[124] Verzug (lat. mora), die Verzögerung einer Handlung, namentlich der Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung. Nimmt der Gläubiger die ihm vom Schuldner angebotene Leistung nicht an, obwohl sie so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten wird, so kommt erin Annahmeverzug (Gläubigerverzug, mora creditoris). Hatte er dem Schuldner erklärt, die Leistung nicht annehmen zu wollen, oder ließ er es an einer seinerseits für die Leistung vorzunehmenden Tätigkeit, z. B. am Abholen, fehlen, so kommt er schon in V. durch bloß wörtliches Angebot des Schuldners und falls für seine Tätigkeit kalendermäßig eine Zeit bestimmt ist, selbst ohne solches Angebot. Schuldet er eine Gegenleistung, so kommt er schon in V., wenn er diese verweigert; ist der Schuldner jedoch zu der betreffenden[124] Zeit außerstande zu leisten, so kommt der Gläubiger trotzdem nicht in V. Hat bei unbestimmter Leistungszeit der Gläubiger infolge vorübergehender Verhinderung die Leistung nicht angenommen, so liegt Annahmeverzug nur vor, wenn der Schuldner seine Absicht zu leisten eine angemessene Zeit vorher mitgeteilt hat. Alle aus dem Annahmeverzug entstehenden nachteiligen Folgen treffen den Gläubiger, der Schuldner hat nur für den Schaden einzutreten, der durch sein vorsätzliches oder grob nachlässiges Ver. halten entsteht. Selbstredend erlischt durch den V. nicht etwa die Leistungsverpflichtung des Schuldners. Geld, Wertpapiere, Urkunden und Kostbarkeiten kann der Schuldner in solchen Fällen hinterlegen (s. Hinterlegung), soweit dies nach den einzelnen Landesgesetzen zulässig ist, eventuell kann er sie auch versteigern lassen und den Erlös hinterlegen. Bei Geldschulden hört im Augenblick des Annahmeverzugs die Verzinsung auf. Handelt es sich um die Nichtannahme eines Grundstücks, so kann es der Schuldner nach vorheriger Ankündigung aufgeben. Für alle infolge des Annahmeverzugs dem Schuldner entstandenen außerordentlichen Kosten und Aufwendungen hat ihm der Gläubiger auszukommen. Kommt der Schuldner der ihm obliegenden Verpflichtung nicht zur rechten Zeit nach, so liegt Leistungsverzug (Schuldnerverzug, mora debitoris) vor, und er haftet dem Gläubiger für jeden daraus entstehenden Schaden. Voraussetzung ist hierbei jedoch, daß er seitens des Gläubigers nach Fälligwerden der Schuld gemahnt wurde und der V. auf einem Verschulden des Schuldners oder einer Person beruht, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten bedient. Für einen V. infolge Überschwemmung, Krieges etc. haftet er also nicht. Während des ihm zur Last fallenden Verzugs hat der Schuldner für jede Fahrlässigkeit auszukommen, ja sogar dann, wenn der Schaden auf Zufall beruht, es sei denn, daß er auch bei rechtzeitiger Erfüllung der Verpflichtungen entstanden wäre. Bricht z. B. eine Seuche aus, die das geschuldete Pferd wegrafft, so muß der Schuldner dafür einstehen, es sei denn, daß nachweisbar das Pferd auch zugrunde gegangen wäre, wenn es bereits dem Gläubiger übergeben worden wäre. Vgl. Bürgerliches Gesetzbuch, § 284304, und Haftpflicht. Vgl. Munk, Wesen und Voraussetzungen der mora creditoris (Berl. 1898); De Claparède, Beiträge zur Lehre vom Leistungsverzuge (Genf 1903).
Meyers-1905: Verzug [1] · Gefahr im Verzug