[113] Photogrammetrie, geodätische, die Anwendung der Photographie (s.d.) zu topographischen und tachymetrischen Aufnahmen. Nach dieser Anwendung kann sie mit Phototopographie und Phototachymetrie bezeichnet werden; s.a. Topographie und Tachymetrie.
1. Die Grundbegriffe des Verfahrens. Das ältere Verfahren der Photogrammetrie gründet sich auf dem Vorwärtseinschneiden (s. Triangulierung). Wenn auf mindestens zwei Punkten, deren Lage bekannt ist, die durch Horizontal- und Höhenwinkel orientierten Richtungslinien nach einem Punktorte gemessen sind, so kann dieser bestimmt werden. Dabei ist eine doppelte Ableitung der Höhe möglich. Die Grundbegriffe des Verfahrens sind folgende. Es soll vorausgesetzt werden, daß die Meßzwecken dienende Photographie ein perspektivisches Bild des aufgenommenen Gegenstandes ist. In Fig. 1 sind O1 und O2 die beiden auf der optischen Achse liegenden Hauptpunkte des photographischen Objektivs. Ein in das Objektiv eintretender und auf den ersten Hauptpunkt O1 gerichteter Lichtstrahl setzt seinen Weg nach außen in paralleler Richtung fort. Die Rückwärtsverlängerung des austretenden Strahls trifft den zweiten Hauptpunkt O2. Die horizontal gestellte optische Achse des Objektivs steht zu der entsprechend gerichteten Bildplatte im Bildhauptpunkte o normal; hh ist die Bildhorizontale, und v v ist die Hauptvertikale des Bildes. P O1 O2 p sei ein Strahl mit den obengenannten Eigenschaften, der von dem Messungspunkte P kommt und die Bildplatte im Punkte p trifft. Der Strahl bildet mit der optischen Achse den Richtungswinkel r und den Höhenwinkel α. Werden mit Bezug auf hh als Abszissenachse die Bildkoordinaten q p und o q mit y und x bezeichnet, so ist tg r = x : d; tg α = y cos r : d = y, sin r : x, worin d die Bildweite bedeutet. Hiernach lassen sich die Winkel r und α berechnen, wenn die Bildweite d bekannt ist, und wenn die Bildkoordinaten y und x in einem Bilde gemessen werden, das bei horizontaler Objektivachse und richtig gestellter, vertikaler Bildplatte aufgenommen ist. Wird der Punkt P nun von zwei bekannten Punkten aus aufgenommen, so kann seine Lage zu diesen Punkten berechnet werden, sobald die Richtungen, welche die optische Achse während der Aufnahmen einnimmt, geodätisch orientiert werden. Wegen der Bildumkehrung im Negativ B, Fig. 1, sind die Quadrantenfolge[113] sowie die Vorzeichen der Bildkoordinaten umgekehrt der wirklichen Folge und den wirklichen Vorzeichen. Bei der Verwendung eines Positivs sind die Quadrantenfolge und die Vorzeichen der Bildkoordinaten dagegen der Anschauung der Wirklichkeit entsprechend. Dies zeigt Fig. 1, worin b ein Positiv bedeutet, das im Abstande d vom ersten Hauptpunkte O1 aufgestellt ist. Ein Vorteil der photographischen Aufnahme auf der Bildplatte ist, daß nicht nur die Richtungs- und Höhenwinkel eines einzigen Strahles, sondern die sämtlicher Strahlen nach allen Bildpunkten bestimmt werden können. Nach geodätischer Orientierung der optischen Achse ist das gesamte auf den zweiten Hauptpunkt bezogene Strahlenbüschel nach allen Bildpunkten orientiert. Liegen zwei Abbildungen vor, die unter den oben angegebenen Bedingungen aufgenommen sind, so können daher alle auf den Bildern erkennbaren Punkte berechnet werden. An Stelle der Rechnung kann auch die Konstruktion treten. Sie führt im allgemeinen schneller zum Ziele und entspricht auch der Genauigkeit der photographischen Abbildung. In Fig. 2 sei b die Projektion des Positivs und B die des Negativs auf die Horizontalebene der optischen Achse. Beide Projektionen sind rechtwinklig zu dieser Achse gestellt und haben von den Objektivhauptpunkten O1 bezw. O2 den Abstand d. Durch Auftragen der x erhält man unmittelbar die auf die Objektivachse bezogenen Richtungswinkel r. Ist ferner die Richtung der Objektivachse gegen die Richtung nach einem bekannten Punkte durch den Winkel φ festgelegt, so sind dadurch auch alle andern Richtungen bestimmt. Die Konstruktion wird auf einem Plane in einem verjüngten Maßstabe ausgeführt. Erfolgt die Konstruktion auf mindestens zwei Punkten, z.B. 1 und 2, deren Lage im Plane (Fig. 3) gegeben ist, so bestimmen die Schnitte der zueinander gehörenden Strahlen die Punkte 3, 4 ... Bei der trigonometrischen Rechnung würden in den Dreiecken 1. 3. 2, 1. 4. 2, .... mit der Seite α und den drei Winkeln der Dreiecke die Koordinaten der Punkte 3, 4, ..., bezogen auf α als Abszissenachse oder in einem andern Koordinatensystem zu bestimmen sein. Die Winkel lassen sich aus φ und r leicht berechnen.
