[325] Hildebrandslied, Bruchstück eines im 8. Jahrh. verfaßten Heldengedichts von Hildebrand und Hadubrant, in alliterierenden Versen (Stabreimen), das älteste auf uns gekommene Denkmal der deutschen Heldensage. Hildebrand, der 30 Jahre außer Landes war, und sein Sohn Hadubrant begegnen sich und fordern, sich nicht kennend, einander zum Kampf heraus. Während sie sich dazu rüsten, fragt Hildebrand den Gegner, wer sein Vater sei. Dieser erzählt, daß Hildebrand mit Dietrich und dessen Mannen, Otachers (Odoakers) Haß weichend, in die Fremde gegangen sei und seine Frau mit einem unerwachsenen Kind zurückgelassen habe. Hildebrand erklärt, daß er ihm verwandt sei, und bietet ihm jetzt schöne Ringe an, die er vom Hunnenfürsten erhalten. Hadubrant aber, der gehört, daß sein Vater tot sei, fürchtet List und besteht auf dem Kampf. Schweren Herzens schreitet Hildebrand zum Streit mit dem Sohn. In der Beschreibung des Kampfes bricht das Gedicht ab; wahrscheinlich hat es tragisch, mit dem Untergang des Sohnes, geendet. Die Schilderung ist von außerordentlicher Knappheit, aber urwüchsig kraftvoll. Die jetzt in der Landesbibliothek zu Kassel befindliche Handschrift ist um 800 im Kloster Fulda auf die erste und letzte weiß gelassene Seite eines geistlichen Buches niedergeschrieben worden. Die Niederschrift zeigt eine merkwürdige Mischung niederdeutscher und hochdeutscher Formen, die darauf zurückzuführen sein wird, daß das Gedicht in der Nähe der niederdeutschen Sprachgrenze, etwa im nördlichen Hessen oder Thüringen, entstanden war und bei seiner Auszeichnung auch noch den Einfluß der von seiner Mundart abweichenden fuldaischen Schreibweise erfuhr. Von Eccard 1729 in den »Commentarii de rebus Franciae orientalis« zuerst bekannt gemacht, ward es für ein Bruchstück eines niederdeutschen Prosaromans gehalten, bis die Brüder Grimm in der Schrift: »Die beiden ältesten deutschen Gedichte aus dem 8. Jahrhundert« (Kassel 1812) nachwiesen, daß es in alliterierenden Versen abgefaßt sei. Die Herausgabe eines Faksimiles besorgten W. Grimm (»De Hildebrando, antiquissimi carminis teutonici fragmentum«, Götting. 1830), E. Sievers (Halle 1872) und Enneccerus, »Die ältesten deutschen Sprachdenkmäler in Lichtdrucken« (Frankf. a. M. 1897). Lachmann (»Über das H.«, Berl. 1833) gab einen kritischen Text mit ausführlichem Kommentar. Spätere Ausgaben sind die von Feußner (»Die ältesten alliterierenden Dichtungsreste in hochdeutscher Sprache«, Hanau 1845), Vollmer und Hofmann (Leipz. 1850), Grein (2. Aufl., Kassel 1880), Müllenhoff und Scherer (»Denkmäler deutscher Poesie und Prosa«, 3. Ausg., Berl. 1897) und, mit vollständigen Literaturnachweisen, von Braune im »Althochdeutschen Lesebuch« (5. Aufl., Halle 1902). Die spätere Volksdichtung gestaltete den tragischen Kampf Hildebrands mit seinem Sohn zu einer Waffenprobe mit heiterm Ausgang um. Den Inhalt eines derartigen deutschen Liedes aus dem 13. Jahrh. hat die altnordische Thidrekssage wiedergegeben; eine Fassung des 14. Jahrh. in vierzeiligen Reimstrophen verbreitete sich über ganz Deutschland, die Niederlande und Dänemark und ist durch zahlreiche Handschriften und bis ins 17. Jahrh. hinabreichende Drucke auf uns gekommen. Dies jüngere H. findet sich unter anderm in Uhlands »Deutschen Volksliedern«, Bd. 1, Nr. 132, in Erk-Böhmes »Deutschem Liederhort«, Bd. 1, Nr. 22, kritisch herausgegeben von Steinmeyer im 2. Band von Müllenhoff und Scherers »Denkmälern« (3. Ausg.). Von dem jüngern H. hat der Hildebrandston seinen Namen, eine Abart der Nibelungenstrophe, die durch Kürzung der letzten Zeile entstanden ist, und deren sich auch neuere Dichter, z. B Uhland, bedient haben.