[570] Schwefelsäure. Zu Bd. 7, S. 845, und Ergbd. I, S. 697, ist folgendes zu ergänzen:
1. Schwefeltrioxyd, Schwefelsäureanhydrid, SO3, Mol.-Gew. 80, bildet lange, weiße, seidenglänzende Nadeln, die bei 17,7° schmelzen und bei 46° sieden. 2. Schwefelsäure, Schwefelsäuremonohydrat, H2SO4, Mol.-Gew. 98. Ueber den Siedepunkt (338°) erhitzt, dissoziiert e in SO3 und H2O.
Technische Herstellung. In der langen Kriegszeit hat der Mangel an Kies in Deutschland zur Nutzbarmachung folgender Rohstoffe geführt: 1. Schwefelkies in der Kohle, 2. aus den Verkokungsöfen entweichender Schwefelwasserstoff, 3. Sulfidschwefel in der Eisenhochofenschlacke, 4. Sulfatschwefel im Anhydrit (CaSO4), 5. Sulfatschwefel im Bisulfat.
1. Der Schwefelkies in der Kohle (Kohlenkies) wird nach Zerkleinerung derselben ausgewaschen (Sichsetzen, s. Setzarbeit, Bd. 8, S. 86) und dann in mechanischen Kiesöfen abgeröstet.
2. Der Schwefelwasserstoff wird aus Koksofengas durch Kalkmilch aufgenommen, indem sich Calciumhydrosulfid [Ca(SH)2] bildet. Dieses wird dann gesondert durch Kochen zersetzt und gibt so den reinen Schwefelwasserstoff frei, den man nun zu Schwefeldioxyd verbrennt.[570]
3. Die Sulfide (hauptsächlich CaS) der Eisenhochofenschlacke zersetzt man entweder durch Einblasen von Luft in die glutflüssige Schlacke, und macht dabei Schwefeldioxyd frei, oder man bläst Wasserdampf ein und entwickelt mit diesem Schwefelwasserstoff, der nun zu Schwefeldioxyd verbrannt wird.
4. Den Anhydrit (CaSO4) verarbeitet man a) nach dem auch bis zur Schwefelgewinnung ausgebildeten Chance-Claus-Verfahren. Man reduziert ihn mittels beigemengter Kohle im Drehrohrofen zu Calciumsulfid und zerrührt dann dieses mit Wasser zu dünnem Brei. Der Brei wird in sieben hohen eisernen Zylindern durch Sättigung mit hindurchgeblasener Kalkofen-Kohlensäure zunächst verwandelt in Calciumsulfhydrat und Calciumkarbonat, worauf in den gesättigten Zylindern aus dem Calciumsulfhydrat Schwefelwasserstoff entsteht, den man zu Schwefeldioxyd verbrennt [1]. b) Nach dem Verfahren der Badischen Anilin- und Sodafabrik glüht man den Anhydrit in inniger Mischung mit Ton im Zementschachtofen, treibt dadurch das Schwefeltrioxyd in Gestalt von Schwefeldioxyd und Sauerstoff aus und gewinnt schließlich das Zurückbleibende als Zement [2]. c) Nach einem dritten Verfahren wird der Anhydrit ohne Zusätze auf so hohe Glut erhitzt, daß er alles Schwefeltrioxyd freigibt.
5. Nach dem englischen Patent Nr. 117649 wird Natriumbisulfat (NaHSO4) in wässriger Lösung zusammen mit Calciumsulfat (zum Teil fest) auf 50° erwärmt, wodurch sich Glauberit (CaSO4 Na2SO4) bildet und Schwefelsäure in Freiheit gesetzt wird. Nach Entfernen des Glauberit wird durch Abkühlen auf gewöhnliche Temperatur das gelöste Natriumbisulfat ausgeschieden und schließlich die davon getrennte Lösung bis auf 7075% ige Schwefelsäure konzentriert [3]. S.a. den Art. Ammoniumsulfat.
Von Patenten ähnlicher Verfahren seien noch genannt:
D.R.P. Nr. 295936. Dirks. Umsetzung des Calciumsulfates durch Ammoniumkarbonat in Calciumkarbonat und Ammonäumsulfat und Zerlegung des letztgenannten mittels Phosphorsäure.
Schweizerisches Patent Nr. 72627. Elektrizitätswerk Lonza. Herstellung von Schwefelsäure aus Gipsstein und Quarz in mit Sauerstoff angereicherter Luft.
Vereinigte Staaten von Amerika, Patent Nr. 1168046. Bassett. Zementherstellung aus Gemenge von Gipsstein, Ton und Kohle mittels Einblasens von Luft in die Zone von 900° zur Gewinnung von Schwefeldioxyd neben Kohlenoxysulfid, Kohlenoxyd und Kohlendioxyd.