Die Höhenunterschiede Δ h gegen die horizontal gerichtete optische Achse ergeben sich trigonometrisch nach Δ h = s tg α = s y cos r : d = s y sin r : x. Die Bestimmung kann rechnerisch, dabei auch mit Benutzung des Rechenschiebers oder graphisch nach Fig. 4 ausgeführt werden. Sind die Höhen der optischen Achse aus den Standpunkthöhen H1 und H2 und den Instrumenthöhen i1 und i2 bekannt, so ist z.B. H3 = H1 + i1 + Δ h1 · 3 = H2 + i2 + Δ h2 · 3. Auf diese Weise können sämtliche Punktorte und deren Höhen berechnet oder konstruiert werden, wenn a) bei der Aufnahme die optische Achse horizontal und die Bildplatte normal zu ihr gerichtet werden, und wenn bekannt sind b) die Bildweite d, c) der Bildhauptpunkt o und die durch ihn bestimmte Bildhorizontale h h und Hauptvertikale v v und d) der orientierte Richtungswinkel von mindestens einem Punkte.
War bei der Aufnahme die Bildplatte geneigt, so ist ihr Neigungswinkel v zu berücksichtigen, der gleich ist dem Neigungswinkel der optischen Achse. Dann ist tg r = x : (d cos v y sin v) und tg α = cos r (d sin v + y cos v) : (d cos v + sin v). Für logarithmische Rechnung bequemer kann bei Einführung von zwei Hilfsgrößen M und m gesetzt werden tg M = y : d; m = d : cos M = y : sin M und tg r = x : m cos (v + M) = x cos M : d cos (v + M); tg α = tg (v + M) cos r. Für den Höhenunterschied gegen den ersten Objektivhauptpunkt O1 gilt wieder Δ h = s tg α. Weiteres hierüber s. [1] und [2]. Da bei der geodätischen Anwendung der Photographie die Abbildung, sehr naher Objekte nicht in Betracht kommt, können bei entsprechender Abblendung alle Photogramme mit konstanter Bildweite d genommen werden, so daß d praktisch gleich der Brennweite f des Objektivs wird. Würde d hinreichend genau konstant bleiben, so genügten je eine einmalige Bestimmung und Einstellung. Ist dies aber nicht der Fall, und wird auch die Lage des Hauptbildpunktes o auf der Bildplatte geändert, so müssen die Bildweite, der Hauptbildpunkt und die Richtungen der Bildhorizontalen und der Hauptvertikalen aus den Bildern geodätisch bekannter Punkte bestimmt werden.
