwirtschaftlichen Pferdeställen nach der Tiefe. – Nachteil der Längsteilung ist das den Augen entgegenfallende Licht, das man durch blaues Glas oder hohe Lage der Fenster unschädlich zu machen sucht. Die Stellung nach der Tiefe ergibt wegen der Schwierigkeit der Beleuchtung eine Beschränkung in der Zahl der Pferdestände. Bei 15 m Tiefe kann man acht Kutschpferde oder zehn Arbeitspferde in eine Reihe stellen. Eine Vereinigung von Lang- und Tiefstellung wird durch Fig. 2 [1] erläutert. Es finden darin acht Gespann Arbeitspferde zu vier Pferden Aufstellung. Der mittlere Raum wird zur Aufstellung der Futterkästen benutzt.

Die Wände der Pferdeställe macht man massiv, die Decken in besserer Ausführung gewölbt oder als gehobelte und geölte Holzdecke, in einfacher Ausführung als Staußsche Decke (Zementputz auf Rohrgewebe). Der Fußboden wird am bellen aus gerieften Tonplatten, Stein- oder Holzpflaster hergestellt. Für die vordere Standhälfte ist auch Holzdielung zulässig; Zementfußboden ist zu glatt. Hohlgelegte wagerechte Holzfußböden, unter denen die Jauche auf geneigtem Steinfußboden abfließt, werden Brückenstände genannt; sie sind wegen der Unreinlichkeit an unzugänglicher Stelle sowie wegen der hohen Kosten zu verwerfen. Das Gefälle der Fußböden soll nur in einer geneigten Ebene nach hinten, nicht trichterförmig nach der Mitte gehen, auch nicht muldenförmig sein. Es beginnt erst in der Standmitte und beträgt bis zum Rande der Jauchrinne 4–5 cm. Offene Jaucheabflüsse zwischen den Pferdeständen und der Stallgasse sind bedeckten Rinnen und unterirdischen Abzugsröhren vorzuziehen. – In Kavallerieställen ist die Dauerstreu oder Matratzenstreu eingeführt. Man läßt die Pferde längere Zeit auf derselben Streu stehen, die nur durch Zugabe geringer Strohmengen ergänzt und erhöht, übrigens von Verunreinigungen möglichst frei gehalten wird. Sie ist gegen die Stallgasse durch ein geflochtenes Strohseil oder eine strohumwickelte Stange abgegrenzt. Der Strohverbrauch der Dauerstreu schwankt zwischen 6 und 9 Pfund für den Tag und das Pferd.

Standabgrenzungen. Für edle Rassepferde dienen feste Standwände, 1,3–1,5 m hoch, von 4–4,5 cm starken Bohlen hergestellt, an dem Kopfende durch ein eisernes Gitter, den sogenannten Schwanenhals, erhöht, gegen die Stallgasse durch eine runde, gußeiserne Säule, den Pilarstiel, Flankenpfosten oder Lattirpfosten, begrenzt, an dem sich ein Ring zum Anbinden des Pferdes beim Putzen befindet (Fig. 3 und 4 [1]). – Latir- oder Flankenbäume sind wagerechte, 90–95 cm über Fußboden aufgehängte, 12–13 cm starke Stangen, die einem[96] seitlichen Druck in mäßigen Grenzen nachgeben. Die Aufhängung erfolgt vorn mittels Kette am Krippenpfosten oder an der Wand, hinten an dem Pilarstiel. Die Aufhängung am letzteren muß so erfolgen, daß der Baum leicht ausgehängt werden kann, wenn ein Pferd beim Ausschlagen einmal übertritt oder beim Aufstehen unter den Baum gerät (Fig. 4) [1]. Der Baum hängt in einem Bügel, der nach Lösung eines Ringes am oberen Ende niedergeklappt werden kann, worauf der Baum niederfällt. – Schwebewände oder Schlagbretter und Flankenschläger sind vervollkommnete Lattirbäume. Es werden drei bis vier wagerechte Bretter oder runde Stangen in geringen Zwischenräumen mittels Lederriemen untereinander und mit dem Lattirbaum verbunden, so daß sie den Zwischenraum zwischen Lattirbaum und Fußboden nahezu ausfüllen. Sie sollen das gegenseitige Schlagen der Pferde verhindern, aber die Beweglichkeit der Flankenbäume beibehalten. – In Laufställen (Boxen) werden wertvolle Rassepferde, tragende Stuten und Mutterstuten untergebracht (Maße s. oben); sie sind mit 1,8 m hohen Wänden umschlossen, die in Höhe von 1,3 m aus festen Bohlen, wie die Standwände, darüber aus eisernem Gitterwerk bestehen.

Zu den Fütterungseinrichtungen gehören Krippen, Raufen und zuweilen auch Tränkgefäße, letztere nur in besser eingerichteten Ställen. Krippen zur Verabreichung des Körnerfutters, häufig auch des Tränkwassers, werden von Holz, in Zementmauerwerk, aus Steingut, Sandstein oder Gußeisen mit Schmelzüberzug hergestellt. Die Maße einzelner Krippenschüsseln sind: 35 cm breit, 20–25 cm tief, 55–65 cm lang. Oberkante 1,10–1,25 m über Fußboden. Sie werden entweder in konsolartig an der Wand befestigte Tischplatten eingefügt oder besser seit vermauert, und zwar entweder auf einer allmählichen Vorkragung oder auf einer Bogenstellung. Im letzteren Falle verschließt man die Wandnischen unter den Krippen mit einer Holzklappe und benutzt sie zur Aufbewahrung der Streu während des Tages. Raufen dienen zur Verabreichung des Rauchfutters. Sie wurden früher meist über den Krippen angebracht. Man unterscheidet: durchlaufende hölzerne Leiterraufen, deren Unterkante 65–80 cm über Krippenoberkante liegt; sie werden in schräger Stellung an der Wand befestigt.

