Vischer [1]

[188] Vischer, Nürnberger Bildhauer- und Erzgießerfamilie im 15. und 16. Jahrh., die durch drei Generationen im Erzguß eine umfangreiche Tätigkeit geübt und ihn in Deutschland vom Handwerk zur Kunst erhoben hat:

1) Hermann, der Ältere, kam 1453 als Rotgießergeselle nach Nürnberg, erwarb hier das Meisterrecht und starb 1487. Von seinen Arbeiten ist nur eine, das mit Apostelfiguren geschmückte Taufbecken in der Pfarrkirche zu Wittenberg von 1457, völlig beglaubigt. Zugeschrieben werden ihm das Taufbecken in der Sebalduskirche zu Nürnberg und mehrere Grabplatten in Meißen, Posen und Bamberg.

2) Peter, der Ältere, Sohn des vorigen, geb. um 1460 in Nürnberg, gest. daselbst 7. Jan. 1529, wurde 1489 Meister und 1491 vom Kurfürsten Philipp von der Pfalz nach Heidelberg berufen, kehrte aber bald wieder nach Nürnberg zurück, wo er, später von fünf Söhnen unterstützt, vielseitig tätig war. Seine beglaubigten Hauptwerke, in deren architektonischem Aufbau allmählich die Formen der Gotik durch die der Renaissance verdrängt werden, sind in der Reihenfolge ihrer Entstehung: das großartige, reiche Grabmal des Erzbischofs Ernst im Dom zu Magdeburg (1495); das Grabmal des Bischofs Johannes IV. im Dom zu Breslau (1496); das Grabmal des Grafen von Henneberg und seiner Gemahlin in Römhild (um 1508) und das des Grafen Eitel von Hohenzollern (gest. 1512) und seiner Gemahlin in Hechingen; das berühmte, ungemein reiche und phantasievolle Grabmal des heiligen Sebaldus in der Sebalduskirche zu Nürnberg (vgl. die Figur des Apostels Paulus und des Meisters eigne Gestalt auf Tafel »Bildhauerkunst VIII«, Fig. 3 und 1), das V. mit Hilfe seiner Söhne von 1508–19 ausgeführt hat, seine bedeutendste Schöpfung; ein großes Prachtgitter, das von den Gebrüdern Fugger in Augsburg 1513 bestellt, nach langen Streitigkeiten mit diesen 1530 vom Nürnberger Rat angekauft, durch Hans V. vollendet und 1540 im großen Saale des Rathauses zu Nürnberg aufgestellt wurde (1806 abgebrochen, versteigert und dann verschollen); ein Relief mit der Krönung Mariä im Dom zu Erfurt (ein zweites Exemplar in der Schloßkirche zu Wittenberg, 1521); die Grabplatten für Margareta Tucherin im Dom zu Regensburg (1521, die Begegnung Christi mit dem kananäischen Weibe) und für die Familie Eißen in der Ägidienkirche zu Nürnberg (1522, Grablegung Christi); das Epitaph für den Kardinal Albrecht von Brandenburg in der Stiftskirche zu Aschaffenburg (1525, s. Tafel »Grabmäler«, Fig. 13); das Grabmal des Kurfürsten Friedrich des Weisen in der Schloßkirche zu Wittenberg (1525 bestellt); das Epitaph der Herzogin Helene von Mecklenburg im Dom zu Schwerin. Außerdem werden ihm noch mit großer Wahrscheinlichkeit die Standbilder König Theoderichs und König Arturs am Grabmal Kaiser Maximilians in. der Hofkirche zu Innsbruck (s. Tafel »Bildhauerkunst VIII«, Fig. 4), von einigen auch die bekannte betende Madonna im Germanischen Museum zu Nürnberg (f, Tafel »Bildhauerkunst VIII«, Fig. 2) zugeschrieben. Eine Ausgabe seiner Werke veranstaltete W. Lübke (Nürnb. 1878, 2 Bde. mit 48 Tafeln). Vgl. Dann, P. Vischer und Adam Krafft (Bielef. 1905).

3) Hermann, der Jüngere, ältester Sohn des vorigen, geb. in den letzten Jahren des 15. Jahrh., arbeitete in der Werkstatt seines Vaters, bildete sich aber auch zugleich im Zeichnen und Modellieren aus, so daß er seinem Vater als Künstler zur Seite stehen konnte. Nachdem die Gebrüder Fugger bei seinem Vater das große Prachtgitter für ihre Grabkapelle bestellt hatten, das sie nach italienischen Vorbildern ausgeführt wünschten, ging V. 1513–15 nach Italien, um Studien dazu zu machen. Ihm schreibt man im wesentlichen den Entwurf zu diesem Gitter zu. V. starb, noch sehr jung, 1516.

4) Peter, der Jüngere, zweiter Sohn des ältern Peter V., geb. in den letzten Jahren des 15. Jahrh., gest. 1528, begleitete seinen Bruder Hermann nach Italien. Er scheint in den letzten zwölf Jahren die eigentliche Seele der Vischerschen Gießhütte gewesen zu sein und den Geist der Renaissance in sie hineingetragen zu haben. Von seinen selbständigen Arbeiten sind bekannt: zwei kleine nackte Frauengestalten, eine jede neben einer Vase (Tintenfaß) stehend (im Ashmolean-Museum zu Oxford), vier verschiedene Reliefs, Orpheus und Eurydike darstellend (im Museum zu Berlin, in Paris, Hamburg und St. Paul in Kärnten). Vgl. Seeger, Peter V., der Jüngere (Leipz. 1897).

5) Hans, der dritte Sohn des ältern Peter V., arbeitete gleichfalls in der Werkstatt seines Vaters, war aber vorzugsweise Techniker und überwachte das Gießen, Ziselieren und Montieren der großen Werke. Nach dem Tode seines Vaters übernahm er die Werkstatt und vollendete zunächst nach den von seinem Vater und seinem Bruder Peter hinterlassenen Modellen und Zeichnungen einige größere Werke, so: das Epitaph der Margareta Riedingerin (Madonna mit Kind) in der Stiftskirche zu Aschaffenburg, das Grabdenkmal des Kurfürsten von Brandenburg, Johann Cicero, im Dom zu Berlin, das Grabmal des Kurfürsten Johann I., des Beständigen, in der Schloßkirche zu Wittenberg. Selbständig fertigte er das Grabdenkmal des Bischofs Siegmund im Dom zu Merseburg, die bisher meist fälschlich seinem Bruder Peter zugeschriebene Statue des bogenschießenden Apoll (Nürnberg, Germanisches Museum, s. Tafel »Bildhauerkunst X«, Fig. 4). Die väterliche Gießhütte konnte sich unter ihm nicht halten. 1549 zog er nach Eichstätt.

6) Jakob und Paul, die jüngsten Söhne des ältern Peter V., arbeiteten als Gesellen in der Werkstatt ihres Vaters.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 188.
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