Sōlŏn

[584] Sōlŏn, Gesetzgeber Athens, unter den sieben Weisen Griechenlands der bedeutendste, geb. um 640 v. Chr. in Athen, gest. 559, Sohn des Exekestides, aus einem alten edlen Geschlecht, das Kodros unter seinen Ahnen zählte, ging frühzeitig als Kaufmann auf Reisen und machte sich im öffentlichen Leben dadurch bekannt, daß er durch eine (noch erhaltene) Elegie »Salamis« seine Mitbürger zu der Wiederaufnahme des Kampfes mit Megara um Salamis begeisterte, die nun auch zu der Eroberung der Insel führte. Auf diese Weise war für die Ausdehnung des athenischen Handels freie Bahn geschaffen, im Lande selbst aber dauerte die Unzufriedenheit fort, der die Gesetzgebung Drakons vergeblich zu steuern versucht hatte. Auch hier griff S. mit seiner Dichtung ein; er beklagte den durch das adlige Mißregiment verschuldeten Notstand der Bauern und mahnte zu Besonnenheit und Gerechtigkeit. Daher wurde er für das Jahr 594 zum Archon mit unumschränkter Machtvollkommenheit gewählt und beseitigte zunächst zur sozialen Befreiung des Bauernstandes durch die sogen. Seisachtheia (s. d.) die Schuldknechtschaft; dann ging er getreu seinem Spruch »Nichts zu viel« an die Verfassung, deren Charakter und Zweck er selbst am schönsten in den Versen bezeichnet hat (nach der Übersetzung von Geibel):


So viel Teil an der Macht, als genug ist, gab ich dem Volke,

Nahm an Berechtigung ihm nichts, noch gewährt' ich zu viel.

Für die Gewaltigen auch und die reicher Begüterten sorgt' ich,

Daß man ihr Ansehen nicht schädige wider Gebühr.

Als stand ich mit mächtigem Schild und schützte sie beide,

Doch vor beiden zugleich schützt' ich das heilige Recht.


Der Unterschied zwischen Stadt und Land wurde aufgehoben, alle freien Bewohner von Attika wurden Bürger von Athen, jedoch mit verschiedenen, nach dem Vermögen abgestuften politischen Rechten (Timokratie), nach denen wieder die militärischen Verpflichtungen gegliedert wurden (s. Athen, S. 29). Weniger tief griff S. in die Organisation der Behörden und der Verwaltung ein; die Amtsgewalt des Areopags wurde von ihm sogar erweitert. Seine das ganze Leben und die ganze Tätigkeit des Volkes umfassende Gesetzgebung hat die Hindernisse beseitigt, die seine freie Entwickelung zu hemmen drohten, und ihre Bahn geebnet. Handel und Industrie nahmen einen schnellen Aufschwung, namentlich aber gewöhnte sie das Volk zu lebendiger, selbständiger Teilnahme am öffentlichen Leben, hob die geistige Bildung und erzeugte in ihm bewußte Sittlichkeit und edle Humanität. Alle Wünsche der Parteien hat S. allerdings nicht erfüllt; nach der Meinung des Adels hat er den Ärmern zu viel Rechte eingeräumt, diese selbst hatten noch mehr von ihm gehofft. Um sich daher Vorwürfen zu entziehen, trat er eine zehnjährige Reise an, nachdem er das Volk hatte schwören lassen, während derselben an seinen Gesetzen nichts zu ändern, und besuchte Ägypten, Cypern und Lydien, wo er sich nach der übrigens unglaubwürdigen Sage mit König Krösos über die Nichtigkeit der menschlichen Glückseligkeit unterhalten haben soll. Nach der Rückkehr mußte er die Tyrannis des Peisistratos noch erleben, vor der er umsonst gewarnt hatte, und starb bald darauf, eine ideal gerichtete Persönlichkeit, bis ins Alter bereit zu lernen, aber auch die Gaben der Aphrodite, des Dionysos und der Musen zu genießen. Die Fragmente seiner Gedichte sind in Bergks »Poetae lyrici graeci« gesammelt herausgegeben, übersetzt von Hartung (Leipz. 1858 f.) und von Bieringer (Kitzingen 1863). Die ihm von Diogenes Laertius beigelegten Briefe an Peisistratos und einige der sieben Weisen sind untergeschoben. Solons Leben beschrieb Plutarch. Vgl. B. Keil, Die Solonische Verfassung in Aristoteles' Verfassungsgeschichte Athens (Berl. 1892).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 584.
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