Langobardisches Recht

[178] Langobardisches Recht. Die älteste Satzung und Auszeichnung langobardischen Rechts ist das Edikt König Rotharis (Edictus Langobardorum), entstanden 643, im Vulgärlatein geschrieben. Dasselbe ist die hervorragendste legislative Schöpfung aus der Zeit der Volksrechte, bewahrt dem römischen Recht gegenüber eine weitgehende Selbständigkeit und bildet mit den Rechten der Altsachsen und Angelsachsen eine engere Gruppe innerhalb des Kreises der deutschen Volksrechte. Die von den Nachfolgern Rotharis (Grimoald, Liutprand, Ratchis und Aistulf) erlassenen Gesetze sind Nachträge zum Edikt Rotharis. Die dem Edikt einverleibten Gesetze sind auf den langobardischen Reichstagen mit Beirat der Beamten und unter Zustimmung des Volkes beschlossen worden. Auch nach der fränkischen Eroberung blieb der Edictus Langobardorum im Langobardenreich in Geltung; als neuer Rechtsstoff traten hierzu die allgemeinen und die speziell für Italien oder als Ergänzungen des langobardischen Stammesrechts erlassenen Kapitularien (Capitula italica, Capitula legi Langobardorum addenda). Auf Grund des Edictus und einer vor 988 entstandenen Sammlung der in Italien geltenden Kapitularien (Capitulara Langobardorum) entwickelte sich in Italien, besonders in Pavia, in der ersten Hälfte des 11. Jahrh. eine rege juristische Tätigkeit, durch welche Edictus und Capitulare zunächst zu einem geschlossenen, chronologisch geordneten Rechtsbuch, Liber legis Langobardorum (Liber Papiensis), verbunden und noch vor dem 12. Jahrh. systematisch verarbeitet wurden; letztere Bearbeitung, die Lombarda, verdrängte schließlich den Liber Papiensis und wurde mit Glossen versehen, die Anfang des 13. Jahrh. durch Carolus de Tocco abgeschlossen wurden. Aus den über L. R. in Bologna gehaltenen Vorlesungen gingen im 12. Jahrh. die sogen. Lombardakommentare hervor, nachgeschriebene Hefte von Schülern. Die Lombarda liegt in einer ältern, durch eine Handschrift des Klosters Monte Cassino vertretenen (Lombarda Casinensis) und einer neuern Form (Lombarda vulgata) vor. Vgl. Merkel, Die Geschichte des Langobardenrechts (Berl. 1850; erweiterte italien. Ausgabe von Bollati, Turin 1857). Die Quellen des langobardischen Rechts sind am besten herausgegeben von Bluhme und Boretius in den »Monumenta Germaniae« (Legum tom. IV., 1868; verbesserte Separatausgabe von Bluhme, Hannov. 1869).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 178.
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