Fabrikinspektion

[253] Fabrikinspektion, eine staatliche Behördeneinrichtung, deren Beamte (Fabrikinspektoren, in Preußen Gewerberäte, in Österreich und jetzt auch in andern Ländern Gewerbeinspektoren) die Arbeitsverhältnisse zu beobachten, bei der Durchführung der Arbeiterschutzbestimmungen mitzuwirken und gute Beziehungen zwischen Arbeiter und Unternehmer anzubahnen und zu erhalten haben. Um dieser Aufgabe voll genügen zu können, muß der Fabrikinspektor unabhängig gestellt, sein Amt muß ausschließlich Berufstätigkeit sein. Seine Tätigkeit wird um so erfolgreicher sein, je mehr es ihm gelingt, durch Unparteilichkeit sich das Vertrauen von Unternehmern und Arbeitern zu sichern.

Eine Aussicht über Fabriken wurde in England 1802 angeordnet; doch wurden erst auf Grund des Gesetzes vom 23. Aug. 1833 vier Fabrikinspektoren angestellt mit der Befugnis, jede Fabrik zu jeder Zeit, wenn sie in Tätigkeit ist, zu betreten, die darin beschäftigten Kinder und jungen Personen zu untersuchen und über diese Erkundigungen einzuziehen. Ihre Zahl wurde allmählich erhöht. 1878 wurde die F. reorganisiert. An der Spitze steht jetzt der Chief Inspector, der die Geschäfte leitet, die Richtung besonderer Erhebungen durch die Inspektoren bestimmt, in zweifelhaften Fällen über die Auslegung des Gesetzes entscheidet etc. Unter ihm stehen mehrere Superintending Inspectors, welche die Inspektoren zu kontrollieren haben, und (1900) 132 Inspektoren, darunter 7 weibliche. In Frankreich war schon 1841 die Bestellung von Fabrikinspektoren vorgesehen, doch wurden erst durch Gesetz vom 19. Juni 1874: 15 Inspektionsbezirke mit je einem Beamten gebildet und die Zahl der Inspektoren 1885 auf 21 erhöht. Das Gesetz vom 2. Nov. 1892 und Dekrete von 1892 und 1893 haben wesentliche Änderungen gebracht. Im ganzen gibt es jetzt 103 Aufsichtsbeamte (11 Divisionsinspektoren und 92 männliche und weibliche Departementsinspektoren). In der Schweiz wird die F. seit Erlaß des Fabrikgesetzes vom 23. März 1877 durch drei Inspektoren mit je zwei Assistenten besorgt, deren Tätigkeit durch Instruktion vom 18. Juni 1883 geregelt ist. In Preußen war schon 1849 die Bestellung von Gewerberäten angeordnet, doch wurden solche erst 1853 in den Regierungsbezirken Aachen, Düsseldorf und Arnsberg angestellt. Die Gewerbeordnung von 1869 stellte die Ernennung von Aufsichtsbeamten in das Ermessen der Regierungen, doch machte, nachdem vorher schon in Preußen für Berlin und einzelne Provinzen, dann 1872 in Sachsen eine F. eingerichtet worden war, die Novelle vom 11. Juli 1878 die Ausstellung in Deutschland für alle Länder außer Lübeck, Strelitz und beide Lippe obligatorisch. Lübeck stellte 1886 ebenfalls einen Beamten an, ebenso wurde die F. in Elsaß-Lothringen 1889 eingerichtet, nachdem hier 1888 die Gewerbeordnung eingeführt worden war. Zuständigkeit und Wirkungskreis dieser Beamten wurde durch das Gesetz vom 1. Juni 1891 erheblich erweitert. Denselben stehen bei Ausübung der Aussicht alle amtlichen Befugnisse der Ortspolizeibehörden, insbes. das Recht zur jederzeitigen Revision der Anlagen zu. Sie sind, vorbehaltlich der Anzeige von Gesetzwidrigkeiten, zur Geheimhaltung der amtlich zu ihrer Kenntnis gelangenden Geschäfts- und Betriebsverhältnisse der Fabriken zu verpflichten. Über ihre amtliche Tätigkeit haben sie Jahresberichte zu erstatten, die dem Bundesrat und dem Reichstag vorzulegen sind. Die Ordnung der Zuständigkeitsverhältnisse zwischen den Fabrikinspektoren und den ordentlichen Polizeibehörden bleibt den einzelnen Bundesstaaten vorbehalten. Es gab in Deutschland Aufsichtsbeamte 1853: 3, 1880: 46, 1890: 80 und 1900: über 300, darunter auch mehrere weibliche. In Preußen ist durch den Erlaß vom 27. April 1891 (Dienstanweisung vom 23. März 1892) für jeden Regierungsbezirk ein Regierungsgewerberat bestellt, denen die Gewerbeinspektoren und Assistenten unterstellt sind. Diesen ist auch wie in Sachsen seit 1880 die Revision der Dampfkessel übertragen. Dazu kommen noch 40 Assistenten. Während die meisten Bundesstaaten die geeigneten Persönlichkeiten frei wählen, verlangt Preußen nach der Vorbildungsordnung vom 7. Sept. 1897 zur Erlangung der Befähigung zur F. ein dreijähriges technisches und ein anderthalbjähriges Studium der Rechts- und Staatswissenschaften, einen anderthalbjährigen Vorbereitungsdienst bei den Gewerbeaufsichtsbehörden und Ablegung einer Prüfung.

In Österreich erfolgte die Bestellung von Gewerbeinspektoren (17 Aufsichtsbezirke mit 48 Beamten unter einem Zentralgewerbeinspektor, die auch nach dem Unfallversicherungsgesetz vom 28. Dez. 1887 an der Unfallerhebung beteiligt sind) erst durch Gesetz vom 17. Juni 1883. Einzelne Industriezweige können unter die Aussicht von Spezialgewerbeinspektoren gestellt werden (geschah für die Schiffahrt). Auch in Italien, Holland, Luxemburg, Rußland (1884), Finnland (1889), Belgien (1889), Schweden (1890), Dänemark (neue Regelung 1889) sind Fabrik-, Arbeits- oder Industrieinspektoren bestellt. Vgl. Schönberg, Arbeitsämter (Berl. 1871); Weyer, Die englische F. (Tübing. 1888); Quarck, Zur äußern Geschichte der F. in Deutschland (Frankf. a. M. 1889), Derselbe, Die Gewerbeinspektion in Deutschland, England, Frankreich, Österreich etc. (Nürnb. 1896); Anton, Geschichte der preußischen Fabrikgesetzgebung (Leipz. 1891); Bahmann, Der Fabrikenrevisor (Dresd. 1893); Plotke, Die Gewerbeinspektion in Deutschland (Berl. 1899); die Artikel »Arbeiterschutz« und »Gewerbeinspektion« im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, Bd. 1 u. 3 (2. Aufl., Jena 1899 u. 1900) und Literatur bei Art. »Fabrikgesetzgebung«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 253.
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