Teichwirtschaft

[376] Teichwirtschaft (zahme Fischerei, hierzu Tafel »Teichfischerei«), die Fischzucht in Teichen, in denen für die Vermehrung und das Gedeihen der Fische besonders gesorgt ist. Teiche sind stehende Gewässer, die man willkürlich ablassen (abschlagen) und wieder mit Wasser füllen (spannen) kann. Sie erhalten ihr Wasser aus Flüssen oder Bächen (Fluß- oder Bachteiche), die sie durchfließen, oder mit denen sie durch Gräben verbunden sind, oder aus Quellen (Queltteiche), die in ihrem Grund oder am Rande gelegen sind, oder nur durch die atmosphärischen Niederschläge (Himmelsteiche). Man umgibt die Teiche mit einem Damm zur Verhinderung des Durchtritts des Wassers, der aber eine Vorrichtung zum Ablassen des Wassers enthält. Vor dieser Vorrichtung, nach der hin sich der Teichboden gleichmäßig senkt, befindet sich eine regelmäßig begrenzte tiefere Stelle, in der sich beim Ablassen des Wassers die Fische sammeln (Fischgrube). Mehrere Gräben im Teichboden führen zur Fischgrube. Der Boden der Teiche besteht am vorteilhaftesten[376] aus fettem Lehm oder Ton. Die T. hat sich seit Jahrhunderten besonders mit der Zucht des Karpfens beschäftigt; sehr großartige Anlagen dieser Art bestehen in der Mark, in der Lausitz, in Schlesien und Böhmen. Auch werden Sander, Forellen, Saiblinge, Aale, Schleie, Barsch, Maräne, Döbel. Goldorfe, Karausche, Hecht, Zwergwels und Forellenbarsch und als Zierfische Goldfisch mit seinen Varietäten (Teleskopfisch, Schleierschwanz), Makropoden und Gurami (Abbildungen s. auf der Tafel) in Teichen gezogen. Für die Karpfenzucht, die seit Jahrhunderten die rentabelste gewesen ist und neben der in neuerer Zeit nur noch der Aal größere Bedeutung gewonnen hat, sind mehrere Arten verschiedener Teiche erforderlich. In den Streich- oder Laichteichen findet die Vermehrung der Fische statt. Sie müssen klein, flach, warm und reich an niedern Tieren sein, die den jungen Fischen zur Nahrung dienen. Am besten eignen sich Himmelsteiche. Die Zuchtkarpfen sollen nicht über 2–3 kg schwer, gut gewachsen und gesund sein; sie werden erst, wenn das Wasser sich im Frühjahr schon erwärmt hat, in die Streichteiche gebracht, zu einem Weibchen (Rogener) gewöhnlich ein gleichgroßes Männchen (Milchner) und ein kleineres als sogen. Anhetzer. Ein Rogener legt 300,000 und mehr Eier ab, die an den Ufern an Wasserpflanzen geklebt werden. Die Fischchen kriechen in acht Tagen aus. und es bleiben gewöhnlich von der Nachkommenschaft eines Rogeners bis zum Herbst 800–1500 am Leben. Man kann eine ungleich größere Masse erhalten, wenn man sie schon in den ersten Wochen mit seinen Gazekäschern abfischt und in mehrere nahrungsreiche Teiche (Brutstreckteiche) verteilt. Im Herbst werden die Fischchen (Brut, Samen, Strich) als einsömmerige Karpfen durch Trockenlegen des Teiches, der im Winter seiner Flachheit wegen ausfrieren würde, abgefischt und in einen tiefen Winterteich (Kammerteich) gesetzt. Im nächsten Frühjahr wird der Winterteich abgefischt, und die einsömmerigen Karpfen werden in flache und warme Streckteiche gesetzt (300–800 Stück pro Hektar), in denen sie bis zum Herbst 0,25–0,5 kg schwer werden können. Dann wieder abgefischt und in den Winterteich gebracht, kommen sie im folgenden Frühjahr als zweisömmerige Fische abermals in Streckteiche (200–400 Stück pro Hektar), in denen sie 0,6–0,9 kg schwer werden, bis sie im Herbst wieder in den Winterteich gesetzt werden. Im folgenden Frühjahr kommen die dreisömmerigen in die Abwachsteiche (150–250 Stück pro Hektar), die tief genug sind, um über Winter besetzt zu bleiben, und in denen die Fische in 1–2 Jahren 1–1,5 kg schwer werden. Sie müssen tiefere schlammfreie Stellen enthalten, in die sich die Fische im Winter zurückziehen. Alle Karpfenteiche müssen wenigstens nach S. frei liegen, damit sie von der Sonne gehörig