2. Bestimmung von Bildweite und Bildhauptpunkt aus Bildern, die bei senkrecht stehender Platte aufgenommen sind.
a) Zur Bestimmung der Bildweite und der Richtung der optischen Achse muß die Lage des Standpunktes und mehrerer im Gelände scharf bezeichneten Punkte, wie Kirchtürme, Schornsteine, trigonometrische Signale, ABC, Fig. 5, bekannt sein. Als Lage des Standpunktes gilt die des ersten Objektivhauptpunktes. Auf dem Standpunkte sind die Horizontalrichtungen und die Vertikalwinkel nach den Geländepunkten zu messen. Es kann von einem genähert richtigen Bildhauptpunkte o, Fig. 5, ausgegangen werden. Für die Berechnung des Orientierungswinkels r und der Bildweite d gelten dann die Beziehungen[114] tg (γ r) = xa : d; tg r = xb : d; tg (δ + r) = xc : d. Zwei Gleichungen genügen, wenn o hinreichend genau gegeben ist. Ohne eine Annahme über v v kann verfahren werden wie beim Rückwärtseinschneiden [4], indem aus den Abständen a1 b1 und b1 c1 sowie den Winkeln γ und δ die gesuchten Stücke r und r' berechnet werden. Endlich führt auch ein graphisches Verfahren zum Ziel. Die Punktreihe a1 b1 c1 wird auf Pauspapier übertragen und in die Strahlen ABC eingepaßt. Weiteres über die verschiedenen Verfahren und ihre Genauigkeit s. [1] und [2].
b) Bestimmung der Bildhorizontalen. Aus den unter 1. angegebenen Gleichungen für die Höhenwinkel und die Höhenunterschiede folgen die Gleichungen für die Bildordinate y = d tg α : cos r = d Δ h : s cos r = x tg α : sin r = Δ h x : s sin r. Werden die Bildordinaten für mindestens zwei bekannte Punkte berechnet und eingetragen, so kann die Bildhorizontale h h konstruiert oder ihrer Lage nach geprüft werden. S. hierzu [1] und [2].
3. Das Photogrammeter Die geodätische Orientierung der optischen Achse kann ganz unabhängig von der Photographie durch trigonometrische Messungen ausgeführt werden Es ist aber bequemer, die Orientierung und die Bildaufnahme mit demselben Instrumente vorzunehmen. Durch Verbindung der Kammer mit dem Meßinstrument entsteht das Photogrammmeter. Man findet es in der Anordnung als Phototheodolit, Phototachymeter und photogrammetrischer Meßtisch.
Fig. 6 zeigt das Schema eines Phototheodolits mit wagerechter Objektivachse und lotrechter Bildebene. Der Theodolitunterbau U trägt den Horizontalkreis T und auf der Vertikalachse Z die Alhidade A mit den Stützen St des exzentrischen Fernrohrs F und dem Vertikalkreis V (s. Theodolit). G ist ein Gegengewicht. Die Kammer K ruht fest und zentrisch auf der Vertikalachse. Die Bildplatte B steht hinter einem Rahmen, dessen Ränder das Bild begrenzen. Die Fassung des Objektivs O läßt in der Regel eine Verschiebung in lotrechtem Sinne zu, deren Betrag an einer Skala S abgelesen werden kann. Die Vertikalebenen der Kammerobjektivachse und der Fernrohrabsehlinie sind parallel gerichtet. Zur Einstellung der Vertikalachse, der Objektivachse und der Bildplatte dienen die Libellen L1 und L2. Die Einrichtung eines kleinen Theodolits genügt für das Instrument. Der wichtigste Teil ist das photographische Objektiv, an dessen Güte hohe Anforderungen gestellt werden müssen. Der Bezug von Firmen guten Rufs ist zu empfehlen. Für größere Apparate werden Objektive mit 150200 mm und mehr Brennweite gewählt, die auf Bildplatten von 12 zu 1618 zu 24 cm Größe winkeltreue Bilder liefern. Bei Reiseaufnahmen verwendet man Apparate mit Objektiven von 50100 mm Brennweite und Bildplatten in der Größe von etwa 9 zu 12 cm. Solche Instrumente können wesentlich einfacher konstruiert sein und an Stelle des Horizontalkreises mit einer Bussole zur Orientierung der Aufnahme ausgerüstet werden (Fig. 8). Als Bildtafeln zu tachymetrischen und topographischen Aufnahmen dienen gute, ebene Glasplatten, während für flüchtige Reiseaufnahmen Films genügen. Zur Erzielung einer konstanten Bildweite wird das Plattenlager mit Kontaktpunkten versehen, gegen welche die Platte sanft angedrückt wird. Der Rahmen trägt in der Mitte seiner Ränder Marken, häufig an den Rändern auch eine Zentimeterteilung. Die Marken und die Teilung werden bei der Aufnahme mit abgebildet. Die Verbindungslinien der entsprechend liegenden Marken geben die Bildhorizontale h h und die Hauptvertikale v v an (Fig. 5). Näheres über die verschiedenen Einrichtungen s. [1], [2] und [5][7].
