[158] Ausstellungsbauten (hierzu Tafel »Ausstellungsbauten I-IV« mit Text), Baulichkeiten zur Aufnahme der auf Ausstellungen (s. d.) zur Schau gebrachken Gegenstände. Die ersten derartigen Gebäude waren mächtige, aus Eisen und Glas errichtete Hallenbauten ohne architektonische Gliederung (London 1851 mit 75,000 qm Grundfläche, München 1854 mit in Stein ausgeführten untern Frontenteilen). Das erwachende Bedürfnis nach monumentalern Gestaltungen führte dazu, die Glasfläche mehr oder minder durch steinerne, eiserne oder auch hölzerne Wand, bei. Decke zu ersetzen. Bei der Anlage mächtiger einheitlicher Hallenbauten blieb man aber zunächst noch stehen und suchte den ungegliederten Wirrwarr der Ausstellungsgegenstände durch Einführung bestimmter »Systeme« abzuhelfen. So entstanden zunächst für die Weltausstellung von Paris 1855 der Industriepalast in den Champs Elysées (Tafel II, Fig. 1u. 2) und das 125,000 qm Grundfläche bedeckende Gebäude der 1862er Weltausstellung in London. Beides sind Bauten von bemerkenswertem architektonischen Gepräge, das man ihnen aber nur zu verleihen vermocht hatte durch Mehrgeschossigkeit einzelner Teile, resp. durch Einbauen von Galerien, die sich bald als für den Ausstellungszweck unpraktisch herausstellten. Man ging deshalb in Paris 1867 auf die lediglich ebenerdige Anlage zurück, suchte ab. r System und Übersichtlichkeit dadurch zu gewinnen, daß man dem Gebäude bei 150,000 qm Grundfläche elliptische Form gab und es so teilte, daß in konzentrischen Ringen die gleichen Erzeugnisgruppen, in keilförmigen Ausschnitten die einzelnen Völker untergebracht wurden (Tafel II, Fig. 3). Der Erfolg war weder in praktischer noch in ästhetischer Beziehung befriedigend. Auch die bei der Pariser Weltausstellung von 1878 getroffene Anordnung, bei der man das gleiche System unter rechteckiger Gestaltung des 250,000 qm bedeckenden Hauptausstellungsgebäudes als sogen. Tabellensystem durch führte (Tafel II, Fig. 6 u. 7), hatte kein günstigeres Ergebnis. Schon 1873 brach man in Wien mit den großen einheitlichen Hallenbauten und schuf dort mehrere Hauptgebäude: neben dem großen Industriepalast eine Kunsthalle, zwei Agrikulturhallen, eine ausgedehnte Maschinenhalle und überdies in der Umgebung dieser Hauptbauten, im Ausstellungspark verstreut, eine große Anzahl von Annexbauten (Grundplan s. Tafel II, Fig. 5). Der große Industriepalast wurde in Wien nach dem Fischgrätensystem gebildet, d. h. es wurde von einer langen, schmalen, in der Mitte durch eine für Repräsentationszwecke u. dgl. bestimmte »Rotunde« (Tafel II, Fig. 4) unterbrochenen Mittelhalle rechtwinkelig eine größere Anzahl kurier und noch etwas schmälerer Seitenhallen abgezweigt, deren je vier an den beiden Enden und um die Rotunde durch wieder parallel mr Mittelhalle gelegte Hallen zu geschlossenen Baukörpern zusammengefaßt wurden. Trat bei dieser ganzen Anordnung auch eine ziemliche Zersplitterung der Ausstellungsgruppen ein, so überwogen doch die in der ruhigen Absonderung und guten Beleuchtung der Ausstellungsgegenstände, in der leichten Zugänglichkeit, Erweiterungsfähigkeit und künstlerischen Gestaltungsfähigkeit der einzelnen Gebäude liegenden Vorzüge derart, daß die Zerlegung in mehrere Hauptbauten nunmehr allgemein zur Geltung gelangte. So zunächst in Philadelphia 1876, wo die Ausstellungsbauten eine Fläche von 220,000 qm bedeckten, und wo auch für den Gartenbau ein besonderes, sehr bemerkenswertes Gebäude errichtet