Martin [4]

[366] Martin (spr. -täng), 1) Bon Louis Henri, franz. Geschichtschreiber, geb. 20. Febr. 1810 in St.-Quentin, gest. 14. Dez. 1883 in Paris, schrieb zuerst eine Reihe historischer Romane aus der Zeit der Fronde. 1833 begann er in Gemeinschaft mit Lacroix eine »Histoire de France par les principaux historiens« (Tours 1833 ff.) und sodann sein Hauptwerk, die »Histoire de France«, die zuerst in 15 Bänden erschien, erst vom 10. Band ab unter dem Namen des Verfassers (Par. 1833–36). Nachdem sie rasch einen zweiten Abdruck erlebt, begann M. eine völlige Umarbeitung und Erweiterung in der 3. Auflage, die 1838–54 in 19 Bänden erschien und von der Band 10 und 11 (die Religionskriege) 1844, Band 14–16 (Zeitalter Ludwigs XIV.) 1856 den Preis Gobert erhielten. Für die 4. Auflage (1855–60, 17 Bde.), der eine populäre illustrierte Ausgabe: »Histoire de France populaire« (1867–85, 7 Bde.), folgte, erteilte das Institut 1869 M. den großen Preis von 20,000 Frank. Das Werk reicht bis zur Revolution, eine Fortsetzung dazu bildet die »Histoire de la France moderne, depuis 1789 jusqu'à nos jours« (2. Aufl. 1878–85, 5 Bde.), ein Sonderabdruck aus letzterm Werk ist die »Histoire de la Révolution française de 1789 à 1799« (1882, 2 Bde.). 1848 lehrte M. die Geschichte an der Sorbonne; die Reaktion entfernte jedoch den republikanisch gesinnten Geschichtschreiber vom Lehrstuhl, und in die Öffentlichkeit trat dieser erst 1870 wieder als Maire des 16. Arrondissements in Paris während der Belagerung und 1871 durch seine Wahl in die Nationalversammlung. 1876 wurde er zum Senator erwählt. Auch gehörte er seit 1871 der Akademie der moralischen und politischen Wissenschaften,[366] seit 1878 der französischen Akademie an. Er war eifriger Republikaner und fanatischer Chauvinist. Von sonstigen Schriften sind außer zahlreichen Aufsätzen in Zeitschriften zu erwähnen: »Histoire de la ville de Soissons« (in Gemeinschaft mit Lacroix, 1837, 2 Bde.); »De la France, de son génie et de ses destinées« (1847); »Daniel Manin« (1859, 2. Aufl. 1861); »Jean Reynaud« (1863); »Pologne et Moscovie« (1863); »Vercingétorix« (ein Drama, 1865); »La Russie et l'Europe« (1866); »Etudes d'archéologie celtique« (1871); »Les Napoléons et les frontières de France« (1874) u. a. Vgl. Hanotaux, Henri M. (1885, 2. Aufl. 1898); Mainard u. Buquet, Henri M. (1884); J. Simon, Mignet, Michelet, Henri M. (1889).

2) Nicolas, franz. Dichter und Übersetzer, geb. 7. Juli 1814 in Bonn, gest. im August 1877 in Auteuil, ein Neffe Karl Simrocks, wurde in Belgien erzogen, fungierte eine Zeitlang als Zollbeamter in Dünkirchen und ging 1838 nach Paris, wo er Chef des Zentralzollbureaus wurde. Zu seinen poetischen Werken gehören: »Les harmonics de la famille« (1837); »Louise« (1842); »Les cordes graves« (1845); »Une gerbe« (1849); »Le presbytère« (1856); »Mariska« (1861); »Gazetteen vers. Julien l'Apostat, poésies nouvelles« (1863), die als »Poésies« (4. Aufl. 1867) gesammelt erschienen. Außerdem schrieb M. das kritisch-biographische Werk »Poètes contemporains de l'Allemagne« (1846–60,2 Serien) und gab eine Übertragung der Grimmschen Hausmärchen (1846) sowie »Contes allemands« (nach Hebel und Simrock, 1866) heraus.

3) Henri, franz. Maler, geb. 1860 in Toulouse, war in Paris Schüler von J. P. Laurens, in dessen Art er sein erstes größeres Bild. Paolo Malatesta und Francesca von Rimini in der Holle, malte, schloß sich aber später mehr an Puvis de Chavannes an. Nach dessen Vorbild malte er ideale Landschaften mit schönen, ätherischen Frauengestalten, für die er sich eine eigne Ausdrucksweise schuf, indem er nur reine, ungemischte Farben in Pünktchen und kurzen Strichen nebeneinander auf die Leinwand setzte und so der Begründer des Pointillismus (s. d.) wurde. Von seinen Bildern sind die hervorragendsten. das Föderationsfest (im Museum zu Toulouse), der Mensch zwischen Tugend und Laster, dem Abgrund zu, Melancholie, Sérénité, jeder hat seine Schimäre und die Erscheinung der Clémence Isaure bei den Troubadours. Er hat auch Wandgemälde für das Rathaus in Paris, für das Kapitol in Toulouse (die Jahreszeiten, Triptychon) und für die Sparkasse in Marseille (die Arbeit) ausgeführt, in denen sich seine tupfende, auf die Fernwirkung berechnete, die Farben jedoch zu großer Leuchtkraft steigernde Malweise von ihrer besten Seite zeigt.

4) Alexandre, franz. Sozialist, s. Albert 1), S. 268.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 366-367.
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