Zwischenraum der Raufenstäbe 9 cm. Die eisernen Korbraufen, für jedes Pferd besonders, bestehen aus zwei unter rechtem oder spitzem Winkel gegeneinander stehenden halbkreisförmigen Bügeln, welche untereinander durch eine Reihe viertelkreisförmiger Sprossen verbunden werden. Zuträglich ist den Pferden die Anbringung der Raufe in gleicher Höhe mit der Krippe (sogenannter Heukorb, vgl. Fig. 5). Die Wand über den Krippen wird der Reinlichkeit wegen zweckmäßig mit geglättetem Zementputz oder noch besser mit Kachelbekleidung versehen. Fig. 5 und 6 [1] veranschaulichen die beiden gebräuchlichen Anordnungen von Krippe und Raufe, und zwar Fig. 6 eine hoch angebrachte Korbraufe; die eiserne, emaillierte Krippenschüssel ist in eine Tischplatte eingefügt. Zwischen Krippe und Raufe ist die Wand mit einer emaillierten Eisenplatte bekleidet. Fig. 5 [1] gibt ein Gesamtbild von der zweckmäßigen Anordnung eines gut eingerichteten Pferdestandes. Die Standwände sind im Durchschnitt, die daraufstehenden Schwanenhälse in Ansichten gezeichnet. Die Steingutkrippe steht auf einer Auskragung der Mauer. Die Raufe paßt sich der Krippenauskragung an. Zwischen beiden wird der Tränkeimer in eine Oeffnung der Tischplatte eingesetzt. In Höhe der Schwanenhälse ist die Krippenwand mit Kacheln bekleidet. An der Kante der Krippenauskragung ist eine Leitstange für die Halfterkette des Pferdes befestigt.

Die Anbindevorrichtungen der Pferde sollen das gegenseitige Beißen, das unzeitige Liegen sowie das Fressen der Streu verhindern. Doppelketten, die rechts und links befestigt werden, begünstigen das Uebertreten mit den Vorderbeinen. Wo sie vorkommen, werden die Anbinderiemen oder Ketten mit leichten Gewichten, die in Fallröhren auf und ab gehen, gespannt erhalten, damit sie nicht tief herabreichen. Wo nur eine Kette in der Standmitte angebracht wird, ist die obenerwähnte Leitstange zu empfehlen, bei deren Verwendung auch kurze Halfterriemen beim Stehen sowie Liegen der Pferde ausreichen. Auch kann ein Fallrohr unter der Krippe angebracht und die Kette so, wie schon erwähnt, angespannt erhalten werden (s. Fig. 1 und 7).[97]

Zu den Nebenräumen des Pferdestalles gehören die Häckselkammer, für das Pferd 0,6 qm groß, der Heuboden, 2–2,5 m hoch bei gleicher Grundfläche mit dem Pferdestall, die Geschirr- und Sattelkammer zur Aufbewahrung wertvoller Geschirre und Sättel. Sie soll verschließbar, trocken, gut gelüstet, hell und heizbar sein, um Schimmelbildung am Leder und Oxydation wertvoller Beschläge zu hindern. Knechtekammern sind neben den Ställen für Arbeitspferde erforderlich; dieselben enthalten für jeden Knecht ein Bett, einen verschließbaren Haferkasten (diese zuweilen auch im Stall untergebracht), einen Schrank oder eine Truhe für die Habseligkeiten und einen gemeinsamen Tisch mit Stühlen. Die Knechtekammer ist zugleich Stallwache. Sie muß demgemäß mit dem Stall verbunden sein und den Ueberblick über diesen gestatten. An ihre Stelle tritt in Ställen für Luxuspferde die Kutscherstube und ein besonderer Futterraum für Haferkasten und Häcksel. – Fremdenställe müssen zur Verhütung der Einschleppung ansteckender Krankheiten stets abgesondert angelegt werden; dasselbe gilt von Krankenställen. Häufig werden sie in andre Gebäude verlegt. In Verbindung mit großen Stallanlagen treten noch Reitbahnen (s. Reithaus) und Wagenremisen (Fig. 8). Fohlenställe, Hengststall, Laufräume im Freien s. Gestütsanlagen.


Literatur: [1] Tiedemann, v., Das landwirtschaftliche Bauwesen, Handbuch, 2. Aufl., Halle a. S. 1891. – [2] Engel, Fr., Handbuch des landwirtschaftlichen Bauwesens, 7. Aufl., Berlin 1885. – [3] Wagner, Pferdestall und Scheune in Herzberg, Deutsche Bauztg. 1896, S. 77. – [4] Rueff, A. v., Bau und Einrichtungen der Stallungen und Aufenthaltsorte unsrer nutzbaren Haustiere, Stuttgart 1875. – [5] Gehrlicher, Jähn und Klasen, Die Stallgebäude, Leipzig 1880. – [6] Wanderley, Die ländlichen Wirtschaftsgebäude, Karlsruhe 1887. – [7] Engel, Fr.: Entwürfe ausgeführter landwirtschaftlicher Gebäude, Halle a. S. 1891/92. – [8] Handbuch der Architektur, 4. Teil, 3. Halbbd., Darmstadt 1884, S. 10 ff.

(† v. Tiedemann) Weinbrenner.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 5.
Fig. 6.
Fig. 6.
Fig. 7.
Fig. 7.
Fig. 8.
Fig. 8.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 95-98.
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