In Fig. 7 ist Koppes Phototheodolit, konstruiert von Günther und Tegetmayer in Braunschweig, dargestellt. Die Kammer lagert wie das Fernrohr eines gewöhnlichen Theodolits in einer Horizontalachse. Es ist daher möglich, Neigungen der Bildplatte am Höhenkreis zu ermitteln. Die Ableitung des Richtungswinkels r und des Höhenwinkels α aus den Plattenkoordinaten [115] y und x (s. 1.) kann durch unmittelbare Messung ersetzt werden. Dazu wird ein Kammermeßfernrohr benutzt, das mit dem Höhenkreis verbunden und in die Lager des Phototheodolits gelegt werden kann, nachdem die Horizontalachse entfernt worden ist. Geeignete Vorrichtungen gestatten, die Kammer vor dem Meßfernrohr in derselben Neigung anzubringen, in der die Aufnahme ausgeführt wurde. Nach Einstellung der Absehlinie des Meßfernrohrs auf die einzelnen Bildpunkte können die Richtungen am Horizontalkreis und die Höhenwinkel am Höhenkreis abgelesen werden. Die Photographie dient bei dieser Anordnung also gewissermaßen zur Verlegung der Winkelmessung vom Felde in das Zimmer. Weiteres hierüber s. [6] und [7].
Fig. 8 ist die Ansicht eines nach dem Prinzip von Finsterwalder von Sedlbauer in München konstruierten Photogrammeters, das für Aufnahmen in schwer zugänglichen Geländen und auch auf Reifen bestimmt ist. Das Fernrohr wird durch das photographische Objektiv, einen Zeißschen Protar, und ein an der Rückseite der Kammer angebrachtes weitwinkliges Okular gebildet. Das Fadenkreuz ist durch Verbindung der Rahmenmittelmarken mit seinen Drahtfäden hergestellt. Das Objektiv kann auf einem Jalousieschieber um 45 mm parallel der Bildplatte verschoben werden. Der Betrag der Verschiebung wird mit einem Nonius an einer Millimeterteilung abgelesen. Aus der Verschiebung c und der Bildweite d ist der Höhenwinkel der Richtung leicht zu berechnen nach tg α = c : d. Zur Orientierung der optischen Achse dient die auf der starren Kammer gelagerte Bussole. In der Bussole ist eine Dosenlibelle angebracht, mit der die optische Achse horizontal und die Bildplatte vertikal gestellt werden. Die Beschickung der Kammer erfolgt durch eine Doppelkassette. Der Abstand der Bildplatte vom Fadenkreuz beträgt 4 mm. Um diesen Betrag kann das Objektiv horizontal verschoben werden, damit es in gleichem Abstande sowohl zum Fadenkreuze als auch zur Bildplatte eingestellt werden kann. Das Fadenkreuz wird mit abgebildet. Vgl. hierzu [5].
Es ist eine große Anzahl von Phototheodoliten und Phototachymetern konstruiert worden. Vgl. [1], [4], [18] und die dort angegebene Literatur. In der Regel wird die Bildplatte der Einfachheit wegen vertikal gestellt. Ueber Aufnahme mit geneigter Bildplatte s. oben. Eine zylindrische Fläche ist beim Cylindrograph (s.d.) von Moëssard [2], eine drehende Vorrichtung beim Cyklograph (s.d.) von Damoiseau angewendet. Wird unter Weglassung der Theodoliteinrichtung eine Meßtischplatte mit Kippregel (s. Meßtisch) auf der Kammer angebracht, so entsteht der photogrammetrische Meßtisch. Ein solcher ist durch v. Hübl konstruiert [2]. Wegen Bestimmung von Bildweite und Bildhauptpunkt nach gegebenen und abgebildeten Punkten s. 2. Ueber weitergehende Prüfung, z.B. der senkrechten Stellung der Bildplatten, s. [1] und [2], Bezüglich der Prüfung und Berichtigung der Instrumente, soweit die photographische Einrichtung nicht in Betracht kommt, s. Theodolit und Meßtisch.