durchwärmt werden. Die Nahrhaftigkeit der Teiche wird durch Trockenlegen. während des Winters, Umackern des Bodens und abwechselnde Benutzung zum Futterbau (Sämerung, Sömmerung) während zweier Jahre gesteigert. Sehr empfehlenswert ist vorder Sömmerung das Schlammaufführen aus den Schlammablagerungen an den tiefsten Teichstellen auf die sandigen Teichränder. Durch die Sömmerung in Verbindung mit Düngung mit Stallmist, menschlichen Exkrementen, Jauche, Kalk (6–12 Ztr. auf 1 Hektar), Superphosphat etc. erhält die nachfolgende Fischbesatzung einen um so wertvollern Zufluß von Nahrung, je besser der Stand der Feldfrüchte war. Durch das Trockenliegen und Beackern während des Sommers werden Rohr, Schilf, Binsen und ähnliche hartstengelige Pflanzen zerstört, die das Gedeihen der Karpfen erheblich beeinträchtigen. Auch kann man die Karpfen mit allerlei tierischen und pflanzlichen Stoffen füttern, wo diese billig zu haben sind. Besonders werden dazu Fleischmehl, Rapskuchenmehl, Weizenkleie, gekochte Hülsenfrüchte, Biertreber etc., auch Molkereiabfälle, kleingeschabtes Fleisch, Schnecken, Regenwürmer, Maikäfer, Schaf- und Rindermist verwandt. Durch häufige Abfischung und Verteilung in immer größere und zahlreichere flache Teiche kann man die Karpfen in 2–3 Jahren so schwer ziehen, wie sie sonst in 4 oder 5 Jahren werden (Dubisch). Sie schwerer als 2–2,5 kg werden zu lassen, ist nicht zweckmäßig, da die großen Fische das Futter schlechter verwerten als die kleinen. Zurzeit rechnet man auf 1 Hektar Wasserfläche bei schlechten Teichen 20–35 kg, mittlern Teichen 40–60 kg, guten großen Teichen 60–80 kg, kleinen reichen Teichen 120–190 kg, Dorfteichen mit reichlichem Jauchezufluß 200–400 kg jährlichen Karpfenzuwachs. Mit besonderer Sorgfalt sind von den Streichteichen Frösche, Enten und andre Liebhaber von Laich und Brut fern zu halten; auch in den Streckteichen dürfen keine andern Fische neben den Karpfen gehalten werden, in Abwachsteichen sind kleine Hechte und andre Raubfische zur Vertilgung der etwa durch Graben aus andern Gewässern auswandernden Weißfischbrut, der Frösche etc. nützlich. In dem Winterteich und im Abwachsteich muß durch Schlagen von Eislöchern für Lüftung des Wassers gesorgt werden, wenn sie nicht regelmäßigen Zufluß von Wasser haben. Das Abfischen findet im Spätherbst statt, nur die Winterteiche werden im Frühjahr ausgefischt. Während Karpfenteiche warmes Wasser haben müssen, erfordern Forellen und Saiblinge kühle Teiche mit reichlichem Durchfluß und werden am besten in oder an kleinen, schnell fließenden Bächen oder Flüßchen angelegt. Sie fordern kiesigen, zum Teil mit Pflanzen bewachsenen Grund, teilweise Beschattung durch Bäume. Eine Trennung der verschiedenen Jahrgänge ist hier noch nötiger als bei den Karpfen, da die ältern Fische den kleinern nicht nur das Futter fortnehmen, sondern sie selber auffressen. Zum Füttern setzt man kleine Weißfische ein. Die Brut für die Forellenzucht wird in Brutanstalten gewonnen. Vgl. Benecke, Die T. (4. Aufl. von Jaffé, Berl. 1902); v. d. Borne, Handbuch der Fischzucht und Fischerei (mit Benecke und Dalmer, das. 1886) und T. (5. Aufl. von H. v. Debschitz, das. 1906); Nicklas, Lehrbuch der T. (2. Aufl., Stett. 1898); Susta, Die Ernährung des Karpfens und seiner Teichgenossen (2. Aufl., das. 1905); Vogel, Ausführliches Lehrbuch der T. (Bautzen 1898–1905, 3 Bde.), Teichwirtschaftliche Buchführung (das. 1899), Ratgeber für die rationelle Besetzung von Fischteichen (das. 1901) und Die Fischfütterung (das. 1907); Graf zu Münster, Teichwirtschaftliche Buchführung (Neudamm 1902); Weber, Ländliche T. (Stuttg. 1901); Gerhardt, Fischwege und Fischteiche (Leipz. 1904); Walter, Die Kleinteichwirtschaft (Neudamm 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 376-377.
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