Merseburg [2]

[644] Merseburg, Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks in der preuß. Provinz Sachsen und Kreisstadt, an der Saale, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Berlin-Weißenfels, M.-Mücheln und M.-Schafstädt sowie einer elektrischen Straßenbahn nach Halle, 99 m ü. M., besteht aus der eigentlichen Stadt, der Domfreiheit, den Vorstädten Altenburg und Neumarkt und einem neuen Stadtteil, hat im Innern ein altertümliches Ansehen und besitzt 5 evangelische und eine kath. Kirche, unter erstern die ausgezeichnete viertürmige Domkirche (1884–86 restauriert).

Wappen von Merseburg.
Wappen von Merseburg.

Diese gehört drei verschiedenen Bauperioden an: das Chor, die Krypte und die beiden Rundtürme (1042 geweiht) der rein romanischen, das Querschiff (um 1274) der spitzbogig-romanischen Periode, das Schiff mit einem barock-gotisch dekorierten Portal dem 16. Jahrh. Im Innern sind das Grabmal Rudolfs von Schwaben (des Gegenkönigs Heinrichs IV.), das Grabmal des Bischofs Siegmund von Lindenau (von Hans Vischer), die reichgeschnitzte spätgotische Kanzel und die große Orgel (1666 eingeweiht) bemerkenswert. Das Schloß, im gotischen Stil mit drei Türmen, ehedem Residenz der Bischöfe, dient jetzt als Regierungsgebäude; in dem daran stoßenden Garten steht ein Denkmal des Kaisers Wilhelm I. und das gußeiserne Denkmal des Feldmarschalls Kleist v. Nollendorf. Noch sind von öffentlichen Gebäuden zu erwähnen: das Kapitelhaus, das Rathaus, die alte Kirche St. Thomä in der Vorstadt Neumarkt, die Dompropstei und das neue, stilvolle Ständehaus mit schönen Wandmalereien. Auf dem Schulplatz steht das Bronzestandbild Kaiser Friedrichs III. Die Zahl der Einwohner beträgt (1900) mit der Garnison (ein Füsilierbataillon Nr. 36) 19,118 Seelen (1905: 20,023), davon 535 Katholiken und 29 Juden. Die Industrie erstreckt sich auf Eisengießerei, Armatur-, Maschinen-, Zellulose- und Papierfabrikation, Fabriken für Leim und Zigarren, Gerberei, Färberei und Bierbrauerei. M. ist Sitz einer königlichen Regierung, der Provinzialverwaltung, der Generalkommission und der Städte- und Landfeuersozietät für die Provinz Sachsen, hat ein Amtsgericht, ein Domkapitel, ein Gymnasium, Präparandenanstalt, ein Waisenhaus und vortreffliche Armenanstalten. – Die Stadt M. stammt schon aus der Karolingerzeit und wurde von König Heinrich I. erweitert und befestigt. Sie ward Residenz der Markgrafen von M., von 968 an Sitz der Bischöfe und war im 10. und 11. Jahrh. auch königliche Pfalz. Von 973–1302 fanden hier 15 Hoftage statt. Die Stadt hatte im Bauernkrieg 1525, namentlich aber im Dreißigjährigen Kriege viel zu leiden; 1631 wurde sie von Pappenheim genommen, 1632 nochmals an die Kaiserlichen übergeben, von den Schweden 1636 gebrandschatzt und 1640 geplündert. Von 1657–1738 war M. Residenz der Herzoge von Sachsen-M. Die frühere Annahme, daß der Ort der Ungarnschlacht von 933 hier zu suchen sei, ist hinfällig. Bei M. siegten 29. April 1813 die Preußen unter Lobethal über Teile des französischen Korps Macdonald. Vgl. Hahn, Historia Martisburgica (Leipz. 1606); E. Hoffmann, Historische Nachrichten aus Alt-M. (Merseb. 1903); »Beschreibende Darstellung der ältern Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen«, Heft 8: Kreis M. (Halle 1883).

Der Regierungsbezirk M. (s. Karte »Provinz Sachsen«) umfaßt 10,211 qkm (185,43 QM.), zählt (1900) 1,189,825 Einw. (117 auf 1 qkm), davon 1,146,470 Evangelische, 39,185 Katholiken und 2070 Juden, und besteht aus den 19 Kreisen:

Tabelle

Über die acht Reichstagswahlkreise des Regierungsbezirks M. s. Karte »Reichstagswahlen«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 644.
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