wurde. Das Hauptgebäude ging auf das Pariser Vorbild von 1867 zurück, wurde aber nach dem Tabellensystem eingerichtet. Weiter dann bei der Pariser Weltausstellung[158] von 1889, wo die verschiedenen Hauptgebäude auf dem Marsfelde zu einer eng zusammengeschlossenen Gruppe vereinigt wurden (Tafel I, Fig. 2), und in ausgesprochenster Weise bei der Chicagoer Weltausstellung 1893, für die auf einem Ausstellungsfeld von etwa 250 Hektar nicht weniger als zehn großartige Gebäude errichtet waren, abgesehen von zahlreichen kleinern Baulichkeiten und Nebenanlagen aller Art. Tafel III zeigt den Ausstellungsplatz aus der Vogelschau (Fig. 3), die Maschinenhalle (Fig. 1) und die Halle für Gartenbau (Fig. 2). Ebenso endlich bei der Pariser Jubiläumsausstellung von 1900. Dieser Veranstaltung waren außer dem Platze der 1889er Ausstellung noch der Teil der Champs-Elysées, in dem der Industriepalast von 1855 stand, überwiesen, so daß sie ein Ausstellungsfeld von 108 Hektar und eine mit Baulichkeiten bedeckte Fläche von 40 Hektar aufwies, ungerechnet ein Gelände im Bois de Vincennes, das insbes. zur Aufnahme des rollenden Eisenbahnmaterials, der Viehausstellungen, des Sports und aller Maschinen und Apparate diente, die wegen übeln Geruchs, wegen ihrer Gefährlichkeit und aus ähnlichen Gründen von der Hauptausstellung fern zu halten waren. Auf dem mit der Invaliden-Esplanade durch eine neue prächtige Brücke, den Pont Alexandre III, verbundenen Teile der Champs-Elysées waren die beiden Kunstpaläste (Tafel IV, Fig. 1 u. 2) errichtet, die, massiv in Spätrenaissanceformen mit innern Eisenhallen erbaut, nach der Ausstellung erhalten geblieben sind, während die übrigen, nur provisorisch aus Eisen und Gipsstuck hergestellten Baulichkeiten, von denen Fig. 36 auf Tafel IV Beispiele bieten, abgebrochen wurden.
Hatte man schon lange erkannt, daß der Erfolg einer Weltausstellung namentlich mit von der Gestaltung der A. abhängig sei, so glaubt man neuerdings, seit den 1889 in Paris mit dem Eiffelturm (s. d. unter Art. »Eisenbau«, Tafel II, Fig. 7) erzielten Ergebnissen, ein solches besonderes bauliches Zugmittel nicht mehr entbehren zu können, und alle Veranstalter von Ausstellungen mühen sich ab mit dem Ersinnen eines derartigen »clou« (künstliche Berge, Riesenaussichtsgondelräder, mächtige Himmelskugeln, Nachbildungen alter Stadtteile etc.).
Das bauliche Bedürfnis für die einem Sondergebiet gewidmeten oder auf einzelne Länder oder Landesteile beschränkten Ausstellungen ist ein wesentlich einfacheres. Entweder die A. lehnen sich an ein bestehendes oder zum Fortbestehen errichtetes Monumentalgebäude an, oder es werden die Hauptanordnungen der Weltausstellungen im kleinen nachgebildet, und zwar wird dann bald ein einziges größeres Hauptgebäude mit Annexbauten errichtet, bald wird auch wieder das Hauptgebäude in eine größere Anzahl solcher aufgelöst. Eine besondere Stellung nimmt das 1882 für die Hygiene-Ausstellung in Berlin aus Holz errichtete, damals abgebrannte und dann 1883 in Eisen wieder aufgebaute, fortan siehen gebliebene und dauernd den verschiedensten Ausstellungszwecken dienende Gebäude ein. Es ist nach dem Pavillonsystem errichtet und besteht der Hauptsache nach in einer Anzahl selbständig überdachter Quadratnetzfelder, die durch Wandeinbauten, diagonale Abschrägungen etc. je nach den verschiedenen Ausstellungszwecken zu Räumen verschiedenster Gestalt und Größe ausgebildet werden können (Tafel II, Fig. 8 u. 9).
