[630] Wildschaden, der durch jagdbare Tiere an Grund und Boden und dessen Erzeugnissen angerichtete Schade im Gegensatz zum Jagdschaden, der durch Ausübung der Jagd veranlaßt wird. Nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht (I. 9, § 141147) mußte, wer Hochwild in ungewöhnlicher Menge hegen wollte, die zum Schutze der angrenzenden bebauten Ländereien erforderlichen Veranstaltungen treffen, und wer in Anlegung und Unterhaltung der letztern nachlässig war, für den infolgedessen in der Nachbarschaft entstandenen Schaden haften. Der altgermanische Grundsatz, nach dem das Jagdrecht ein Zubehör zum Grundeigentum ist, kam in Frankreich 1789 wieder zur Geltung. Aufrechterhalten im »Code Napoléon«, wurde er seit 1801 auch auf dem linken Rheinufer anerkannt. Im übrigen Teile von Deutschland, ebenso von Österreich, vollzog sich der gleiche Prozeß in den Jahren 1848 und 1849. Nun konnte jeder Grundeigentümer durch Vertilgung oder wirksame Verscheuchung des Wildes sich selbst schützen. Da man sich aber bei Aufhebung des Jagdregals und der Jagdgerechtigkeiten im wesentlichen damit begnügt hatte, Rechte, die als drückend und der Kultur hinderlich betrachtet wurden, einfach zu beseitigen, ohne eine der neuen Gestaltung der Dinge entsprechende Regelung herbeizuführen, wurden Bestimmungen über die Ausübung der Jagd notwendig. die im wesentlichen darin gipfeln, daß die Jagd nicht von einer zu großen Zahl von Personen auf einem kleinen Gebiete betrieben werde. Hierdurch wurde einer bestimmten Klasse von Grundeigentümern die Ausübung der ihnen formell zustehenden Jagd auf eignem Grund und Boden versagt, und es mußte Vorsorge getroffen werden, daß sie gegen allzu stark sich vermehrendes Wild und gegen Beschädigungen durch dasselbe genügenden Schutz finden.
Unbeschränkte Ersatzpflicht ist ausdrücklich anerkannt in Hannover (Gesetz über W. vom 21. Juli 1848, abgeändert durch die Jagdordnung vom 11. März 1859), Kurhessen (Gesetze über W. vom 16. Jan. 1854 und vom 7. Sept. 1864), Hessen-Homburg (Verordnungen vom 12. Mai 1857 und vom 7. Juli 1863), Großherzogtum Hessen (Gesetz vom 26. Juli 1848), Anhalt (Gesetze von 1870, 1872, 1879 und 1882), Meiningen (Gesetze vom 1. Juni 1848 und 1. Febr. 1872), Sondershausen (Gesetz vom 17. Febr. 1872), Schaumburg-Lippe (Gesetz vom 17. Mai 1870), in Bayern (Gesetz vom 15. Juni 1859) und in Österreich (Patent vom 7. März 1849). In andern Ländern ist die Ersatzpflicht nur in beschränktem Umfang anerkannt, so in Württemberg (Gesetz vom 27. Okt. 1855) und in Baden (Jagdgesetz vom 2. Dez. 1850) nur für den Schaden, den das aus eingefriedigten Grundstücken ausgebrochene Wild verursacht; in Braunschweig (Gesetze vom 8. Sept. 1848 und 16. April 1852) hierfür und für den auf den Enklaven eines selbständigen Jagdbezirkes, im Königreich Sachsen (Gesetze vom 3. Nov. 1849 und 1. Dez. 1864) und in Sachsen-Gotha (Gesetz vom 24. Nov. 1848) nur für den an eingeschlossenen fremden Grundstücken angerichteten Schaden. Nur für den von Rot-, Dam- und Schwarzwild angerichteten Schaden wird Ersatz gewährt in Sachsen und Braunschweig, nur für den vom Standwild verursachten in Baden. Ausdrücklich ausgeschlossen ist die Ersatzpflicht für den durch Federwild veranlaßten Schaden in Bayern. Verpflichtet zum Ersatz ist zunächst der Jagdberechtigte des beschädigten Grundstückes; bei einer Verpachtung in einigen Ländern nur der Pächter, in andern ebenfalls der Pächter, aber mit subsidiärer Haftung des Verpächters, in wieder andern nur der Verpächter, der jedoch Rückersatz vom Pächter ausbedingen kann. Endlich ist auch (in Hannover) ein Regreßrecht gegen denjenigen zugestanden, aus dessen Wildstand das schädigende Wild ausgetreten ist.
In Preußen war eine Ersatzpflicht nach dem Jagdpolizeigesetz vom 7. März 1850 ausgeschlossen, dem Verpächter war es überlassen, sich bei der Verpachtung durch vertragliche Bestimmungen zu schützen.