4. Die Feldaufnahme. Das System der gegebenen Punkte wird bei größeren Aufnahmen durch Triangulierung (s.d.), bei kleinen Aufnahmen durch eine Standlinie oder einen Polygonzug (s. Polygonisierung) erhalten, der am besten tachymetrisch gemessen wird (s. Tachymetrie). Der Verlauf der Feldarbeit ist: a) Messung der Horizontal- und Vertikalwinkel nach den Anschlußpunkten; b) Einstellen der Kammer in die geeignete Bildstellung, Ablesen der Richtung; c) Photographie, dabei Beachtung der erforderlichen Proben für die Stellung des Apparats. Näheres s. [1], [2]. Bei der Auswahl der Standpunkte im Gelände ist zu beachten, daß die Richtungsschnitte eine günstige Punktbestimmung abgeben und daß identische Punkte auf den Platten zuverlässig aufgefunden werden können. Praktische Winke hierzu in [1], [2], [5].
5. Die Ausarbeitung nimmt folgenden Gang: a) Aufsuchen, Bezeichnen und Numerieren der gegebenen und der zur Geländedarstellung erforderlichen, auf mindestens zwei Platten als identisch erkannten Punktbilder. Ermittlung der Bildkoordinaten im Anschluß an die mitabgebildete Randteilung. Hierzu dienen feingeteilte Maßstäbe oder Glastafeln mit Millimeterquadraten. Von der Verwendung besonderer mikrometrischer Vorrichtungen wird in der Regel abgesehen. Am genauesten erhält man die Bildkoordinaten aus dem Negativ oder einem Diapositiv; für viele Zwecke ist die Benutzung einer Kopie bequemer und ausreichend, wobei die Papierverzerrung nach der mitabgebildeten Rahmenteilung berücksichtigt werden kann. Wegen der Ausmessung beim Koppeschen Apparat s. [6] und [7]. b) Auftragen der gegebenen Standpunkte und Richtungen im Plan, c) Bestimmung der Bildweiten und des Bildhauptpunktes (s. 2.), Eintragen in den Plan (Fig. 3). d) Eintragen der Bildabszissen x, Ausziehen der Richtungslinien nach den Geländepunkten, Einzeichnen der Punkte, e) Berechnung oder Konstruktion der Höhen (Fig. 4). Beispiele mit Anleitung, geben [1] und [2]; über Konstruktionshilfsmittel s. [3].
6. Stereophotogrammetrie, -komparator, -photogrammeter. Die in jüngster Zeit von Pulfrich begründete Stereophotogrammetrie ist die Bestimmung der Lage und Höhe von Geländepunkten nach stereoskopischen Bildern. Zwei zusammengehörige stereoskopische Bilder werden von den beiden Endpunkten einer meßbaren Grundlinie aufgenommen. Da die beiden Bilder bei ihrer Verwendung zu Messungszwecken in eine Ebene gelegt werden, müssen auch die Bildplatten während der Aufnahme in einer Ebene stehen. Am einfachsten ist das Verfahren bei vertikaler Stellung der Bildplatten, von der hier ausgegangen werden soll. Wenn ein stereoskopisches Bildpaar in einer Ebene derart ausgebreitet wird, daß die Hauptvertikalen beider Bilder unter sich parallel sind und daß gleiche Bildpunkte in gleicher Höhe liegen, so zeigen sich verschiedene Abstande unter je zwei zusammengehörigen Punkten. Der Abstand von unendlich fern liegenden Punkten ist dem der beiden Hauptvertikalen gleich. Die Abstande andrer Punkte nehmen mit der Entfernung von der Grundlinie ab. Der Unterschied e eines Abstandes von dem der Hauptvertikalen ist ein Maßstab für die stereoskopische Parallaxe. Er kann ermittelt werden nach den Bildabszissen x und x' eines Punktes (Fig. 9), e = x x'. Mißt man außer den Abszissen in einem Bilde, z.B. dem linken, noch die Ordinate y des Punktes, so ist seine Lage im Raum bestimmt. Wird ein Koordinatensystem mit der optischen Achse des Kammerobjektivs über dem linken Basispunkte als Abszissenachse angenommen, so ist (Fig. 9) [116] S = d a : e; X = x a : e und Δ h = S y : d = y a : e. Die Anwendung des beschriebenen Verfahrens würde dem älteren gegenüber aber keine Vorteile bringen, wenn die Ausmessung der Bilder mit den gewöhnlichen Hilfsmitteln erfolgen müßte. Besondere Vorteile ergeben sich erst durch die Benutzung des Zeißschen Stereokomparators. Die Konstruktion dieses von Pulfrich durchgebildeten Instruments gründet sich auf dem Prinzip des stereoskopischen Entfernungsmessers (s. Distanzmesser). Die beiden stereoskopischen Bilder b und b' (schematische Fig. 10) ruhen auf einem schräg oder wagerecht gestellten Rahmen, der mit der Schraube H in der Längsrichtung und mit der Schraube V in der Querrichtung auf Schlitten bewegt werden kann. Die Größe der Verschiebungen wird an den Maßstäben h und v ermittelt. Es ist ferner möglich, beide Bilder etwas zu drehen und das rechte Bild für sich durch die Schrauben U, W in den angegebenen Richtungen zu verteilen. Zur Ermittlung der Längsverschiebung dient der Maßstab u. Die Bilder werden durch ein binokulares, von einem Träger gehaltenes Stereomikroskop betrachtet, wobei sie als ein einziges, räumlich gegliedertes Bild erscheinen. Hierin liegt ein wesentlicher Vorteil, weil die schwierige Identifizierung von Punkten auf zwei Bildern nicht erforderlich ist. Der Abstand der Objektive ist bedeutend größer als der Abstand der Okulare. Durch ein Prismensystem werden die Absehlinien gebrochen; auch wird die durch die Objektive hervorgerufene Bildumkehrung wieder aufgehoben. In den Bildebenen der beiden Mikroskope befinden sich Glasplatten mit kurzen vertikalen Strichmarken, die beim Gebrauch des Stereoskops als ein einziger im Raum schwebender Strich erscheinen. Die Schraube M gestattet eine geringe, hier nicht in Betracht kommende, für seine Entfernungsmessungen bestimmte seitliche Verschiebung der rechts liegenden Markenplatte. Bei einer Verschiebung scheint die Marke ihre Stellung der Tiefe nach zu verändern. Die Okulare können der günstigsten Sehweite und dem Augenabstande des Beobachters entsprechend gestellt werden. Zur Gewinnung eines scharfen Bildes läßt sich das ganze Mikroskop normal zu der Plattenebene verschieben. Spiegel oder elektrische Lampen beleuchten die Bilder. Mit dem Komparator werden die Bildkoordinaten und die stereoskopische Parallaxe gemessen. Zunächst wird der Hauptpunkt o des linken Bildes b mit den Schrauben H und V und durch Drehung des Bildes auf die Marke des linken Mikroskops derart eingeteilt, daß die Bildhorizontale wagerecht liegt. Danach wird auch das rechte Bild mit den Schrauben U und W und durch Drehung so gestellt, daß die rechte Marke auf o' steht und die Bildhorizontale wagerecht ist. Dann entspricht die Markenstellung einer unendlichen Entfernung. Sind die beiden Aufnahmen nicht in der gleichen Höhe ausgeführt, so muß das rechte Bild mit der Schraube W noch in der Richtung der Hauptvertikalen verschoben werden, bis die auszumessenden gleichen Punkte der beiden Bilder in gleichen Höhen liegen. Die Ablesungen an den Maßstäben h, v und u geben nunmehr die Ausgangsstellung des Komparators an. Ein zu messender Punkt des linken Bildes wird hiernach mit den Schrauben H und V unter die Marke des linken Mikroskops gebracht, worauf die Abszisse x am Maßstab h und die Ordinate y am Maßstab v mit Hilfe von Nonien und unter Berücksichtigung der Ausgangsstellung ermittelt werden. Nachdem der gleiche Punkt des rechten Bildes mit der Schraube U auf die rechte Marke eingestellt ist, wird die stereoskopische Parallaxe e am Maßstab u ebenfalls mit einem Nonius bestimmt. Bei den Ablesungen von x und y