Knappschaft

[166] Knappschaft (Bergknappschaft), die Gesamtheit der in einem Bergwerk oder in einem Revier beschäftigten Bergleute. Sie bildete früher eine privilegierte Korporation unter gewählten Ältesten (Knappschaftsältesten) und Vorstehern, war befreit vom Soldatendienst, von persönlichen Steuern, genoß einen gefreiten Gerichtsstand etc. Diese Vorrechte sind ebenso wie die ihnen entsprechenden Beschränkungen der K. heute beseitigt; dagegen haben sich die überlieferten Gebräuche der K., die Abzeichen (Schlägel und Eisen), der Bergmannsgruß (Glück auf!), die eigentümliche Tracht bei festlichen Aufzügen etc. noch erhalten. Zur gegenseitigen Unterstützung, insbes. gegen die Gefahren des Berufs, wurden bereits seit alter Zeit eigne Knappschaftskassen (Bruderladen, so besonders in Österreich genannt, Gnadengroschenkassen) gebildet, deren bereits die Kuttenberger Bergordnung von 1300 gedenkt. Ursprünglich war ihre Bildung der freien Vereinigung der Beteiligten (Knappschaftsvereine) überlassen. Die neuere Gesetzgebung (Preußen seit 1854, Österreich 1854, bez. 1892) hat jedoch die Bildung solcher Kassen allgemein (in Sachsen nur für Erzbergbau) vorgeschrieben. Alle Arbeiter müssen beitreten. Neben ihnen sind auch die Werksbesitzer an den Kosten und der Verwaltung beteiligt. Diese haben wenigstens die Hälfte der von den Arbeitern gezahlten Beiträge zuzuschießen. Die Verwaltung erfolgt durch einen von den Werksbesitzern und Arbeitern je zur Hälfte gewählten Vorstand unter der Aussicht der Bergbehörde. Das allgemeine preußische Berggesetz vom 24. Juni 1865 steht zwar im wesentlichen auf dem Boden des Gesetzes von 1854, hat aber in der Verwaltung der Kassen den Vorständen größere Selbständigkeit verliehen und die Aussicht der Bergbehörden beschränkt. Die Kassen, welche bestimmte Bezirke zu umfassen haben, gewähren nach dem erwähnten Gesetz für vollberechtigte Mitglieder in Krankheitsfällen freie Kur und Verpflegung, Krankenlohn, Beitrag zu den Begräbniskosten, Invaliden-sowie Witwen- und Waisenpension. Die Höhe der Pension wächst mit der Dauer der Mitgliedschaft, die der Unterstützungen und Beiträge wird durch Statut festgestellt. Die minder berechtigten Mitglieder haben auf Pension keinen Anspruch. Die Reichsgesetzgebung über die Arbeiterversicherung hat auf die Organisation der Knappschaftsvereine nicht unerheblich eingewirkt. Diese sind nunmehr mit der Durchführung der reichsgesetzlichen Krankenversicherung betraut. Sie mußten im Zusammenhang damit die statutenmäßigen Leistungen in Krankheitsfällen auf den Betrag der für die Betriebs(Fabrik-)krankenkassen vorgeschriebenen Mindestleistungen erhöhen. Auf bezüglichen Antrag der Vereinsvorstände können die dem Verein angehörenden Betriebsunternehmer auch zu Knappschaftsberufsgenossenschaften vereinigt werden. Für das ganze [166] Deutsche Reich ist zur Entschädigung aller Betriebsunfälle eine Knappschafts-Berufsgenossenschaft (s. d.) gebildet worden. Die Knappschaftsmitglieder genügen, sofern die Knappschaftskasse gewissen gesetzlich festgestellten Voraussetzungen entspricht, auch ihrer Alters- und Invaliditätsversicherungspflicht durch Beteiligung an dieser Kasse. Die Bedeutung der Knappschaften ergibt sich aus folgenden Angaben: 1901 bestanden in Preußen 73 Knappschaftsvereine mit 636,722 Mitgliedern. Das Vermögen dieser Kassen betrug 103,990,774 Mk. Die Gesamteinnahmen betrugen 1901: 54,3 Mill. Mk., darunter 27,1 laufende Beiträge der Mitglieder, 22,3 der Werkseigentümer. An Unterstützungen (ohne Unfallrente) wurden 23,126,056 Mk. gezahlt, und zwar:

Tabelle

Nach der Novelle zum allgemeinen preußischen Berggesetz vom 24. Juni 1892 sind alle Strafgelder und Lohnabzüge der Arbeiter der Knappschafts- oder einer Arbeiterunterstützungskasse zuzuweisen; ferner ist bestimmt, daß als ständige Arbeiterausschüsse im Sinne des Gesetzes neben andern die Knappschaftsältesten von solchen Knappschaftsvereinen gelten, die nur die Betriebe eines Bergwerksbesitzers umfassen, sofern sie aus der Mitte der Arbeiter gewählt sind und als ständige Arbeiterausschüsse bestellt werden. Die Zahl der Knappschaftskassen im Deutschen Reich betrug 1902: 168 mit 671,094 Mitgliedern (davon 611,767 in Preußen, 32,632 in Sachsen, 10,158 in Bayern), deren Einnahmen 20,6, deren Ausgaben 19,4 (darunter 18,2 für Krankheitskosten) und deren Vermögen 26 Mill. Mk. betrug. In Österreich gab es 1902 bei den Bruderladen (mit Ausschluß der Bruderladen bei den Erdöl- und Erdwachs-Bergbauen): 218 Provisionskassen und 175 Krankenkassen. Die Provisionskassen zählten 162,355 vollberechtigte, 6605 minderberechtigte Mitglieder und 311,731 anspruchsberechtigte Frauen und Kinder; die Einnahmen betrugen an Beiträgen 4,173,510 Kronen von den vollberechtigten, 36,120 Kr. von den minderberechtigten Mitgliedern, 4,505,203 Kr. von den Werksbesitzern, die Ausgaben beliefen sich auf 6,500,465 Kr. (Provisionen an Mitglieder, Witwen und Waisen), das Vermögen betrug 89,689,169 Kr. Die Einnahmen der Krankenkassen, die 488,027 Mitglieder, bez. Angehörige zählten, waren: 1,886,173 Kr. als Beiträge der Mitglieder für sich, 524,453 Kr. für ihre Angehörigen, 2,112,543 Kr. von den Werksbesitzern; die Ausgaben betrugen 4,329,873 Kr., das Vermögen belief sich auf 3,974,621 Kr. Es bestanden weiter bei den Erdöl- und Erdwachsbergbauen 8 Bruderladen mit 3032 Mitgliedern. Die Salinenbruderladen haben infolge der auf Grund des Gesetzes vom 17. Sept. 1892 erfolgten Ausscheidung der Bediensteten der Staatssalinen von der Wirksamkeit des Bruderladengesetzes mit 1. Juli 1893 aufgehört, als Bruderladen im Sinne des Berggesetzes zu funktionieren. Vgl. Caron, Die Reform des Knappschaftswesens (Berl. 1882); Kratz, Artikel »Knappschaftsvereine« in Stengels »Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts«; Emminghaus im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«; für Österreich: R. Knapp, Das Bruderladegesetz vom 28. Juli 1889 (Wien 1892); A. Menzel, Die Arbeiterversicherung nach österreichischem Recht (Leipz. 1893); Haberer, Artikel »Bruderladen« in Mischlers »Österreichischem Staatswörterbuch« (Wien 1894 ff.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 166-167.
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