Ghibérti

[819] Ghibérti, Lorenzo, ital. Goldschmied, Erzgießer und Bildhauer, geb. 1378 in Florenz, gest. daselbst 1. Dez. 1455, Sohn des Cione di Ser Buonaccorso, lernte die Goldschmiedekunst bei seinem Stiefvater, Bartolo G., einem tüchtigen Künstler, und daneben die Malerei, als er 1400, vor der Pest fliehend, nach Rimini ging, wo er für Pandolfo Malatesta Freskogemälde auszuführen begann. 1401 eilte er auf die Nachricht hin, daß eine Aufforderung an die ersten italienischen Bildhauer ergangen sei, sich durch eine Probearbeit um den Auftrag zu der nördlichen Bronzetür am Baptisterium in Florenz zu bewerben, nach seiner Vaterstadt zurück. G. trug den Sieg über fünf Mitbewerber (darunter Quercia und Brunellesco) durch sein Relief, das Opfer Isaaks (Museo nazionale in Florenz), davon und erhielt den Auftrag. Erst 1424 war die Arbeit beendigt. Die 20 Hauptfelder enthalten Darstellungen aus dem Neuen Testament; unten sind die vier Evangelisten, weiter oben die vier Kirchenlehrer angebracht, und Friese und Simse zeigen einen reichen Schmuck von Ornamenten und Köpfen. Nebenbei schuf G. 1414 für Nischen an der Kirche Or San Michele die Bronzestatue Johannes des Täufers, 1419–22 die des Matthäus und des Stephanus. Aus jener Zeit rühren auch die Bronzereliefs für das Taufbecken von San Giovanni in Siena mit der Taufe Christi und Johannes vor Herodes (1427) und die Grabmäler des L. Dati in Santa Maria Novella und des L. degli Albizzi in Santa Croce zu Florenz her. 1426 wurde er Brunellesco als zweiter Dombaumeister beigegeben. Bald nach Beendigung der ersten Bronzetür erhielt er den Auftrag zu einer zweiten, an der er und zuletzt sein Sohn Vittorio bis 1452 arbeiteten (s. Tafel »Bildhauerkunst VII«, Fig. 8). Dies herrliche Werk, von dem Michelangelo sagte, es sei würdig, die Pforte des Paradieses zu schmücken, enthält in zehn Feldern Szenen aus dem Alten Testament und in ihren Einrahmungen zahlreiche Figuren und Köpfe, darunter die Ghibertis und seines Sohnes, nebst einer trefflichen, den Stil der italienischen Frührenaissance vorbereitenden Ornamentik. Als Bronzegießer führte G. ferner den Reliquienkasten des heil. Hyazinth (1428, Museo nazionale, Florenz), den mit Reliefs verzierten Sarkophag des heil. Zenobius im Dom zu Florenz (1440) und 1445 zwei kleine Glocken für die Sakristei aus. Er zeichnete auch Entwürfe zu Glasfenstern, die im Dom zu Florenz und im Dom zu Arezzo ausgeführt worden sind. Während die frühern Werke des Künstlers noch wesentlich, zumal im Faltenwurf, das Gepräge des strengen, von den Pisani beeinflußten Stils tragen, zeigen die spätern, die Reliefs der zweiten Tür, den Einfluß der Antike und der G. gleichzeitigen Florentiner Realisten, besonders Donatellos. Eleganz der Umrisse und der Komposition, hohe Schönheit und Anmut der Gestalten und eine vielseitige ornamentale Begabung zeichnen seine reifsten Schöpfungen aus. Doch ging G. in seinem Streben, das Relief von der bloß andeutenden Darstellungsweise, die er noch in seiner ersten Tür einhielt, zu befreien, über die Grenzen des plastischen Stils zu vollkommen malerischer Behandlung und Wirkung hinaus. Die Reliefs seiner zweiten Tür sind daher mehr plastische Gemälde, die auf die Folgezeit verführerisch eingewirkt und zu manchen Ausschreitungen, namentlich in der Barockzeit, verleitet haben. G. war auch schriftstellerisch tätig; Manuskripte von ihm befinden sich in der Biblioteca Magliabechiana zu Florenz; interessant darunter sind namentlich seine Mitteilungen über Florentiner Künstler und sich selbst (abgedruckt in der Vasari-Ausgabe von Le Monnier). Hagens »Künstlergeschichten, oder die Chronik seiner Vaterstadt vom Florentiner Lorenz G.« (Leipz. 1833, 2 Bde.) sind nicht von G. selbst geschrieben, sondern ein Roman, worin die bei Vasari zerstreuten Notizen zu einem Ganzen verbunden sind. – Sein Sohn, der erwähnte Vittorio, geb. 1418, wurde 1447 »Konsul der niedern Zünfte«, zeichnete 1454 das Muster für einen Teppich der Rednerbühne vor dem Palast der Signori, goß 1478 für den Dom einen bronzenen Reliquienkasten und starb 1496. Vgl. Perkins, G. et son école (2. Aufl., Par. 1893); Rosenberg in Dohmes »Kunst und Künstler« (Bd. 1, Leipz. 1878).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 819.
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