lassen sich 0,05 mm und bei der Ablesung von e 0,01 mm schätzen. Zur Aufnahme von stereoskopischen Bildern eignet sich jede Kammer mit Anlegerahmen, wenn die Möglichkeit besteht, die Bildplatten auf den beiden Basispunkten in die gleiche Ebene zu stellen. Die Einstellung in die Vertikalebene mit Hilfe von Libellen ist leicht und genügend genau ausführbar. Schwieriger ist es, eine Verschwenkung der Platten gegeneinander zu vermeiden. Von Zeiß wurde ein Stereophotogrammeter konstruiert, dessen Platte unter Anwendung eines entsprechend gelagerten Fernrohrs eingestellt werden kann. Die Einstellgenauigkeit wird zu 10'' angegeben. Mit einer distanzmessenden Schraube (s. Distanzmesser) am Photogrammeter erfolgt die Basismessung nach einer horizontal gerichteten, mit Marken versehenen Röhrenmeßlatte. Die Genauigkeit der Basismessung soll für kartographische Zwecke 1 : 1000 betragen. Sind im Aufnahmegebiete trigonometrische Punkte vorhanden, deren Lage zu einem Basispunkt bekannt ist, so kann festgestellt werden, ob die Platten bei der Aufnahme etwas gegeneinander verschwenkt waren. Eine Verbesserung für e ergibt sich dann nach Δ = e2 (S' S) : d a. Darin ist S' der aus der Lage der trigonometrischen Punkte berechnete und S der aus der Aufnahme ermittelte Abstand (Fig. 9). Weiteres über Apparate und Verfahren s. [8][12].
7. Anwendung und Genauigkeit. Die Photogrammetrie bildet eine bedeutsame Ergänzung der übrigen topographischen und tachymetrischen Meßmethoden (s. Topographie, Tachymetrie und Meßtisch). Sie ist besonders geeignet für die Aufnahme unzugänglicher Felspartien, Runsen und Gletscher, bei den Vorarbeiten für Gebirgsbahnen, für generelle Aufnahmen auf Reifen (s. Routenaufnahme) und für Küstenvermessungen vom Fahrzeug aus. Auch Ballonaufnahmen kommen in Betracht [16]. Die Photogrammetrie wird, wie sich besonders bei den österreichischen, italienischen und französischen Arbeiten gezeigt hat, einen wesentlichen Fortschritt der Hochgebirgskartographie bedingen. Ueber die Anwendung der Stereophotogrammetrie[117] s. [8][17]. Bei dem älteren photogrammetrischen Verfahren kann die Genauigkeit in der Bestimmung der Bildkoordinaten über die Genauigkeit der Entnahme aus einer exakten Zeichnung nicht hinausgehen, findet also in diesem Umstande ihre Grenze. Nach [1] und [5] ist bei Bildweiten von 150200 mm und Messung im Negativ oder Diapositiv der mittlere Fehler der Horizontal- und Vertikalrichtungen nach scharf bezeichneten Punkten ± 12', nach Punkten, die in den Bildern aufgesucht und mit dem Identifizierungsfehler behaftet sind, ± 3'. Im letzten Falle beträgt der Punktfehler nach Lage und Höhe bei 1000 m Entfernung etwa ± 1 m, Die Stereophotogrammetrie erfordert eine Punktidentifizierung nicht; die Bestimmung der Bildkoordinaten durch den Stereokomparator ist etwas schärfer als die mit den gewöhnlichen Hilfsmitteln. Außer von andern Ursachen ist der Punktfehler aber von dem Fehler und der Länge der verhältnismäßig kurzen Grundlinie sowie von dem Fehler der Parallaxenbestimmung abhängig. Auch hier kann man bei einer Bildweite von 150200 mm, einer Grundlinie von 100 m und einem Punktabstand (s. S in Fig. 9) von 1000 m mit einem Fehler von etwa ± 1 m rechnen. Näheres über die Fehler s. die Literatur, besonders [11] und [17]. In bezug auf Genauigkeit entsprechen die photogrammetrischen Methoden im allgemeinen den übrigen topographischen und tachymetrischen Aufnahmeverfahren. Nach den bisherigen Erfahrungen erscheint eine vereinte Anwendung der beiden photogrammetrischen Methoden zweckmäßig [11].