Röstöfen für Schwefelkies. Die de Spirlet-Röstöfen wurden in Amerika verbessert. Der alte (etwa seit 1912) von der Erzrost-Gesellschaft in Köln a. Rh., für Blende, hat folgende Einrichtung. Um eine senkrechte Achse drehen sich drei kreisförmige Herde, darunter ist ein vierter feststehender. Man verarbeitet 5000 kg Blende in 24 Stunden mit weniger als 1 PS. und weniger als 10% des Erzgewichtes Brennstoff. Das Röstgas enthält 57% Schwefeldioxyd. Dem Hegeler-Ofen in den Vereinigten Staaten scheint er bezüglich Betriebskosten überlegen [4].
Neue amerikanische rechtwinklige mechanische Röstöfen gibt es in Bauart Edward und Bauart Merton [5]. Letztgenannter, für Blende und für Kupferstein, enthält oberhalb und unterhalb dreier Muffelherde je einen offen im Feuergasstrom stehenden Herd; der obere ist zum Trocknen, der untere zum Fertigrösten. Nur die Gase aus den Muffeln werden für Schwefelsäure gebraucht. Die Feuergase gehen durch einen Regenerator zum Schornstein [6].
Ueber Röst- und Säurebetrieb in Anaconda siehe unter Literatur [7].
Bleikammerverfahren. In England erbaute man 1917 stumpfkeglige Bleikammern nach Patent Mills und Packard (je 200300 cbm). Sie werden außen mit Kühlwasser berieselt. Das Blei soll dadurch besser gegen Angriff der Säure geschützt werden. Es kamen 15 Kammern in Ipswich in Betrieb [8]. Für Glover-, Denitrier- und Gay-Lussac-Türme gebraucht man in Deutschland jetzt ein quarzreiches Naturgestein aus Westfalen [11].
Kontaktverfahren. Im Knietsch-Verfahren der Badischen Anilin- und Sodafabrik wird arsenige Säure nebst unabfiltrierbarem Staub mittels Wasserregens entfernt.
Für neuestes Verfahren des Vereins chemischer Fabriken in Mannheim dient ein Eisenoxydkontaktschacht mit folgendem Kühler, sowie drei mit Schwefelsäure berieselte Absorptionstürme. Das Eisenoxyd soll aus den Gasen fast alles Arsen ausscheiden [9], [10].
Den Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. wurde die Verwendung von vanadinsaurem Silber als Kontaktstoff patentiert.
Konzentrierung. Man verwendet Gaillard-Türme, Schalensystem von Benker, Kettlersche Schalen aus Volvic-Lava und Kessler-Düron-Apparate. Statt der Volvic-Lava nimmt man neuestens ein quarzreiches Naturgestein aus Westfalen [11]; in Italien gebraucht man Aetna-Lava.
Ueber das in Amerika in Betrieb gekommene Cottrell-Verfahren mit Neuerungen in der Behandlung der Gase s. [12].
Die größte Schwefelsäurefabrik der Welt, auch mit den größten Einheiten, wurde von der Tennessee Copper Company erbaut. Die Bleikammern haben bis 22 m Höhe und das größte System 111638 cbm gesamten Kammerraum. Das eine System besitzt 11 Gay-Lussac-Türme, das andere einen Turm mit 56 Abteilungen [13].
Literatur: [1] Ost, Chem. Technologie, 7. Aufl., Hannover 1911, S. 93. [2] Chemiker-Ztg., Jahrg. 1919, Nr. 78. [3] F.A. Freeth, Chem. Trade Journ., Jahrg. 1918, S. 176. [4] Engineering and Mining Journ., Jahrg. 1914, S. 617. [5] Engineering and Mining Journ., Jahrg. 1915, S. 181. [6] Engineering and Mining Journ., Jahrg. 1918, S. 569. [7] Zeitschr. f. angew. Chemie, Jahrg. 1915, Nr. 91, Teil II, S. 574. [8] Ind. chimique, Jahrg. 1918, S. 33. [9] W. Wilke, Chemiker-Ztg., Jahrg. 1912, Nr. 125, S. 1214. [10] Chemiker-Ztg., Jahrg. 1919, Nr. 76. [11] Zeitschr. f. angew. Chemie, Jahrg. 1918, Bd. I, S. 48 u. Bd. II, S. 124. [12] Chem. Metallurg. Engineering, Jahrg. 1918, S. 309314. [13] Chem. Metallurg. Engineering, Jahrg. 1918, S. 404408.
Moye.
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