Brunner

[503] Brunner, 1) Sebastian, kath. Theolog und Schriftsteller, geb. 10. Dez. 1814 in Wien, gest. 26. Nov. 1893 in Währing bei Wien, studierte Theologie, wurde 1838 zum Priester geweiht, stand 1843–48 in Metternichs Diensten, begründete 1848 die »Wiener katholische Kirchenzeitung«, die er bis 1865 herausgab, und wurde Doktor der Theologie, bekleidete darauf 1853–65 die Stelle eines Universitätspredigers zu Wien und wurde dann zum apostolischen Protonotar und päpstlichen Hausprälaten, 1875 zum fürsterzbischöflichen Konsistorialrat in Wien ernannt. In seinen zahlreichen Schriften, Kapuzinaden gröbsten Stils, bekämpft B. mit ultramontanem Fanatismus alle Erscheinungen des modernen Lebens. Wir nennen: das didaktische Gedicht »Die Welt ein Epos«, eine geistlose Verketzerung der Philosophie (Wien 1844; 4. Aufl., Regensb. 1857); die gegen die politischen, literarischen und religiösen Zustände gerichteten Dichtungen: »Der Nebeljungen Lied« (das. 1845, 4. Aufl. 1891) und »Der deutsche Hiob« (2. Aufl., das. 1846; daraus besonders abgedruckt: »Johannes Ronge, der Luther des 19. Jahrhunderts«); ferner »Blöde Ritter. Poetische Galerie deutscher Staatspfiffe« (das. 1848); mehrere Romane, die skandalösen »Keilschriften« (Wien 1856); »Woher? Wohin?«, eine Art Selbstbiographie (das. 1855, 2 Bde.; 3. Aufl. 1891). Später folgten Reisebeschreibungen, wie: »Kennst du das Land? Heitere Fahrten durch Italien« (Wien 1857), »Aus dem Venediger- und Longobardenland« (das. 1860), sowie historische Werke, wie: »Klemens Maria Hoffbauer und seine Zeit« (das. 1858), »Die theologische Dienerschaft am Hofe Josephs II.« (das. 1868), »Die Mysterien der Aufklärung in Österreich 1770–1800« (Mainz 1869), »Der Humor in der Diplomatie und Regierungskunde des 18. Jahrhunderts« (das. 1872, 2 Bde.), »Joseph II.« (Freiburg 1874, 5. Aufl. 1885), »Ein Benediktinerbuch«, Geschichte etc. der Benediktinerstifter[503] (Würzb. 1830), »Ein Cistercienserbuch« (das 1881), »Ein Chorherrenbuch« (das. 1883) und Schmähschriften gegen Lessing, Herder, Goethe, Schiller, Schopenhauer, Börne, Heine etc. Nicht ohne Interesse für die Kunstgeschichte sind: »Die Kunstgenossen der Klosterzelle« (Wien 1863) und »Heitere Studien und Kritiken in und über Italien« (das. 1866, 2 Bde.). Auch gab B. die »Correspondances intimes de l'empereur Joseph II avec son ami le comte de Cobenzl et son premier ministre le prince de Kaunitz« (Mainz 1871) heraus. Seine »Gesammelten Erzählungen und poetischen Schriften« erschienen in 18 Bänden (Regensb. 1863–77, neue Ausg. 1890ff.). Vgl. Scheicher, Seb. B., ein Lebensbild (Wien 1888).

2) Heinrich, Rechtshistoriker, geb. 22. Juni 1840 zu Wels in Oberösterreich, studierte zu Wien, Göttingen und Berlin, habilitierte sich 1865 in Wien für deutsche Rechtsgeschichte, ging in demselben Jahr als Privatdozent nach Lemberg, wurde daselbst 1866 außerordentlicher, 1868 ordentlicher Professor, 1870 in Prag, 1872 in Straßburg, 1873 in Berlin. B. hat in seinen Schriften für die Geschichte des deutschen, fränkischen, normännischen und anglo-normännischen Rechts ganz Hervorragendes geleistet. Hierher gehören: »Zeugen- und Inquisitionsbeweis der karolingischen Zeit« (Wien 1866); »Das anglo-normännische Erbfolgesystem« (Leip.;. 1869); »Das Gerichtszeugnis und die fränkische Königsurkunde« (in den »Festgaben für Heffter«, Berl. 1873); »Mithio und Sperantes« (das. 1885). In seiner epochemachenden Schrift »Die Entstehung der Schwurgerichte« (Berl. 1872) lieferte er zuerst den quellenmäßigen Nachweis des durch die Normannen vermittelten historischen Zusammenhanges zwischen der englischen Jury und fränkischen Prozeßinstituten. Ferner sind zu nennen seine Schrift »Zur Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde« (Berl. 1880, Bd. 1) sowie sein Hauptwerk, die »Deutsche Rechtsgeschichte« (in Bindings »Handbuch der deutschen Rechtswissenschaft-, Leipz. 1887–92, Bd. 1 u. 2); – Forschungen zur Geschichte des deutschen und französischen Rechts« (Stuttg. 1894); »Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte« (Leipz. 1901). Auch auf politischem Gebiet ist B. tätig gewesen, indem er 1863 bis 1864 in Wort und Schrift für die preußische Führung in Deutschland eintrat. B. ist Mitglied der königlich preußischen Akademie der Wissenschaften (sei: 1884) und der Zentraldirektion der »Monumenta Germaniae historica«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 503-504.
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