[660] Kriegervereine, Vereine ehemaliger Angehöriger der Armee, bez. Marine. Das jetzige Kriegervereinswesen ist aus Vereinen hervorgegangen, die um das Jahr 1839 im Regierungsbezirk Liegnitz von ehemaligen Soldaten behufs gemeinsamer Feier von Festen zur Erinnerung an ihre Dienstzeit im Heer und zur Pflege patriotischer Gesinnung gebildet wurden. Auf ihren Wunsch wurde diesen Vereinen durch Kabinettsorder vom 22. Febr. 1842 die Beerdigung verstorbener Kameraden mit militärischer Trauerparade auf Grund eines Vereinsreglements sowie die Wahl eines Hauptmanns als Anführer gestattet. Im Laufe der Jahre wurde ihnen auch das Tragen einer bestimmt vorgeschriebenen Uniform sowie das Tragen von Waffen bei Begräbnissen und Vereinsfesten bewilligt. Die Kriege von 1864, 1866 und 1870/71 steigerten das Interesse für diese Vereine. Mit der Gründung des Deutschen Kriegerbundes auf dem Kriegertag zu Weißenfels wurde 1872 der erste Anlauf zur Einigung gemacht. Er umfaßte die Mehrzahl der preußischen Vereine, vieler Staaten, die seinerzeit mit Preußen eine Militärkonvention eingegangen, und von Elsaß-Lothringen. 1884 einigten sich eine Anzahl preußischer Provinzial- und Gauverbände, ferner die Vereine von Oldenburg, Braunschweig, Schwarzburg-Sondershausen, Hamburg und Bremen mit dem vorgenannten zum Deutschen Reichskriegerverband. Die Einweihung des vom Deutschen Kriegerbund errichteten Kyffhäuserdenkmals (s. Kyffhäuser) 18. Juni 1896 ist auf die weitere Vereinsorganisation[660] von großem Einfluß gewesen. Aus dem ständigen Ausschuß aus sämtlichen deutschen Kriegerverbänden für die Verwaltung des Denkmals entwickelte sich 1898 der Kyffhäuserbund der deutschen Landeskriegerverbände. Am 1. Jan. 1899 trat endlich der preußische Landeskriegerverband ins Leben. Analog den Vertretungen der einzelnen Staaten im deutschen Bundesrat hat jeder Landesverband gleichberechtigt seine Vertreter, bez. seine Stimmen. Der jeweilige Vorsitzende des preußischen Landeskriegerverbandes steht an der Spitze des Bundes. Das Prinzip der Landesverbände ist somit durchgeführt worden. Folgende 26 Verbände gehören zum Bunde (1903):
Die Wirksamkeit der Verbände wächst stetig. Für die Kameraden ist durch Unterstützungskassen, durch Witwengelder, Erbauung von vier Waisenhäusern: Glücksburg in Römhild (Meiningen), Renthe Fink-Haus in Osnabrück, in Kanth (Westfalen) und Wittlich (Mosel), deren Unterhalt fast ausschließlich die Kriegerfechtanstalt aufbringt, gesorgt. Arbeiternachweisestellen, besonders die »Sachsenstiftung« (Protektor König von Sachsen), verschaffen den entlassenen Reservisten Beschäftigung. In Verbindung mit dem Zentralkomitee des Roten Kreuzes schreitet die Formierung von Sanitätskolonnen fort. Die Vereinigungen von frühern Angehörigen der einzelnen Waffengattungen, Armeekorps, Regimentern ist eine weitere Ausgestaltung der K. Der hohe Wert der K. beruht in der von ihnen hochgehaltenen Pflege patriotischer Gesinnung und ihren dementsprechenden Einfluß auf das innerpolitische Leben und die Erziehung der heranwachsenden Generation gegenüber den zersetzenden Einflüssen der antimonarchischen Tendenzen. Die bemerkenswertesten Vereinszeitschriften sind: »Der Kamerad« (seit 1863 in Pirna, später Dresden); die »Parole« (seit 1892 in Berlin); »Bayrische Kriegerzeitung« (München); »Württembergische Kriegerzeitung« (Stuttgart); »Badische Militär- und Vereinszeitung« (Karlsruhe); »Hessische Kriegskameradschaft Hassia« (Darmstadt) u. a. Vgl. Selle, Die Krieger- und Landwehrvereine in Preußen (Hagen 1882); Benedix, Preußens K. einst und jetzt (Berl. 1893); Westphal, Das deutsche Kriegervereinswesen, seine Ziele und seine Bedeutung für den Staat (das. 1903).
Auch Österreich-Ungarn hat ein ausgebreitetes Kriegervereinswesen mit gleicher Tendenz wie in Deutschland. In gleicher Veranlassung wie hier wurde von Joseph Müller zu Reichenberg in Böhmen bereits 1821 ein Militär-Veteranenverein gegründet. Erst nach dem Kriege 1866 fand das Kriegervereinswesen weitere Ausbreitung, doch bildeten sich hier zunächst keine größern Verbände, sondern nur in den einzelnen Städten lokale Militär-Veteranenvereine, von denen 1905 bereits 2006 mit etwa 180,000 Mitgliedern bestanden, darunter der Militärveteranen-Reichsbund mit ca. 80,000 Mitgliedern. Vereinszeitschriften: »Militär-Kameradschaftsblatt« (Wien), »Militärveteranenkorpsblatt« (das.) etc. In Italien bestehen ähnliche Vereine der zahlreichen Veteranen der verschiedenen italienischen Armeen vor 1866, der Garibaldianer etc., ohne jedoch in größere Verbände zusammengefaßt zu sein. In Spanien ist die hervorragendste Kriegervereinigung, die »Nationalen Veteranen«, zur Erinnerung an den Unabhängigkeitskrieg und an die französische Invasion 180814 begründet worden. Sie besteht aus Nachkommen dieser Freiheitskämpfer, mögen diese gedient haben oder nicht. Einige Waffengattungen haben Gesellschaften »Societates mutuos«, gegenseitige Unterstützungen zur Versorgung von Witwen und Waisen aktiver und ehemaliger Soldaten aller Chargen gegründet. Auch die Kriegsverwaltung gewährt denselben große materielle Unterstützung und hat für die Hinterbliebenen derer, die vor dem Feinde starben, das »Waisenhaus des Krieges« gegründet. Größere Verbände existieren nicht. In Nordamerika ist das Militärvereinswesen sehr entwickelt. Die Hauptvereinigungen deutscher Krieger bestehen in New York und Chicago.