Zu den lokalen Ausstellungen, welche die Anordnungen der Weltausstellungen im kleinen nachbilden, und deren Anlagen baukünstlerisch auf hoher Stufe standen, gehören die Berliner Gewerbeausstellung von 1896, die Jahrtausend-Ausstellung in Budapest (1896), die Kunst- und Industrie-Ausstellung in Stockholm (1897) und die Industrie-, Gewerbe- und Kunstausstellung in Düsseldorf (1902). In Berlin (1896) waren für das von B. Schmitz errichtete Hauptgebäude zwar die nüchternen Hallen der Antwerpener Ausstellung von 1894 benutzt. Doch war dieser mächtige Baukörper durch Baumpflanzungen etc. geschickt gedeckt; zur Geltung kam nur sein neuer prächtiger Frontbau, durch dessen schlanke Türme, goldschimmernde Kuppeln und schattige Wandelhallen in Verbindung mit einem von reicher Vegetation umgebenen künstlichen See und einem an dessen Ende hoch über dem Haupterfrischungsgebäude emporragenden Wasserturm eine »Ausstellungsmitte« von überraschender Schönheit geschaffen war. Aber auch die weitern offiziellen Bauten der Ausstellung, ein Tor- und Verwaltungsgebäude, ein Bau für Chemie und optisches Gewerbe, ein Gebäude für Fischerei und Sport und ein Gebäude für Unterricht und Wohlfahrtseinrichtungen, an denen hauptsächlich die Architekten Hoffacker u. Grisebach beteiligt waren, ragten als Ausstellungsarchitekturen hervor, und nicht minder fanden sich unter den Baulichkeiten der privaten Unternehmungen, namentlich den Erfrischungsgebäuden, vorzügliche Leistungen. In Budapest (1896) waren die Ausstellungsgegenstände auf 165 Baulichkeiten, darunter 31 größere Bauwerke, verteilt, die eine Fläche vom 18,674 qm bedeckten. Insbesondere die Bauten der geschichtlichen Abteilung, eine romanische, eine gotische und eine Renaissancegruppe (Architekt Alpar) waren trefflich gelungen; die übrigen starkzersplitterten Baulichkeiten, unter denen die Industriehalle, die Maschinenhalle, die Ackerbauhalle, die Hallen für Bergbau und Bauindustrie sowie die Kunsthalle als die größten hervorragten, hatten nicht die gleiche künstlerische Bedeutung, obwohl auch unter ihnen sich sehr tüchtige Werke fanden. Die Baulichkeiten der Stockholmer Ausstellung (1897) lagen malerisch an den Seebuchten Östermalmsviken und Djurgårdsbruunsviken. Die 16,000 qm bedeckende Hauptindustriehalle war gan; in Holz errichtet und wurde von einer fast 100 m hohen Kuppel überragt, die etwas abenteuerlich durch vier mit ihr durch Brücken verbundene säulenartige Aussichtstürme umgeben war. Das auf dem Ausstellungsplatze befindliche erweiterte Nordische Museum enthielt eine Kulturausstellung. An den Ufern lagen eine in Eisen und Glas erbaute Maschinenhalle (10,000 qm), eine Fischereihalle (2800 qm), die Ausstellung für Armee und Marine, landeinwärts die in klassischen Formen entworfene internationale Kunsthalle, Gebäude für Touristen- und Sportwesen, Theater und Musik, Gartenbau etc. Die von ausgezeichnetem finanziellen Erfolg gekrönte Düsseldorfer Ausstellung von 1902 hatte an hervorragenden Baulichkeiten, insbes. den als Monumentalbau entworfenen Kunstpalast, welcher der Düsseldorfer Künstlerschaft auch fernerhin als Ausstellungsgebäude dienen soll, weiter die von Thielen-Hamburg entworfene Hauptindustriehalle, den »Pavillon Krupp« und das mit einem Turme zur Aufhängung der Gußstahlglocken ausgestattete Gebäude des Bochumer Vereins aufzuweisen; daneben manch reizvollen Bau kleinerer Abmessung für untergeordnete Zwecke.
Buchempfehlung
Beate Heinold lebt seit dem Tode ihres Mannes allein mit ihrem Sohn Hugo in einer Villa am See und versucht, ihn vor möglichen erotischen Abenteuern abzuschirmen. Indes gibt sie selbst dem Werben des jungen Fritz, einem Schulfreund von Hugo, nach und verliert sich zwischen erotischen Wunschvorstellungen, Schuld- und Schamgefühlen.
64 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro