Kwenlun

[897] Kwenlun (Kuenlün), Gesamtname für den Gebirgszug, der Zentralasien mit wechselnder Breite von der Kaschgarischen Kette am Ostende der Pamirs bis zum Funjuschan in China, vom 74. bis 113.° östl. L., also über 40 Längengrade durchzieht, und zwar vom 77. Längengrad an mit einer auf der Erde einzig dastehenden Regelmäßigkeit von WNW. nach OSO. (s. Karte »Zentralasien«). Richthofen, der zuerst die Bedeutung des K. für den Gebirgsbau Asiens ins rechte Licht setzte, unterscheidet einen westlichen, einen mittlern und einen östlichen K., von denen der erste östlich bis zum 89. Meridian, der mittlere bis zum Durchbruch des Tauho in 104° (Meridian von Lantschou [s. d.]), der östliche bis zur Tiefebene Chinas reicht, während Prschewalskij die Grenze zwischen dem mittlern und dem westlichen K. auf den 82. Längengrad verlegt, von wo Nebenketten ausgehen, die das nördliche Tibet durchsetzen. Wahrscheinlich hat man auch dem bisher als Hauptkette geltenden Altyntag-Nanschan die Rolle eines begleitenden Nebengebirges zuzuweisen. Der K. ist das eigentliche Rückgrat des asiatischen Kontinents und entspricht der von den Alten angenommenen Gebirgsmasse, welche die Alte Welt annähernd im Breitengrade von Rhodos (36° nördl. Br.) durchziehen sollte. Er ist auch das älteste Gebirge Asiens. Im W., nahe dem Karakorum, besteht er fast ausschließlich aus Syenitgneis, Glimmerschiefer, quarzitischen und chloritischen Schichten, mit Einlagerung von Nephrit; auch im weitern Verlauf scheinen die ältesten Gesteine zu überwiegen, zu denen im Altyntag und Nanschan nördlich des Kuku-Nor noch eine mächtige Ablagerung paläozoischer Gesteine tritt. Im östlichen K. überwiegen wieder archaische Gebilde. Jüngere Ablagerungen fehlen ganz; schon deshalb ist der K. älter als sämtliche Randgebirge Zentralasiens, namentlich als der Himalaja und Tiënschan; nur im SW. von Chotan tritt Kreide auf, vermutlich jedoch nur angelagert. Die Faltung des K. fällt schon in das Silur, an den spätern Faltungen scheint er nur wenig teilgenommen zu haben. Auch im Äußern zeigt er deutliche Spuren hohen Alters, denn die Formen sind ausgeglichen, tiefe Täler außer den Flußrinnen der Quellflüsse des Tarim gibt es nicht; Kammhöhe, Gipfelhöhe und Paßhöhe weichen nur wenig voneinander ab.

Läßt man die Kaschgarische Kette außer Betracht, so stellt sich der westliche K. als eine gewaltige Mauer von 6000 m Kammhöhe und mit 6700–6800 m hohen Gipfeln dar, unter denen der 6820 m hohe Pik K 17 der indischen Landesvermessung unter 77°10' östl. L. als der höchste gilt, während die meisten Pässe 5200, ja bis 5800 m hoch sind. Der Nordabhang ist überall steil und nur durch die Ansammlung ungeheurer Schuttmassen gemildert. Nach S., nach der tibetischen Seite, findet ein nur geringer Abfall statt, mit Ausnahme des westlichen Abschnittes gegen die Tiefschluchten des obern Jarkand (Baskem) und des Karakasch. Vom 82.° entfaltet der K. eine große Reihe von Parallelketten. Zwischen Schatschou am Nordrand und den Quellen des Yangtsekiang entwickelt er sich zu einem 800 km breiten Faltungsgebirge von typisch zentralasiatischer Ausbildung, starker Nivellierung, erheblicher Schutteinhüllung und geringen Höhenunterschieden der einzelnen aufragenden Ketten und den dazwischen eingesenkten Hochebenen. In dem noch sehr wenig bekannten, 160 km langen Kerijagebirge, zwischen dem Kerijadurchbruch und dem Lob-Nor, reichen Gletscher bis 4700 m herab. Bergwiesen kommen in Höhe von 2700–4000 m vor, an[897] seinem Ostende steht der 6700 m hohe Zar-Befreier. Weiter bildet bis zum 54.° der Altyn- oder Ustuntag den gewaltigen Nordwall des K., dem sich nach S. eine große Zahl von parallelen Kettengebirgen bedeutender Meereshöhe (Arkatag-Kokoschili, Dupleixgebirge, Tanglakette u. a.) anreihen. Im nördlichen Teile liegen selbst die Täler selten unter 5000 m, die Gipfel erreichen über 7000 m (7360 m im Arkatag). Das teilweise vergletscherte Tanglagebirge (32–33° nördl. Br.) ist die Wiege der mächtigsten Ströme (Salwen, Mekong, Yangtsekiang). Das Kokoschili- und seine Fortsetzung, das Bayankaragebirge, scheidet das Quellgebiet des Yangtsekiang von dem des Hwangho, einer seenbedeckten Hochebene von 4270 m ü. M. Die dritte große Hauptkette, das gewaltige Marco Polo-Gebirge, das sich nach W. als Prschewalskijkette bis 86° fortsetzt und einen Ast als Kolumbuskette zum 6000 m hohen Kreml entsendet, besteht aus Geröll mit hellgrünem, tonhaltigem Schiefer und erreicht im Schapka Monomacha 5900, im Dschengri 6000 m. Am Nordrand der Marco Polo-Kette breitet sich die Landschaft Tsaidam aus, die im N. begrenzt wird von der vierten und fünften Kwenlunkette, dem Altyntag im W. und dem Dschachar und Kuku-Nor-Gebirge im O. Der mauergleich aufsteigende, trostlos unfruchtbare Altyntag erreicht 4000–4300 m und hat Pässe von 3000–4000 m; der Dschacharzug ist 4960, das plumpe Kuku-Nor-Gebirge 4500–5000 m hoch, letzteres stürzt steil zum Kuku-Nor ab. Als letzte Hochebenen zwischen den Kwenlunzügen sind zu nennen die Syrtynebene (2880 m) im S. des Altyntag an seinem östlichsten Ende und die wellige, völlig wüste, 3040 m hohe Mulde des Kuku-Nor. Die nördlichste Kette des K. zweigt mit dem Humboldt-Gebirge unter 95° östl. L. vom Altyntag ab und bildet einen flachen Bogen, der sich bis gegen Lantschoufu erstreckt. Der sich im N. angliedernde Nanschan, der steil gegen die von Oasen bedeckte, an 1500 m hohe Senke von Sutschou und Kantschou abstürzt, hat namentlich in seinem östlichen Teil bereits andre morphologische Beeinflussungen erfahren. Im östlichen K. verändert sich der Charakter des Gesamtgebirges. Vom 106. Meridian setzt es sich in zwei hohen Ketten fort, die zum Tsinlingschan (s. d.) verschmelzen und mauerartig weit nach China (s. d., S. 34) hineinstreichen. Der Tsinlingschan setzt sich im Funiuschan bis 113° und wahrscheinlich noch im bogenförmig gekrümmten Hwaigebirge bis gegen den Unterlauf des Yangtsekiang fort. Vgl. H. v. Schlagintweit, Reisen in Indien und Hochasien (Jena 1869–80, 4 Bde.); v. Richthofen, China, Bd. 1 u. 2 (Berl. 1877 u. 1882); Wegener, Orographie des K. (in der »Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin«, 1891); Bogdanowitsch, Arbeiten der tibetanischen Expedition unter Pjewtzow, Bd. 2 (russ., Petersb. 1892); v. Lóczy, Geologische Beobachtungen (in den »Wissenschaftlichen Ergebnissen der Széchenyischen Reise in Ostasien 1877–1880«; deutsche Ausg., Wien 1893); Sueß, Das Antlitz der Erde, Bd. 3 (das. 1891); S. Hedin, Durch Asiens Wüsten, Bd. 2 (deutsch, Leipz. 1899) und Im Herzen von Asien (deutsch, das. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 897-898.
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