Das Bürgerliche Gesetzbuch überließ im ersten Entwurf die Regelung des Wildschadens der Landesgesetzgebung,[630] nach der endgültigen Fassung (§ 835) ist der Jagdberechtigte verpflichtet, den durch Schwarz-, Rot-, Elch-, Dam- oder Rehwild oder Fasanen auf einem Grundstück angerichteten Schaden, auch den an schon vom Boden getrennten Feldfrüchten, zu ersetzen. Ist der Eigentümer durch Gesetz an der Ausübung des Jagdrechtes gehindert, so ist der nach dem Gesetz Jagdberechtigte zum Ersatz verpflichtet. Hat der Eigentümer eines Grundstückes, auf dem wegen seiner Lage nur gemeinschaftlich mit einem andern Grundstück das Jagdrecht ausgeübt werden darf, dasselbe dem Eigentümer dieses Grundstückes verpachtet, so ist letzterer für den Schaden verantwortlich. In gemeinschaftlichen Jagdbezirken sind die Eigentümer nach der Größe ihrer Grundstücke ersatzpflichtig. Ein Rückgriffsrecht gegen den, in dessen Jagdbezirk das Wild seinen Stand hat, sieht das Bürgerliche Gesetzbuch nicht vor. Die Landesgesetzgebung bleibt bestehen, bez. kann den Gegenstand selbständig regeln, darf aber die Bestimmungen des § 835 nicht abschwächen. Nachdem in Preußen durch Wildschadengesetz vom 11. Juli 1891 der Gegenstand geregelt, sind dessen Bestimmungen im wesentlichen unverändert in die Jagdordnung vom 15. Juli 1907 übergegangen. Danach ist der durch Schwarz-, Rot-, Elch- und Damwild sowie Rehwild und Fasanen an und auf Grundstücken angerichtete Schade dem Nutzungsberechtigten zu ersetzen. Ersatzpflichtig sind in einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk die Grundbesitzer des Jagdbezirkes nach Verhältnis der Größe der beteiligten Fläche. Bei Enklaven ist der Inhaber des umschließenden Jagdbezirkes ersatzpflichtig, sofern er die Jagd auf der Enklave angepachtet oder die angebotene Anpachtung abgelehnt hat. Ist während des Kalenderjahres wiederholt durch Rot- oder Damwild verursachter W. festgestellt worden, so muß auf Antrag des Ersatzpflichtigen oder der Jagdberechtigten die Jagdpolizeibehörde sowohl für den betroffenen als auch nach Bedürfnis für benachbarte Jagdbezirke die Schonzeit der schädigenden Wildgattung für einen bestimmten Zeitraum aufheben und die Jagd berechtigten zum Abschuß auffordern und anhalten. Allenfalls kann auch den Grundbesitzern und Nutzungsberechtigten die Genehmigung erteilt werden, das auf ihre Grundstücke übertretende Rot- und Damwild auf jede erlaubte Weise zu fangen, namentlich auch mit Anwendung des Schießgewehres zu erlegen. Schwarzwild darf nur in solchen Einfriedigungen gehegt werden, aus denen es nicht ausbrechen kann. Der Jagdberechtigte, aus dessen Gehege Schwarzwild austritt, haftet für den durch letzteres verursachten Schaden. Außer dem Jagdberechtigten darf jeder Grundbesitzer oder Nutzungsberechtigte innerhalb seiner Grundstücke Schwarzwild auf jede erlaubte Art fangen, töten und behalten. Die Jagdpolizeibehörde kann die Benutzung von Schießwaffen für eine bestimmte Zeit gestatten. Außerdem hat sie zur Vertilgung uneingefriedigten Schwarzwildes alles Erforderliche anzuordnen, sei es durch Polizeijagden, sei es durch andre geeignete Maßregeln oder Auflagen an die Jagdberechtigten des Bezirkes und der Nachbarförsten. Wilde Kaninchen unterliegen dem freien Tierfang mit Ausschluß des Fangens mit Schlingen. Die Jagdpolizeibehörde kann die Besitzer von Obst-, Gemüse-, Blumen- und Baumschulanlagen ermächtigen, Vögel und Wild, die in den genannten Anlagen Schaden anrichten, zu jeder Zeit mittels Schußwaffen zu erlegen. Der Jagdberechtigte kann verlangen, daß ihm die erlegten Tiere, soweit sie seinem Jagdrecht unterliegen, gegen das übliche Schußgeld überlassen werden. Vgl. Literatur über die Jagdgesetzgebung in den einzelnen Staaten bei Artikel »Jagd«, S. 135, 1. Spalte; E. W. Müller, Das Wildschadensrecht in seiner heutigen Gestalt (Leipz. 1903); Ausgaben und Erläuterungen des preußischen Gesetzes vom 11. Juli 1891 von Berger (Berl. 1892), Holtgreven (4. Aufl., das. 1902), Schwarze (das. 1893); E. v. Dombrowski, Die Wildschäden (Weim. 1896).