Literatur: [1] Koppe, Die Photogrammetrie oder Bildmeßkunst, Weimar 1889. [2] Steiner, Die Photographie im Dienste des Ingenieurs, Wien 189193. [3] Schiffner, Die photographische Meßkunst oder Photogrammetrie u.s.w., Halle a. S. 1892. [4] Jordan, Handbuch der Vermessungskunde, Bd. 2, 6. Aufl., bearbeitet von Reinhertz, Stuttgart 1904. In [1][4] Literaturangaben, auch in Hinsicht auf Geschichte. [5] Finsterwalder, Zur photogrammetrischen Praxis, Zeitschr. für Vermess. 1896, S. 225. [6] Koppe, Photogrammetrie und internat. Wolkenmessung, Braunschweig 1896. [7] Kahle, Die neuen Phototheodoliten von Koppe, Zeitschr. f. Instr. 1897, S. 33. [8] Pulfrich, Ueber neuere Anwendungen der Stereoskopie und über einen hierfür bestimmten Stereokomparator, ebend. 1902, S. 65. [9] v. Hübl, Die Stereophotogrammetrie, Mitteilungen des k. k. Milit. Geogr. Inst., Bd. 22, 1902, S. 139. [10] Ders., Die stereophotogrammmetrische Terrainaufnahme, ebend., Bd. 23, 1903, S. 181. [11] Ders., Beiträge zur Stereophotogrammetrie, ebend., Bd. 24, 1904, S. 143. [12] Hammer, Referat über Phototheodolit, Stereokomparator und Stahlmeßrohr von Pulfrich, Zeitschr. f. Instr. 1907, S. 312. [13] Pulfrich, Ueber die Konstruktion von Höhenkurven und Plänen auf Grund stereophotogrammetrischer Messungen u.s.w., ebend. 1903, S. 43; Ueber einen Versuch zur praktischen Erprobung der Stereophotogrammetrie u.s.w., ebend. 1903, S. 317. [14] Seliger, Topographische Triangulation durch Stereophotogrammetrie, Zeitschr. f. Verm. 1905, S. 382. [15] Truck, Die stereophotogrammetrische Meßmethode und ihre Anwendung auf Eisenbahnvorarbeiten, ebend. 1906, S. 313. [16] Schell, Die stereophotogrammetrischen Ballonaufnahmen für topographische Zwecke, Wien 1906. [17] Doležal, Genauigkeit und Prüfung einer stereogrammetrischen Aufnahme, Oesterr. Zeitschr. f. Verm. 1907, S. 167. [18] Fortlaufende Literaturnachweise in der Zeitschr. f. Vermess. Berichte über die Fortschritte in Theorie und Praxis der Photogrammetrie und in den Instrumenten in [19] Internat. Archiv s. Photogrammetrie, Wien u. Leipzig.
( Reinhertz) Hillmer.
Buchempfehlung
Bereits 1792 beginnt Jean Paul die Arbeit an dem von ihm selbst als seinen »Kardinalroman« gesehenen »Titan« bis dieser schließlich 1800-1803 in vier Bänden erscheint und in strenger Anordnung den Werdegang des jungen Helden Albano de Cesara erzählt. Dabei prangert Jean Paul die Zuchtlosigkeit seiner Zeit an, wendet sich gegen Idealismus, Ästhetizismus und Pietismus gleichermaßen und fordert mit seinen Helden die Ausbildung »vielkräftiger«, statt »einkräftiger« Individuen.
546 Seiten, 18.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro