Gardĭner [2]

[333] Gardĭner, 1) Stephan, Bischof von Winchester und Kanzler von England, geb. zwischen 1483 und 1490 zu St. Edmundsbury in der Grafschaft Suffolk gest. 12. Nov. 1555, studierte zu Cambridge, ward Sekretär des Kardinals Wolsey und, nachdem er 1528 im Auftrag König Heinrichs VIII. dessen Scheidung von seiner Gemahlin Katharina von Aragonien in Rom betrieben hatte, Archidiakonus von Norfolk. Nach Wolseys Sturz stieg G., zum Staatssekretär ernannt, in der Gunst des Königs und hatte an dessen spätern kirchenpolitischen Schritten namhaften Anteil, wie er auch wiederholt als Botschafter in Frankreich fungierte. 1531 wurde er zum Archidiakon von Leicester und noch im selben Jahr zum Bischof von Winchester erhoben. Trotz seiner gegen den Papst gerichteten Schrift »De vera obedientia« (1534, Frankf. 1621) gehörte G. im Rate des Königs der konservativen Partei an, widersetzte sich den reformatorischen Bestrebungen Cranmers und wirkte für den Erlaß der gegen die englischen Protestanten gerichteten sechs Artikel. Er trug zu dem Sturz Cromwells bei, intrigierte auch gegen Cranmer, scheint aber kurz vor Heinrichs Tod in Ungnade gefallen zu sein. Unter Eduard VI. widersetzte er sich der Durchführung der Reformation und ward deshalb im Tower gefangen gehalten und seines Bistums entsetzt. Nach dem Regierungsantritt der Königin Maria wurde er freigelassen, erhielt seinen Bischofssitz zurück und wurde als Lord-Kanzler an die Spitze der Regierung berufen. Er war einer der einflußreichsten Berater der Königin und trug hauptsächlich Schuld an den gegen die Prinzessin Elisabeth ergriffenen Maßregeln.

2) (spr. gārd'ner) Samuel Rawson, engl. Historiker, geb. 4. März 1829 zu Ropley in Hampshire, gest. 23. Febr. 1902, studierte in London und Oxford, erlangte auch den Grad eines Dr. jur. in Edinburg und eines Dr. phil. in Göttingen und war bis 1885 Professor der neuern Geschichte am King's College in London. 1882 wurde ihm für seine wissenschaftliche Tätigkeit eine Pension aus der Zivilliste bewilligt. Die Hauptarbeit seines Lebens galt der Geschichte Englands im 17. Jahrh., und seine drei Werke darüber: »History of England from the accession of James I. to the outbreak of the great civil war 1603–1642« (1863–82, 10 Bde.), »History of the great civil war 1642–1649« (1886–91, 3 Bde.; neue Ausg. 1893, 4 Bde.) und »History of the Commonwealth and of the Protectorate 1649–1660« (1884–1901, 3 Bde., unvollendet und nur bis 1656 reichend), zeichnen sich ebensowohl durch Gründlichkeit der Studien und Schärfe der Kritik wie durch die Objektivität der Auffassung und die Klarheit der Darstellung aus. Sie sind vielleicht die bedeutendste Leistung der englischen Historiographie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Außerdem schrieb er: »The Thirty years' War« (1874), »The first two Stuarts and the Puritan revolution« (1876), »Introduction to the study of English history« (mit Mullinger, 1881), »The constitutional documents of the Puritan revolution, 1828–1860« (1890), »The Student's History of England« (1890–93, 3 Bde.; Ausg. in 1 Bd. 1892), »Oliver Cromwell« (1899) u. a. Von 1891–1901 redigierte er die »English Historical Review«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 333.
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