Gutenberg [2]

[542] Gutenberg, Johann Gensfleisch zum G., der Erfinder der Buchdruckerkunst, geboren innerhalb der Jahre 1394–97 in Mainz, gest. daselbst 1468. Er stammte aus dem Patriziergeschlecht der Gänsefleisch und führte den Namen G. von dem gleichnamigen Hof, in dessen Besitz die Familie durch die Eheschließung seines Urgroßvaters Petermann zum Gänsefleisch (1132–1370) gekommen war. Von seiner Jugend ist nichts bekannt, bereits vor 1430 verließ er Mainz, 1434 ist er in Straßburg. Vielleicht ist er hier verheiratet gewesen mit Ennel von der Iserin Thüre; war dieses der Fall, so hat er sich noch vor seinem Fortgang von Straßburg 1437 von ihr scheiden lassen. Er verband sich in Straßburg mit mehreren Genossen zur Ausbeutung gewisser Kenntnisse und Fähigkeiten, die er besaß, wozu sie z. T. erhebliche Summen einzahlen mußten. Er lehrte sie die Kunst des Schleifens von Edelsteinen und des Spiegelmachens. Das fortwährende Drängen seiner Genossen, noch in weitere Geheimnisse eingeweiht zu werden, die Tatsache, daß ihnen dies unter neuen Einzahlungen gelang, sowie die weitere Tatsache, daß hierbei eine Presse zur Verwendung kam, lassen uns vermuten, daß G. tatsächlich schon hier die ersten Versuche in seiner großen Entdeckung gemacht hat. Im J. 1444 verließ G. Straßburg, 1448 ist er urkundlich wieder in Mainz erwähnt. Sicherlich hatte er bei dem Betreten seiner Vaterstadt seine Idee, Bücher zu drucken, schon fertig ausgebildet (s. Buchdruckerkunst, S. 530 f.). Sein großes Verdienst bestand darin, eine mechanische Vervielfältigung zum Drucken verwendbarer beweglicher Buchstaben erfunden zu haben. So sicher nun sein Ruhm als Erfinder der Buchdruckerkunst steht, so verschieden sind die Meinungen über die Erstlinge seiner Druckertätigkeit, und dieses ganz besonders infolge der durch die Feier der 5009en Wiederkehr seines Geburtstages im J. 1900 kräftig angeregten Forschung, so daß eine Darstellung dieser seiner Tätigkeit bei dem jetzigen Stande der Wissenschaft nur mit Vorsicht gegeben werden kann. Daß er schon 1444 zu Straßburg einen »Cisianus« gedruckt habe, ist ausgeschlossen. Dagegen scheint ein neuerdings aufgefundener Kalender tatsächlich für das Jahr 1448, also bereits 1447, von ihm gedruckt worden zu sein. Vor dieses sicher datierbare Erzeugnis fällt ein 27zeiliger Donat, von dem Bruchstücke sich auf der Bibliotheque Nationale in Paris befinden; und der Druck eines deutschen Gedichtes vom Jüngsten Gericht, von dem ein Bruchstück erst 1904 weitern Kreisen bekannt geworden ist (jetzt im Gutenberg-Museum zu Mainz), ist den Typen nach sogar noch vor den genannten Donatdruck zu setzen. Alle diese Drucke sind mit großer Sicherheit in Mainz hergestellt, wodurch sich die bisherige Lücke im Leben Gutenbergs im wesentlichen schließt. Als erstes großes Ziel setzte er sich den Druck der Bibel. Hatte er aber schon bald nach Beginn seines jetzigen Mainzer Aufenthalts von seinem Verwandten Arnold Gelthuß Geld geliehen, so bedurfte er zur Herstellung des großen Bibeldruckes besonders reicher Mittel und verband sich daher mit dem Mainzer Bürger Johann Fust, der beträchtliche [542] Summen in das Unternehmen hineinsteckte. Der Druck, zu dem G. sich ein neues Alphabet geschaffen hatte, das man das der 42zeiligen Bibel nennt, war in den Jahren 1453–54 vollendet. Dem Bibeldruck folgte der Druck eines liturgischen Psalteriums, von dem ein Bruchstück sich auf der Bibliotheque Nationale in Paris befindet, und dann setzten die Vorarbeiten zu feuer Glanzleistung der Typographie, dem Psalterium des Jahres 1457, ein, dessen Fertigstellung allerdings Gutenbergs Händen entrissen wurde. Denn inzwischen hatten sich G. und Fust entzweit, es kam zur Klage von seiten Fusts auf Herausgabe des eingeschossenen Geldes und damit zum völligen Bruch. Peter Schöffer, den G. von der Tätigkeit als Kalligraph in Paris nach Mainz berufen hatte, und der mit ihm und Fust zusammen arbeitete, war auf die Seite des letztern, seines spätern Schwiegervaters, getreten, und diese zwei führten nunmehr die Druckerei selbständig fort. Zwar erhielt G. neue Geldeinschüsse von dem Mainzer Doktor Konrad Humery, aber es ist völlig unsicher, ob und was etwa G. damit noch geleistet hat. Den Druck der 36zeiligen Bibel und der mit der gleichen Type gedruckten kleinern Schriften der 50er Jahre, spricht ihm die neueste Forschung ab; er hatte diese Type, mit der er noch jenen Kalender für das Jahr 1448 gedruckt hatte, frühzeitig verkauft, wohl weil sie seinem Schönheitssinne nicht genügte; später ist sie im Besitz Albrecht Pfisters (s. d.). Auch gegen die Ansicht, daß G. der Drucker des durch seine rührende Schlußschrift berühmten Catholicon vom Jahre 1460 sei, sprechen gewichtige Gründe. Gutenbergs Idealismus und der Wunsch, sein Werk zur möglichst großen Vollkommenheit zu bringen, der hervorragende Schönheitssinn, der ihn ununterbrochen hierauf hinarbeiten ließ, haben ihn nie zur Anhäufung irdischer Schätze geführt. Nach der Zerstörung von Mainz ernannte ihn Graf Adolf von Nassau, der Nachfolger Diethers von Isenburg auf dem erzbischöflichen Stuhle von Mainz, 1465 zu seinem Diener. Vgl. Sotzmann, G. und seine Mitbewerber (in Raumers »Historischem Taschenbuch«, 1841); Ruland, Gutenbergalbum (Mainz 1868); v. d. Linde, Gutenberg. Geschichte und Erdichtung (Stuttg. 1878); Dziatzko, Beiträge zur Gutenbergfrage (Berl. 1889), Gutenbergs früheste Druckerpraxis (das. 1890) und Was wissen wir von dem Leben und der Person J. Gutenbergs (das. 1895); Börckel, G., sein Leben, sein Werk, sein Ruhm (Gießen 1897); »Festschrift zum 500jährigen Geburtstag von Johann G.« (hrsg. von O. Hartwig, Mainz 1900); Schwenke, Untersuchungen zur Geschichte des ersten Buchdrucks (Berl. 1900); Delisle, A la mémoire de Jean G. (Par. 1900); Wyß, Ein deutscher Cisianus für das Jahr 1444, gedruckt von G. (Straßb. 1900) und War G. verheiratet? (in der »Zeitschrift für Bücherfreunde« 1900/01); Zedler, Gutenbergforschungen (Leipz. 1901). Veröffentlichungen der Gutenberg-Gesellschaft. Mainz. 1: Zedler, Die älteste Gutenbergtype. 1902. 2: Schwenke, Die Donat- und Kalendertype. 1903. 3 (in Vorbereitung): 1904. Weiteres s. Buchdruckerkunst.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 542-543.
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