Landfriede

[104] Landfriede (Constitutio pacis, Pax instituta, jurata), eine Institution zur Beseitigung der Fehden und Sicherung des öffentlichen Friedens im deutschen Mittelalter. Auch der öffentliche Friede selbst wurde L. (Pax publica) genannt, in dem die Staatsidee seit der Entwickelung der Monarchie im fränkischen Reich zuerst in der Gestalt eines Königsfriedens, d.h. in der Form eines vom König über den ganzen Staat ausgehenden Rechtsschutzes, hervortrat. Einschränkungen des Fehdewesens wurden zuerst durch das Institut des Gottesfriedens (s. d. und Fehde) versucht. Dann griffen auch die Könige zu dem Mittel, das Fehdewesen gewissen Beschränkungen zu unterwerfen, indem insbes. die förmliche Ankündigung der Fehde vorgeschrieben wurde. (Näheres s. Fehde.) Der älteste solche Reichslandfriede ist der Mainzer L. Heinrichs IV. von 1103, der auf 4 Jahre beschworen wurde. Unter den spätern sind die wichtigsten der des Kaisers Friedrich I. zu Nürnberg von 1187 und derjenige Friedrichs II., errichtet zu Mainz 1235, der den Landfrieden der folgenden Kaiser bis auf Maximilian hauptsächlich zum Vorbilde diente. Da jedoch die Reichsgewalt diesen Gesetzen keinen Nachdruck zu verleihen vermochte, mußten die Territorialgewalten, und insbes. die Städte, dem Übel zu steuern suchen. So entstanden in Böhmen, Bayern, Meißen, Thüringen landesherrliche Friedensordnungen, und auch die kleinern Fürsten und Städte schlossen sich zu Friedensvereinigungen zusammen. Diese Vereinigungen arteten jedoch gegen Ende des 14. Jahrh. aus, indem sich die Verbündeten nicht nur zum gegenseitigen Schutz, sondern auch zu angriffsweisem Vorgehen beistanden. Erst Maximilian 1. proklamierte in Worms 7. Aug. 1495 durch eine Einigung aller Reichsstände Ewigen Landfrieden, der jede Fehde für immer verbot; das Reichskammergericht wurde eingesetzt, das Reich in Landfriedenskreise eingeteilt, an deren Spitze ein Kreishauptmann stand, zur Beschaffung der Geldmittel für das Gericht und die bewaffnete Exekution seiner Urteile der Gemeine Pfennig (s. d.) eingeführt. Diese Reformen gerieten allerdings bald wieder in Verfall, und der L. mußte in den Reichstagsabschieden immer von neuem geboten werden. Während die ältern Landfrieden eine Menge andrer Verbrechen und Vergehen verboten und mit Verfolgung bedrohten, dagegen unter Beobachtung gewisser beschränkender Formen eine Fehde erlaubten, erklärte der L. von 1495 jede eigenmächtige Anwendung von Waffengewalt, auch eine früher erlaubte Fehde, für Landfriedensbruch und belegte sie mit einer Strafe von 2000 Mark lötigen Goldes; die andern Verbrechen und Vergehen blieben der Kriminalgerichtsordnung vorbehalten. Der L. von 1548 erklärte auch jede »Konspiration oder Bündnuß wider den andern« für einen Landfriedensbruch, doch hat man dies später wieder fallen lassen. Einer der letzten energisch unterdrückten Landfriedensbrüche, gewöhnlich der letzte Bruch des Landfriedens genannt, sind die Grumbachschen Händel (s. Grumbach). Vgl. »Monumenta Germaniae historica; Legum tom. II« (Hannov. 1890–93); Böhlau, Novae constitutiones domini Alberti, d.i. der L. vom Jahr 1235 (Weim. 1858); Busson, Zur Geschichte des großen Landfriedensbundes deutscher Städte (Innsbr. 1874); U. Eggert, Studien zur Geschichte der Landfrieden (Götting. 1876); Göcke, Die Anfänge der Landfriedensaufrichtungen (Düsseld. 1875); Nitzsch, Heinrichs IV. und der Gottes- und Landfriede (in den »Forschungen zur deutschen Geschichte«, Bd. 21); Herzberg-Fränkel, Die ältesten Land- und Gottesfrieden[104] (ebenda, Bd. 22); Schwalm, Der L. in Deutschland unter Ludwig dem Bayern (Götting. 1889); E. Fischer, Die Landfriedensverfassung unter Karl IV. (das. 1883); M. Weigel, Die Landfriedensverhandlungen unter König Siegmund (Halle 1884); Wyneken, Die Landfrieden in Deutschland von Rudolf von Habsburg bis Heinrich VII. (Naumb. 1887); K. Lehmann, Der Königsfriede der Nordgermanen (Bresl. 1886); F. Rück, Die Landfriedensbestrebungen Friedrichs I. (Marb. 1887); Huberti, Gottesfrieden u. Landfrieden (Ausb. 1892, nur 1. Teil).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 104-105.
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